Melvin Van Peebles
AP/Evan Agostini
1932–2021

Melvin Van Peebles ist tot

Der US-Regisseur, Bühnenautor und Musiker Melvin Van Peebles, auch „Godfather des modernen schwarzen Kinos“ genannt, ist tot. Er sei am Dienstagabend in New York im Alter von 89 Jahren gestorben, hieß es in einer am Mittwoch (Ortszeit) im Auftrag von Van Peebles’ Familie verbreiteten Mitteilung.

Der in Chicago geborene Filmemacher läutete die Zeit der „Blaxploitation“-Filme ein, die in den 1970er Jahren in den USA ihre Blütezeit hatten und mit schwarzen Darstellern für ein vorwiegend schwarzes Kinopublikum gedreht wurden. Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern „black“ für schwarz und „exploitation“ für Ausbeutung zusammen.

Oftmals handelte es sich um Low-Budget-Produktionen, in denen Perspektive und Themen der schwarzen Bevölkerung in den Vordergrund gestellt wurden. Van Peebles sagte 1972 in einem „New York Times Magazine“-Interview, er habe der falschen Darstellung von Schwarzen etwas entgegensetzen wollen, die weiße Menschen nutzten, „um unseren Geist zu verwirren, zu leeren und zu kolonisieren“.

Melvin Van Peebles
AP/VoF/STAR MAX/IPx
Durch seine „Blaxploitation“-Filme wurde er zum Pioneer des schwarzen Kinos: Melvin Van Peebles

„Gigant des amerikanischen Kinos“

In der Aussendung wurde der Regisseur als „Gigant des amerikanischen Kinos“ gewürdigt. Seine Filme, Romane, Theaterstücke und Musik hätten die internationale Kulturlandschaft nachhaltig geprägt, schrieben die Vertriebe Criterion Collection und Janus Films auf Twitter.

Bekannt wurde Van Peebles vor allem für den Film „Sweet Sweetback’s Baadasssss Song“ (1971), der beim diesjährigen New Yorker Filmfestival (24. September bis 10. Oktober) mit einer Vorführung zum 50. Jubiläum gefeiert wird. Der Held des Films, Sweetback, ist darin Star einer Sexshow in einem Bordell. Wie in weiterer Folge für das Genre üblich, stach der Film durch explizite Gewalt- und Sexszenen sowie Kritik an weißer Herrschaft hervor. Gewidmet war der Film „allen schwarzen Brüdern und Schwestern“, die genug von „The Man“ – einem Slangausdruck für Regierung – hatten.

„Dad wusste, dass schwarze Bilder wichtig sind“, wurde Van Peebles’ Sohn Mario zum Tod seines Vaters zitiert. Wahre Befreiung bedeutete nicht, die Gesinnung des Kolonisators nachzuahmen, sondern die Kraft, Schönheit und Vernetzung aller Menschen zu würdigen, wie der Schauspieler und Regisseur sagte.

Musiker, Schriftsteller, Broadway-Autor

Van Peebles war ein künstlerisches Multitalent – und führte als junger Mann ein bewegtes Leben. Nach mehreren Stationen in Mexiko, wo er sich als Porträtmaler durchschlug, San Francisco, wo er 1957 seinen ersten Roman „The Big Heart“ veröffentlichte, und den Niederlanden, wo er Astronomie studierte, landete er in Paris, wo er schließlich Kurzgeschichten und den Roman „La Permission“ auf Französisch schrieb.

In den späten 1960er Jahren veröffentlichte er mehrere Alben, die als Vorläufer des Rap gelten. Peebles sprach seine Texte, anstatt sie zu singen, und widmete sich Geschichten rund um Junkies, Prostitution und Polizeigewalt – bis heute Versatzstücke von vielen Hip-Hop-Songs. Nach dem Erfolg von „Sweetback“ setzte er diese Songs unter dem Titel „Ain’t Supposed to Die a Natural Death“ als Broadway-Musical um.

Der unerwartete Erfolg – Peebles promotete das Musical nach anfangs schwächelnden Verkaufszahlen persönlich in schwarzen Kirchen und Vereinen – führte 1972 zu seiner zweiten Broadway-Show „Don’t Play Us Cheap!“. Beide Produktionen brachten ihm Nominierungen für den Tony Award ein.

Einfluss von Spike Lee bis Quentin Tarantino

Seine größten Erfolge feierte Van Peebles aber im Kino. Filme wie die Komödie „Watermelon Man“ (1970), „Sweet Sweetback’s Baadasssss Song“ und „Identity Crisis“ (1989), in dem ein Rapper vom Geist eines verstorbenen Modedesigners verfolgt wird, waren für das schwarze US-Kino der vergangenen Jahrzehnte prägend.

Sein Einfluss reicht etwa von Spike Lees „She’s Gotta Have It“ (1986) bis zu Barry Jenkins’ oscarprämiertem Drama „Moonlight“ (2016). Jenkins erinnerte sich in einer Twitter-Mitteilung an den Verstorbenen: „Er machte das Beste aus jeder Sekunde, aus jedem Frame.“ Und weiter: „Er verstand es wirklich zu leben.“ Befragt nach seiner Wirkung auf jüngere Regisseure entgegnete Van Peebles der „New York Times“ 2010: „Ich wusste gar nicht, dass ich ein Vermächtnis habe. Ich tue einfach, was ich gerne tue.“

Der Einfluss des „Blaxploitation“-Genres ist aber nicht auf schwarze Filmemacher begrenzt. Quentin Tarantino bezieht sich beispielsweise mit Filmen wie „Django Unchained“ (2012) und „Jackie Brown“ (1997) direkt auf das Genre und Van Peebles’ Pionierleistungen.