Die Schwester des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un, Kim Yo Yong, auf einem Archivbild aus dem jahr 2019
Reuters/Leah Millis
Nordkorea

Kims Schwester setzt sich in Szene

Im August hat sie gegen Südkorea und die USA gewettert, nun hat sie in zwei Botschaften binnen weniger Tage versöhnliche Töne angeschlagen: Kim Yo Jong, die jüngere Schwester von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, setzt sich immer mehr in Szene. Sie gilt als enge Vertraute ihres Bruders und soll auch für dessen Propagandainszenierung verantwortlich sein. Sie könnte ihn sogar beerben, heißt es – doch viel ist über sie nicht bekannt.

Fest steht, dass sich Kim Yo Jong in den vergangenen Jahren zu einer Schlüsselfigur in Pjöngjangs undurchsichtigem Machtgefüge entwickelt hat. Sie ist vier Jahre jünger als ihr Bruder und soll dieser Tage ihren 34. Geburtstag feiern. Damit ist sie die jüngste Tochter des verstorbenen Führers Kim Jong Il.

Dieser war mit drei Frauen verheiratet, drei Kinder, Kim Yo Jong, Kim Jong Un und der politisch wenig prominente Kim Jong Chol, entstammen der Ehe mit der früheren Tänzerin Ko Yong Hui. Gemeinsam mit dem nunmehrigen Machthaber lebte und studierte sie auch in der Schweiz. Beobachter meinen, dass das die Geschwister zusätzlich zusammengeschweißt haben könnte.

Federführend bei Politpropaganda

Nachdem Bruder Kim nach dem Tod des Vaters 2011 die Macht übernommen hatte, stieg auch Kim Yo Jong schnell in der Hierarchie auf. Beim Begräbnis des Vaters war sie im Staatsfernsehen unmittelbar hinter Kim Jong Un zu sehen. Bereits 2014 wurde sie Vizedirektorin der Agitations- und Propagandaabteilung der Volksrepublik. Damit soll sie seit Jahren federführend für die Inszenierung des Personenkults rund um ihren Bruder sein und alle seine öffentlichen Auftritte organisieren. 2017 wurde sie zum stellvertretenden Mitglied des Politbüros ernannt – als erst die zweite Frau in diesem Gremium.

Die Schwester des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un, Kim Yo Yong, neben ihrem Bruder, dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un, auf einem Archivbild aus dem Jahr 2018
Reuters/Jonathan Ernst
Kim Yo Jong an der Seite ihres Bruders

Kim Yo Jong erlangte erstmals 2018 internationale Aufmerksamkeit, als sie als erstes Mitglied der Kim-Dynastie Südkorea besuchte. Sie gehörte der Delegation für die Olympischen Winterspiele an, bei denen Nord- und Südkorea als gemeinsames Team antraten. Auf Ex-US-Vizepräsident Mike Pence machte sie dort offenbar nicht den besten Eindruck: Er nannte sie eine „zentrale Säule des tyrannischsten und repressivsten Regimes auf dem Planeten“. Sie gehöre einer „bösen Familienclique“ an, welche die 25 Millionen Bewohner des ostasiatischen Staates „misshandelt, unterwirft, aushungert und einpfercht.“

Nachfolgegerüchte im Frühjahr 2020

Im Zuge des Tauwetters 2018 arbeitete sie augenscheinlich an der Seite ihres Bruders, als dieser sich auf den Weg der internationalen Diplomatie machte und den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In, Chinas Xi Jinping und vor allem US-Präsident Donald Trump traf. Immer wieder war sie auf Bildern neben ihren Bruder zu sehen. Sie steht auch auf der US-Sanktionsliste wegen ihrer angeblichen Verbindungen zu Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea.

