Mehrheit für Enteignung von Wohnkonzernen in Berlin

In Berlin hat die Mehrheit gestern in einem Volksentscheid für eine Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne in der deutschen Hauptstadt abgestimmt. Das bestätigte die Landeswahlleiterin heute Vormittag.

Nach der Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmbezirke sprachen sich gestern 57,1 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die von der Gruppe „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ angeschobene Initiative aus, wie aus den auf der Internetseite der Landeswahlleiterin veröffentlichten Zahlen hervorging. 38,3 Prozent stimmten mit „Nein“.

Die Initiative hatte 359.063 Unterschriften für den Volksentscheid eingesammelt – und damit deutlich mehr als die nötigen rund 171.000. Sie setzt sich für die Enteignung von Wohnungskonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin ein, Genossenschaften sollen aber nicht getroffen sein. Dabei sollen mehr als 240.000 Wohnungen gemäß der Vorlage der Initiative in den Besitz einer Anstalt des öffentlichen Rechts überführt werden.

Votum unverbindlich

Der Senat hatte vor der Wahl darauf verwiesen, dass gegen die vom Volksbegehren angestrebte Vergesellschaftung von Wohnungen verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf die Eigentumsgarantie bestünden. Zudem wäre das Volksbegehren „im Erfolgsfall für den Senat formal unverbindlich“ – das Ergebnis müsse nicht umgesetzt werden. Im Wahlkampf für den neuen Senat hatte sich von den großen Parteien nur die Linke eindeutig hinter die Initiative gestellt.

In Berlin gibt es ebenso wie in zahlreichen deutschen Metropolen seit Jahren eine Debatte über Wohnungsmangel und hohe Mieten. Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin hatte bereits versucht, die Preissteigerungen auf dem überhitzten Wohnungsmarkt mit einem Mietendeckel zu bremsen. Dieser war aber vom Bundesverfassungsgericht kassiert worden. Vermieter waren gegen die Mietobergrenze Sturm gelaufen.

Giffey will Ergebnis respektieren

Die Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey sagte eine ernsthafte Prüfung zu. „Dieser Volksentscheid ist zu respektieren, und die notwendigen Schritte sind einzuleiten“, sagte Giffey heute im ARD-„Morgenmagazin“. Der politische Auftrag sei nun, dass die Umsetzbarkeit des Volksentscheids anhand eines Gesetzentwurfs geprüft werde.

Dabei äußerte Giffey allerdings Zweifel an der Umsetzbarkeit der mit dem Volksentscheid verbundenen Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne: „Wenn das nicht verfassungskonform ist, können wir es auch nicht machen.“ Giffey erneuerte auch ihre Position aus dem Wahlkampf zur Wahl des Abgeordnetenhauses, dass Enteignungen ihrer Meinung nach nicht zum Bau der benötigten neuen Wohnungen beitragen.

Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sprach in der ARD von einem sehr deutlichen Votum. In Berlin werde Druck für eine gute Lösung beim Thema bezahlbarer Wohnraum gebraucht – dazu könne es einen Pakt mit den Unternehmen geben, die Zugeständnisse machen müssten. Gelinge das, könne die Forderung nach einer Vergesellschaftung vom Tisch genommen werden.

Vonovia kündigt Gesprächsbereitschaft an

Vonovia-Chef Rolf Buch sagte, der Konzern stehe bereit, mit einer neuen Landesregierung und den gesellschaftlichen Akteuren der Stadt die Herausforderungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt anzugehen. Er sprach sich für ein „neues Bündnis für das Wohnen“ aus. Für Buch steht der Berliner Markt aktuell stärker im Fokus – hat sich sein Konzern doch eine Mehrheit an dem Konkurrenten Deutsche Wohnen gesichert.