Ausstellungsansicht Ines Doujak: Geistervölker
Ines Doujak; Foto: Markus Wörgötter
ORF-Aktion

Comeback für „Lange Nacht der Museen“

Nachts durch die Straßen streifen und eintauchen in das Gewurl des gemeinsamen Kunstgenusses: Nach einem Jahr pandemiebedingter Pause startet am Samstag die 21. Auflage der „Langen Nacht der Museen“. Von Wien bis Bregenz, vom Eisenbahnermuseum bis zur feministischen Kunstsammlung lädt ein bunter Ausstellungsparcours dazu ein, das Schlafengehen nach hinten zu verschieben.

Hunderte Kulturinstitutionen – genauer gesagt 640 – verlängern am Samstag ihre Öffnungszeiten und laden zwischen 18.00 Uhr und 1.00 Uhr zum Besuch. Viele bieten Spezialführungen an und – für kleine Nachteulen und Schlafverweigerer – auch ein eigenes Kinderprogramm, das unter Zwölfjährige kostenlos besuchen können. Die „3-G-Regel“ (geimpft, getestet oder genesen) gilt für Erwachsene und Kinder ab sechs Jahren, Antigen-Selbsttests reichen nicht mehr aus. In Wien gilt ab dem 1. Oktober zudem eine FFP2-Maskenpflicht im Museum.

Weibliche Retrospektiven in Wien

Gerade erst eröffnet, führt die Ausstellung von Rebecca Horn im Bank-Austria-Kunstforum Wien in eine ganz eigene, stimmungsvoll-melancholische Welt: Die deutsche Grand Dame der Gegenwartskunst zeigt dort ihre geheimnisvollen Automaten, die mit viel Hintersinn, literarischen Referenzen und nach ganz eigener, nicht immer leicht zu durchschauender Logik vor sich hin knurren, knarzen und fuhrwerken. Die Schau, in der auch Videoarbeiten Horns zu sehen sind, ist nach 30-jähriger Pause die erste umfassende Präsentation der 1944 geborenen Künstlern.

Ausstellungsansicht Biennale di Venezia (1997).
Attilio Maranzano
Geheimnisvolle Klänge aus dem Sperrholz-Pallettenhaufen: Rebecca Horn im Bank-Austria-Kunstforum Wien

In poppig-bunter Verpackung und mit explizit politischen Botschaften kommt die ebenfalls gerade eröffnete Werkschau „Geistervölker“ in der Wiener Kunsthalle daher, die mit Ines Doujak ein Aushängeschild österreichischer Konzeptkunst erstmals groß vor den Vorhang holt.

Die documenta- und Biennale-erprobte Künstlerin zeigt formal Vielfältiges – etwa kreischend gelbe Sitzmöbel, Pappmachefigurengruppen und ein „Geisterhaus“ aus weißen Bäumen; um die Kritik am globalen Handel geht es ebenso wie um die Reflexion des Kolonialismus mit seinen Folgen. Thematisch schließt da die Secession an, wo mit dem Vietnamesen Danh Vo ein Star der postkolonialen Kunst der Vergangenheit Indochinas nachspürt.

Modigliani und Narrenturm-Neuaufstellung

Besucherandrang erwartet man in der Albertina, wo seit Kurzem Amedeo Modigliani und seine außereuropäischen Einflüsse auf dem Programm stehen. Lange galt Modigliani als „verruchter“ Künstler, heute werden seine Frauenakte mit den charakteristischen leeren Augen um dreistellige Millionenbeträge gehandelt. Leopold Museum, Belvedere und mumok setzen auf sehenswerte Sammlungspräsentationen: „Die Sammlung Schedlmayer“ zeigt ein stilistisch breites Potpourri von Wiener Moderne über den deutschen Expressionismus bis zum Biedermeier.

Das Gemälde „Dame mit blauen Augen“ (1918) von Amedeo Modigliani. Öl auf Leinwand.
© Musée d’art moderne de la Ville de Paris/Bequest of Dr. Maurice Girardin
Die große Albertina-Herbstausstellung widmet sich dem „Primitivismus“ von Amedeo Modigliani.

