Armin Laschet
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Schlappe der Union

Laschet: „Persönlicher Anteil am Ergebnis“

CDU-Chef Armin Laschet hat nach der verlustreichen deutschen Bundestagswahl einen Reformprozess und eine „intensive Aufarbeitung“ für die Union aus CDU und CSU angekündigt. Das Ergebnis könne die Union nicht zufriedenstellen, aber auch nicht die andere große Volkspartei, die SPD – für beide sehe er keinen klaren Regierungsauftrag. Er wisse zudem, dass er einen persönlichen Anteil am Ergebnis habe, so Laschet.

Ein Ergebnis unter 30 Prozent sei nicht der Anspruch der Union als Volkspartei, so Laschet nach Beratungen der Parteigremien bei einer Pressekonferenz Montagnachmittag in Berlin. Das Ergebnis „kann, darf und wird“ die Union nicht zufriedenstellen. Zwar habe man im Schlussspurt aufgeholt und Rot-Rot-Grün verhindert. Es habe aber zugleich schmerzliche Verluste gegeben und nicht gereicht für Platz eins.

Natürlich wisse er, dass er auch einen persönlichen Anteil daran habe, sagte Laschet weiter. Das Ergebnis der Wahl werde intensiv aufgearbeitet werden, in den verschiedenen Parteikreise, aber auch an der Basis. Egal, ob die Union in Regierungsverantwortung komme, es müsse eine Erneuerung auf allen Ebenen stattfinden, auch dort, wo die Union in Regierungsverantwortung ist. Besonders drastisch seien die Ergebnisse im Osten ausgefallen.

Gespräche „auf Augenhöhe“

Man habe aus dem Wahlergebnis aber auch abgeleitet, dass die Wählerinnen und Wähler wollen, dass die Union Verantwortung übernehme, erklärte Laschet weiter – man könne allerdings keinen Regierungsauftrag ableiten, weder für die Union noch die SPD. Sowohl er als auch SPD-Chef Olaf Scholz müssten nun „in Demut“ vor die Wähler treten. „Niemand kann alleine entscheiden, wie die Regierung zu bilden ist“, diese Situation sei neu in Deutschland. Nun brauche es Gespräche mit Partnern, „auf Augenhöhe“.

Es sei klar, dass die nächste Regierung in Deutschland drei Parteienfamilien verbinden werde, Gespräche zwischen SPD und Union würden nicht auf der Prioritätenliste der beiden Parteien stehen. Vielmehr werde es nun Gespräche mit FDP und Grünen geben, sagte er weiter, also für eine „Jamaika-Koalition“. In einer kommenden Koalition müsse sich jeder der Partner wiederfinden, skizzierte Laschet, sie dürfe nicht auf den Regierungschef zugeschnitten sein, zudem sei eine Koalition keine Zwangsehe. Nun gehe es um Vertrauen zwischen möglichen Partnern.

Laschet steht als Regierungschef bereit

In Beratungen der engsten CDU-Führungsspitze unterstrich Laschet zuvor seine Bereitschaft, die Bundesregierung zu führen. Mit FDP-Chef Christian Lindner habe er bereits über mögliche Sondierungen gesprochen. Am Montag sollte es auch ein Gespräch mit Grünen-Chefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock geben. Nach Informationen der dpa sagte der CDU-Chef im Präsidium, niemand habe am Sonntagabend von einem Regierungsauftrag für die Union gesprochen. Es sei lediglich die Faktenlage beschrieben worden. Zuvor hatten die Zeitungen „Welt“ und „Bild“ über entsprechende Aussagen von Laschet berichtet.

Anders klang das noch bei Laschets Ansprache am Wahlabend: „Wir haben einen klaren Auftrag erhalten, dass eine Stimme der Union eine Stimme gegen eine links geführte Bundesregierung ist. Deshalb werden wir alles daransetzen, eine Bundesregierung unter der Führung der Union zu stellen. Wir brauchen eine Zukunftskoalition. Koalition für eine bessere Welt. Dafür werde ich ab jetzt arbeiten“, sagte er im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntagabend.

Erste Rücktrittsaufforderungen

Von parteiinternen Kritikern hieß es, dass Laschet mit dem „Zukunftsbündnis“, also der Regierung mit Grünen und FDP, seine Position vorerst gerettet hat, berichtet Reuters. Das zwang seine Partei zunächst zur Ruhe, weil die Union nur eine Chance auf eine Regierungsbeteiligung hat, wenn sie geschlossen auftritt. Allerdings sei der Unmut selbst bei den Laschet-Unterstützern groß.

Mittlerweile wurden erste Forderungen nach personeller Erneuerung laut, bisher aber nicht von Schwergewichten. Die Junge Union in Sachsen stellte sich gegen Laschet: „Wir brauchen einen echten Neuanfang. Dieser kann nur erfolgreich sein, wenn unser Bundesvorsitzender und Kanzlerkandidat, Armin Laschet, die Konsequenzen aus diesem Vertrauensverlust zieht und zurücktritt“, sagte der Vorsitzende Marcus Mündlein in Dresden.

Söder sieht „Angebot“, nicht „Anspruch“

Auch CSU-Chef Markus Söder gab sich vorsichtiger als am Wahlsonntag, als er sich vehement für Laschet als Kanzler und ein „Jamaika-Bündnis“ ausgesprochen hatte: Er sagte, dass die Union nach dem Absturz bei der Bundestagswahl keinen zwingenden Anspruch auf die Regierungsführung erheben könne.

Die Union sei auf Platz zwei gelandet, es gebe allerdings ein Angebot für Gespräche, sagte Söder nach Teilnehmerangaben am Montag in einer CSU-Vorstandssitzung in München. Es werde kein „Anbiedern um jeden Preis“ bei Grünen und FDP geben, stellte er klar. Wenn, dann müsse der politische Kern von Union und CSU erkennbar sein. Die FDP etwa müsste bei der inneren Sicherheit Bewegung zeigen.

