CDU-Chef Armin Laschet sitzt im Auto
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Union

Laschet rudert offenbar in K-Frage zurück

Die Union hat bei der deutschen Bundestagswahl am Sonntag ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Dennoch machte Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) den Wunsch nach einer unionsgeführten Regierung deutlich. Einen Regierungsanspruch will er mehreren Medienberichten zufolge aber nicht formuliert haben. Zuvor hatte es in Präsidium und Vorstand Kritik gegeben, dass die Union ihre Wahlniederlage klarer einräumen müsse.

In Beratungen der engsten CDU-Führungsspitze unterstrich Laschet seine Bereitschaft, eine von ihm geführte Bundesregierung zu führen. Mit FDP-Chef Christian Lindner habe er bereits über mögliche Sondierungen gesprochen. Am Montag soll es auch ein Gespräch mit Grünen-Chefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock geben. Nach Informationen der dpa in Berlin stellte der CDU-Chef im Präsidium aber klar, niemand habe am Sonntagabend von einem Regierungsauftrag für die Union gesprochen. Es sei lediglich die Faktenlage beschrieben worden. Zuvor hatten die Zeitungen „Welt“ und „Bild“ über entsprechende Aussagen von Laschet berichtet.

„Aus dem Wahlergebnis kann niemand einen Regierungsanspruch ableiten, das habe ich am Sonntag auch nicht gesagt“, so Laschet selbst. „Wir stehen bereit für andere Konstellationen, wenn eine Ampel nicht klappt.“ Laschet räumte im Bundesvorstand einen „persönlichen Anteil“ an der Wahlniederlage ein.

Anders klang das noch bei Laschets Ansprache am Wahlabend: „Wir haben einen klaren Auftrag erhalten, dass eine Stimme der Union eine Stimme gegen eine links geführte Bundesregierung ist. Deshalb werden wir alles daransetzen, eine Bundesregierung unter der Führung der Union zu stellen. Wir brauchen eine Zukunftskoalition. Koalition für eine bessere Welt. Dafür werde ich ab jetzt arbeiten“, sagte er im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntagabend.

Söder sieht „Angebot“, nicht „Anspruch“

Auch CSU-Chef Markus Söder gab sich vorsichtiger als am Wahlsonntag, als er sich trotz großer Verluste vehement für Laschet als Kanzler ausgesprochen hatte: Er sagte, dass die Union nach dem Absturz bei der Bundestagswahl keinen zwingenden Anspruch auf die Regierungsführung erheben könne.

Die Union sei auf Platz zwei und nicht eins gelandet, es gebe daraus keinen Anspruch auf die Regierungsführung – allerdings ein Angebot für Gespräche, sagte Söder nach Teilnehmerangaben am Montag in einer CSU-Vorstandssitzung in München. Ein solches Angebot mache man – aber es werde kein „Anbiedern um jeden Preis“ bei Grünen und FDP geben, stellte er klar.

CDU-Chef  Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder
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CSU-Chef Markus Söder ist bei Koalitionsgesprächen gegen ein „Anbiedern um jeden Preis“

„Jamaika“ nicht um jeden Preis

Eine „Jamaika-Koalition“ aus Union, FDP und Grünen werde es also nicht um jeden Preis geben – wenn, dann müsse der politische Kern von Union und CSU erkennbar sein. Die FDP etwa müsste bei der inneren Sicherheit Bewegung zeigen.

Am Wahlabend hatte Söder noch deutlich offensiver für ein „Jamaika-Bündnis“ geworben. Da hatte der CSU-Chef mit Blick auf die anstehenden Sondierungsgespräche mit Grünen und FDP unter anderem gesagt: „Wir wollen gemeinsam in diese Gespräche gehen mit dem klaren Ziel, den Führungsauftrag für die Union zu definieren, dass Armin Laschet dann der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wird.“

Die Union erlebte bei der Wahl ein historisches Debakel, sie stürzte von 32,9 auf 24,1 Prozent ab. Die SPD konnte sich hingegen um 5,2 Punkte auf 25,7 Prozent steigern. Die Grünen kommen auf 14,8 Prozent, die FDP auf 11,5 Prozent. Für die AfD stimmten 10,3 Prozent. Die Linkspartei erhielt zwar nur 4,9 Prozent, zieht aber durch den Gewinn von drei Direktmandaten auch mit Listenkandidaten in den Bundestag ein.