Im belvedere 21 werden unbekanntere Bestände gelungen mit Neuerwerbungen nicht zuletzt feministischer Kunst kombiniert („Avantgarde und Gegenwart“). Üppig-lustvoll ist die schon seit Juni laufende Jubiläumsschau „Enjoy“ im mumok. Im Ausgleich zur von Männern dominierten Sammlung wurden dort in den letzten Jahren ebenfalls verstärkt Künstlerinnen eingebracht, etwa bunter Pop von der US-amerikanischen Nonne Corita Kent oder Kiki Kogelniks „War Baby“ – bestaunt etwa auch von der Schauspielerin Caroline Peters im „Museum für zwei“-Rundgang.

MF2 MUMOK Neu

Eine Neuentdeckung ganz anderer Art lässt sich im Wiener Narrenturm machen, wo man nach längerer Renovierungspause mit dem Erscheinungsbild eines morbiden Kuriositätenkabinetts aufgeräumt hat und die pathologisch-anatomische Schausammlung nun zeitgemäß-nüchtern – aber immer noch mit Gruselfaktor – präsentiert.

Mischwesen und Nonsens in Niederösterreich

Nichts für schwache Nerven ist auch die in Krems angesiedelte Schau der Australierin Patricia Piccinini, die mit ihren fleischig-faltigen, posthumanistischen Mischwesen schon zum Hit der Venedig-Biennale 2003 wurde. Mit ihren Installationen, die gleichermaßen ekeln und faszinieren, will Piccinini ethische Fragen zu Mensch, Natur und Technologie aufwerfen.

Patricia Piccinini, Teenage Metamorphosis, 2017
Patricia Piccinini
Zum Ekeln und Staunen: Patricia Piccinini führt in eine neue, genmanipulierte Welt

Gleich nebenan feiert das Karikaturmuseum Krems mit einem Sammlungs-Best-of von Erich Sokol bis Manfred Deix sein 20-Jahr-Jubiläum. Wenn man in Niederösterreich unterwegs ist, lohnt auch ein Abstecher nach Herrnbaumgarten im Bezirk Mistelbach, wo das „Nonseum“ seine Türen öffnet. Besucher können hier über die unsinnigsten Erfindungen der Menschen staunen, etwa einen ausrollbaren Zebrastreifen und einen Teller mit integriertem Abfluss. Und auch die Burg Lichtenstein und das Römermuseum Mautern sind offen für die nächtliche Erkundung.

Feministische Avantgarde in Oberösterreich

In Oberösterreich widmet sich das Linzer Lentos seit wenigen Tagen der „Female Sensibility“ – ein irreführender Titel, denn in der Schau zu den 1970er-Jahre-Pionierinnen aus der Sammlung Verbund gibt es ein Themenspektrum zu entdecken, das weit über das Klischee „weiblicher Sensibilität“ hinausreicht: Unter den Neuerwerbungen etwa Frauenbronzen der Wiener Bildhauerin Gerda Fassel jenseits klassischer Schönheitsideale und eine Fotoserie der ostdeutschen Gabriele Stötzer, die sich 1984 als Mumie verpuppte und so ein Sinnbild dafür lieferte, was es heißt, in der Freiheit beschränkt zu sein.

Robert Bauernhansl: Turbulence/Melt
Immersiv und technologisch am Puls der Zeit: Die Ars Electronica mit reichhaltigem Programm

Spannend auch das reichhaltige Programm der Ars Electronica: Als digitales Highlight lädt der Deep Space 8K mit seinen Bodenprojektionen, Lasertracking und 3-D-Animationen zum Eintauchen ein, stündlich werden zudem Führungen angeboten, etwa durch die Ausstellung „There is no Planet B“.