CDU-Chef  Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder
APA/AFP/Sebastian Gollnow
CSU-Chef Markus Söder ist bei Koalitionsgesprächen gegen ein „Anbiedern um jeden Preis“

Die Union erlebte bei der Wahl ein historisches Debakel, sie stürzte von 32,9 auf 24,1 Prozent ab. Die SPD konnte sich hingegen um 5,2 Punkte auf 25,7 Prozent steigern. Die Grünen kommen auf 14,8 Prozent, die FDP auf 11,5 Prozent. Für die AfD stimmten 10,3 Prozent. Die Linkspartei erhielt zwar nur 4,9 Prozent, zieht aber durch den Gewinn von drei Direktmandaten auch mit Listenkandidaten in den Bundestag ein.

Kritik von CDU-Ministerpräsidenten

Die Diskussion im CDU-Präsidium drehte sich laut den Medienangaben unter anderem um das Wort „Regierungsauftrag“. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte am Montagvormittag im MDR Sachsen gesagt, das Wahlergebnis habe eine ganz klare Wechselstimmung gegen die CDU gezeigt. Ihm erschließe sich die Haltung im Adenauer-Haus – der CDU-Zentrale in Berlin – nicht, von einem Regierungsauftrag zu sprechen, sagte Kretschmer. Diese Linie liege genau auf dem bisherigen Kurs, der zum Absturz der Union geführt habe, und sei nicht zukunftsfähig.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer
Reuters/Fabrizio Bensch
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kritisierte seine Partei scharf

Bei seinem Eintreffen zu den Beratungen in Berlin äußerte sich Kretschmer dann zurückhaltender. Er machte hausgemachte Fehler für das schlechte Abschneiden der Union verantwortlich. „Es sind Fehlentscheidungen in der Vergangenheit gewesen, inhaltlicher Art, in der Regierung und auch in der personellen Aufstellung“, sagte er. „Wenn wir weitermachen wie bisher, dann mache ich mir große Sorgen, was in vier Jahren übrig bleibt“, sagte Kretschmer, in dessen Bundesland die AfD stärkste Kraft geworden war.

Rückendeckung bekam Laschet vom Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU): „Niemand kann wirklich ernsthaft vertreten, dass Armin Laschet für uns ein Zugpferd gewesen ist.“ Aber er halte die Entscheidung, „dass wir ihn aufgestellt haben für richtig“.

CSU-Politiker: Jedes Fettnäpfchen mitgenommen

Bei der Schwesternpartei der Union, in der CSU, häuften sich ebenfalls kritische Stimmen: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte in der CSU-Vorstandssitzung nach Teilnehmerangaben, es habe bei der CDU Schwächen bei Kurs, Kampagne und beim Kandidaten gegeben. Der bayrische Junge-Union-Chef Christian Doleschal sagte in der Sitzung, man müsse ehrlich analysieren, dass die Union diese Wahl nicht gewonnen habe. Laschet sei hierbei als Erstes zu nennen: Dieser habe bis zum Wahltag jedes Fettnäpfchen „mitgenommen“, das es gegeben habe.

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sprach intern von einem bitteren Ergebnis für die Union – und erinnerte daran, dass CSU-Chef Söder im Frühjahr das Angebot gemacht hatte, selbst Kanzlerkandidat zu werden. Mit ihm hätte die Union viel, viel besser abgeschnitten.

Mit Spannung wird die konstituierende Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag am Dienstag erwartet. Fraktionschef Ralph Brinkhaus machte klar, dass er neuerlich kandidieren will. Dem Vernehmen nach soll sich Brinkhaus auch geweigert haben, das Amt nur kommissarisch zu besetzen. Vielmehr wolle er sich für ein Jahr wählen lassen. Laschet kündigte am Montag an, Brinkhaus gemeinsam mit Söder vorschlagen zu wollen. Er selbst stehe für das Amt nicht zur Verfügung. Montagabend hieß es aber von Söder, dass er sich noch nicht mit Laschet auf eine Bestätigung von Brinkhaus verständigt habe. Brinkhaus habe seinen Job gut gemacht. Es gebe aber auch noch andere.

CDU: Laschet soll Nachfolge in NRW klären

Bis Ende nächster Woche will die nordrhein-westfälische CDU ihre Spitzenpersonalien zur Nachfolge von Laschet als Ministerpräsident und Landesparteichef klären. Laschet werde dazu in den nächsten Tagen „mit allen relevanten Persönlichkeiten Gespräche führen“, kündigte der Generalsekretär der NRW-CDU, Josef Hovenjürgen, Montagabend an.

Laschet hatte im Vorfeld der Bundestagswahl erklärt, er gehe „ohne Rückfahrkarte“ nach Berlin – auch wenn er nicht Kanzler werde. Es wird damit gerechnet, dass er Ministerpräsident bleibt bis zur konstituierenden Sitzung des Bundestags am 26. Oktober.

Kurz zurückhaltend

„Das Wahlergebnis in Deutschland lässt verschiedenste Konstellationen zu, und die kommenden Wochen werden zeigen, wer künftig den Kanzler in Deutschland stellen wird“, teilte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) der APA mit. Weder äußerte er sich zur historischen Niederlage der Union noch gratulierte er Scholz.

Zuvor war der Wahlausgang von den Schwesterparteien jener drei Kräfte kommentiert worden, die bei der Bundestagswahl zulegen konnten. Lobende Worte für die SPD kamen seitens SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, für die FDP kamen sie von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und für die Grünen von Vizekanzler Werner Kogler.