Noch größer in Erscheinung trat sie schließlich im Frühjahr 2020, als ihr Bruder eine längere Zeit lang aus ungeklärten Gründen von der Bildfläche verschwunden war. Als Spekulationen über eine schwere Krankheit die Runde machten, wurde sie von Expertinnen und Experten schon als mögliche Nachfolgerin ihres Bruders ins Spiel gebracht. Auf dem ersten Foto nach seinem Untertauchen war der Machthaber auch mit seiner Schwester zu sehen.

Für Außenpolitik zuständig

Im August des Vorjahrs berichtete dann die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf Geheimdienstkreise, Kim Yo Jong sei zur „De-facto-Führerin Nummer zwei“ aufgestiegen und mittlerweile für die Politik gegenüber Südkorea und den USA verantwortlich. Allerdings dauerte es dann bis ins heurige Frühjahr, bis sie sich auch auf der internationalen Bühne zu Wort meldete: Im März attackierte sie mit scharfen Worten USA und Südkorea, im August warnte sie die beiden Länder vor einem geplanten gemeinsamen Militärmanöver.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un
Reuters/KCNA
Über Kims Gesundheitszustand gibt es immer wieder Spekulationen

Nachdem Nordkorea in den vergangenen Wochen wieder mehrere Raketentests durchgeführt hatte, die üblicherweise ein Säbelrasseln vor diplomatischen Anläufen darstellen, meldete sich Kim Yo Jong binnen weniger Tage zweimal zu Wort: Man sei bereit, einen Gipfel mit Südkorea in Betracht zu ziehen. Es müsse sichergestellt sein, dass sich die beiden Länder mit gegenseitigem Respekt begegneten, zitierte sie die staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Zuvor hatte sie den erneuten Vorstoß des südkoreanischen Präsidenten Moon, ein formales Ende des Korea-Krieges in den 1950er Jahren zu erklären, eine „interessante und vortreffliche Idee“ genannt.

Südkoreas Verteidigungsministerium sprach am Sonntag von einem „bedeutungsvollen“ Vorstoß Kim Yo Jongs und rief Nordkorea zur raschen Wiederaufnahme der Kommunikation über ihre ungenutzten Verbindungen auf.

Prominent verheiratet?

Mit den neuen Auftritten nährten sich auch erneut die Spekulationen über sie. Gerüchten zufolge ist sie mit dem Sohn von Choe Ryong Hae verheiratet, dem mächtigen Parteisekretär und faktischen Stellvertreter von Kim Jong Un. Spekuliert wird auch, dass sie gemeinsam ein Kind, möglicherweise sogar zwei haben. Wenn es diese Verbindung tatsächlich gibt, würde ihr das noch mehr politisches Gewicht verleihen.

Die Schwester des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un, Kim Yo Yong, auf einem Archivbild aus dem Jahr 2019
Reuters/Jorge Silva
2019 wurde Kim Yo Jong in die Oberste Volksversammlung gewählt

Gefährliche Familienangelegenheit

Die politische Führung des Landes war in Nordkorea schon immer eine Familienangelegenheit: In der Propaganda und der politischen Mythologie des Landes wird seit Jahrzehnten der „Paektu“-Stammbaum betont, dem Staatsgründer Kim Il Sung angehörte. Kim Yo Jong zählt zu den prominentesten Mitgliedern dieser „Blutlinie“, daher würde die staatliche Propaganda einen Machtwechsel in ihre Hände leicht rechtfertigen können, heißt es in einer BBC-Analyse. Und schlagend könnte das werden, nachdem Machthaber Kim nicht im besten Gesundheitszustand sein soll und sein Nachkomme noch im Kindesalter steckt.

„Solange kein anderes Mitglied der Kim-Familie an die Macht kommt, wird es für sie sehr einfach sein“, sagte Fyodor Tertitskiy von der Kookmin-Universität in Seoul der BBC. Aber: Nordkorea hatte jedoch noch nie eine weibliche Führung. Und stellt jemand anderer den Machtanspruch, wäre sie eine gefährliche Rivalin: „Entweder sie übernimmt den Mantel des Obersten Führers oder sie verliert alle Macht und möglicherweise auch ihr Leben.“