Salzburg: Ein letztes Mal Yinka Shonibare

Im Salzburger Museum der Moderne gibt es auf dem Mönchsberg noch ein letztes Mal die Gelegenheit, die Schau des britisch-nigerianischen Künstlerstars Yinka Shonibare CBE zu besuchen. Sein Markenzeichen, auch in „End of Empire“: Bunt gemusterte Waxprint-Stoffe, die nur vermeintlich „authentisch afrikanisch“ sind, vorwiegend aber in den Niederlanden, in Indonesien oder in China für den Export hergestellt werden. Mit ihnen kleidet Shonibare etwa Buchbrücken ganzer Bibliotheken aus – oder auch historische Figuren: eine „Ethnisierung und Aneignung der viktorianischen Ära“, sagte Shonibare einmal dazu.

museum fuer zwei museum der moderne salzburg

Steirischer herbst und Barock im Kerzenschein

Der steirische herbst, der noch bis 10. Oktober dauert, lädt in den barocken Innenhof des Grazer Palais Attems zum „Lange Nacht"-Event „Papier marche“ ein, einem Bazar rund um das Thema Papier. Das Kunsthaus Graz beschäftigt sich unter dem Titel „was sein wird“ mit den großen Themen der Zeit – genannt werden Bildung, Klima, Mobilität, Altern und Migration. Wer lieber immersiv in die Vergangenheit eintauchen will, kann das in Schloss Eggenberg tun: Im Schein von 600 Kerzen führt man dort durch die seit über 250 Jahren kaum veränderten barocken Prunksäle.

Margot-Pilz-Schau in Klagenfurt

In Kärtnen zeigt die Klagenfurter Galerie3 einen Querschnitt aus dem Werk der feministischen Konzeptkünstlerin Margot Pilz, von neueren Arbeiten bis zur Fotoserie „Trotz dem“ (1983), die bereits als Klassiker gehandelt wird. Pilz, die erst kürzlich ihren 85. Geburtstag feierte, wird gerade in letzter Zeit wieder verstärkt gewürdigt: Die Kunstkritik-Staatspreisträgerin Nina Schedlmayr veröffentlichte kürzlich eine Biografie, ab dem 23. Oktober ist in der Kunsthalle Krems eine große Einzelpräsentation zu sehen.

Margot Pilz: Trotz dem
Margot Pilz
Die feministische Kunstpionierin Margot Pilz ist in Klagenfurt zu erleben, unter anderem mit „Trotz dem“ (1983)

An gleich mehreren Orten in Klagenfurt lädt der kleine Verein zur Anregung des dramatischen Appetits (VADA) zur Ausstellung des deutschen Zeichners Gerhard Seyfried, der als international bekannter, grafischer Chronist der links-alternativen Szene gilt. In der Kategorie Kinderprogramm gibt es im Burgmuseum Hochosterwitz, auf der Sternwarte Klagenfurt oder im Reptilienzoo Happ einiges zu entdecken.

Geburt und Dirdln in Vorarlberg

Weiter in Richtung Westen lädt in Innsbruck das Audioversum zum Erforschen der Gehörfunktionen ein: DJ auf dem Kritzelphon, Scratch-Challenge an einem DJ Turntable und „Abenteuer Medizintechnik“ inklusive. Im Kunsthaus Bregenz stehen die poetischen Klangbilder des Albaners Anri Sala in der Auslage; das Stadtmuseum Dornbirn präsentiert eine neue Ausstellung zur Kulturgeschichte der „Ware Dirndl“.

Factbox:

„ORF Lange Nacht der Museen“, Samstag, 2. Oktober, 18.00 bis 1.00 Uhr. Die Tickets gelten österreichweit als Eintrittskarten und kosten regulär 15 Euro, ermäßigt zwölf Euro und regional sechs Euro. Freier Eintritt für Kinder bis zwölf Jahre.

Und im vielfach ausgezeichneten Vorarlberger Frauenmuseum Hittisau kann man noch einen Blick in die sehenswerte Schau „geburtskultur. vom gebären und geboren werden“ werfen, mit der die Institution ihr 20-Jahr-Jubliäum feiert. Mit breitem thematischen Zugang lässt sich dort in die Kulturgeschichte des Gebärens eintauchen – unter anderem mit den Themen Schöpfungsmythen, traditionelles Hebammenwissen und Reproduktionsmedizin.

Als Orientierungshilfe im Dickicht der Möglichkeiten oder für jene, die lieber doch Kunst von der Couch aus genießen, bietet das „Museum für zwei“ viel Möglichkeit zum Weiterstöbern: In der ORF-Serie, die seit seinem Start im März dieses Jahres quer durch die Museumslandschaft führt, kann man Promis bei ihren Ausstellungsstreifzügen über die Schulter schauen.