Kritik von CDU-Ministerpräsidenten

Die Diskussion im CDU-Präsidium drehte sich laut den Medienangaben unter anderem um das Wort „Regierungsauftrag“. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte am Montagvormittag im MDR Sachsen gesagt, das Wahlergebnis sei ein Erdbeben gewesen und habe eine ganz klare Wechselstimmung gegen die CDU gezeigt. Das müsse man sich eingestehen.

Ihm erschließe sich deshalb die Haltung im Adenauer-Haus – der CDU-Zentrale in Berlin – nicht, von einem Regierungsauftrag zu sprechen, sagte Kretschmer. Diese Linie liege genau auf dem bisherigen Kurs, der zum Absturz der Union geführt habe, und sei nicht zukunftsfähig.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer
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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kritisierte seine Partei scharf

Bei seinem Eintreffen zu den Beratungen in Berlin äußerte sich Kretschmer dann zurückhaltender. Er machte hausgemachte Fehler für das schlechte Abschneiden der Union verantwortlich. „Es sind Fehlentscheidungen in der Vergangenheit gewesen, inhaltlicher Art, in der Regierung und auch in der personellen Aufstellung“, sagte er.

„Wenn wir weitermachen wie bisher, dann mache ich mir große Sorgen, was in vier Jahren übrig bleibt“, sagte Kretschmer, in dessen Bundesland die AfD stärkste Kraft geworden war. „Deswegen braucht es jetzt erst mal ein Innehalten. Die CDU hat diese Wahl verloren.“

CSU-Politiker: Jedes Fettnäpfchen mitgenommen

Auch in der CSU häuften sich kritische Stimmen: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte in der CSU-Vorstandssitzung nach Teilnehmerangaben, es habe bei der CDU Schwächen bei Kurs, Kampagne und beim Kandidaten gegeben. Der bayrische Junge-Union-Chef Christian Doleschal sagte in der Sitzung, man müsse ehrlich analysieren, dass die Union diese Wahl nicht gewonnen habe. Der Kandidat sei hierbei als Erstes zu nennen: Dieser habe bis zum Wahltag jedes Fettnäpfchen „mitgenommen“, das es gegeben habe.

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sprach intern von einem bitteren Ergebnis für die Union – und erinnerte daran, dass CSU-Chef Söder im Frühjahr das Angebot gemacht hatte, selbst Kanzlerkandidat zu werden. Mit ihm hätte die Union viel, viel besser abgeschnitten.

Mit Spannung wird die konstituierende Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag am Dienstag erwartet. Fraktionschef Ralph Brinkhaus machte klar, dass er neuerlich kandidieren will. Dass Parteichef Laschet das Amt nicht anstrebt, wird ihm von Kommentatoren als Schwäche ausgelegt. Dem Vernehmen nach soll sich Brinkhaus auch geweigert haben, das Amt nur kommissarisch zu besetzen. Vielmehr wolle er sich für ein Jahr wählen lassen.

Scholz wirbt für „Ampel“

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz warb nach dem Triumph seiner Partei indes für eine „Ampelkoalition“ mit Grünen und FDP. Die drei Parteien seien von den Wählerinnen und Wählern gestärkt worden und hätten einen „sichtbaren Auftrag“, sagte Scholz am Montag vor Beratungen der SPD-Spitze in Berlin. Grüne und FDP wollten sich – trotz jeweils divergierender Präferenzen – allerdings noch nicht auf eine Koalitionsvariante festlegen. Eine mögliche Große Koalition trifft sowohl bei SPD als auch bei Union auf Abneigung.

„Das Wahlergebnis in Deutschland lässt verschiedenste Konstellationen zu, und die kommenden Wochen werden zeigen, wer künftig den Kanzler in Deutschland stellen wird“, teilte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) der APA mit. Weder äußerte er sich zur historischen Niederlage der Union noch gratulierte er Scholz.

Zuvor war der Wahlausgang von den Schwesterparteien jener drei Kräfte kommentiert worden, die bei der Bundestagswahl zulegen konnten. Lobende Worte für die SPD kamen seitens SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, für die FDP kamen sie von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und für die Grünen von Vizekanzler Werner Kogler.