Die deutschen FDP-Politiker Volker Wissing, Christian Lindner zusammen mit Annalena Baerbock und Robert Habeck von den Grünen.
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Sondierungen

FDP und Grüne mit „Instagram-Auftakt“

Nach der Bundestagswahl in Deutschland werden die FDP und die Grünen bekanntlich zu Königsmachern: Die beiden Parteien könnten sowohl eine „Ampelkoalition“ mit der SPD als auch ein Bündnis mit der Union eingehen. Nun wurde bereits sondiert. Nicht nur der Zeitpunkt überrascht, sondern auch die Bekanntgabe der Gespräche auf Instagram.

Eigentlich war erst am Mittwoch mit Verhandlungen gerechnet worden. Doch trafen sich die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck schon am Dienstagabend mit FDP-Chef Christian Lindner und -Generalsekretär Volker Wissing. Ein Novum war, wie das Quartett die Gespräche öffentlich machte: Alle posteten auf Instagram gleichzeitig dasselbe Foto samt einheitlichem Text: „Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten.“

Deutsche Medien werteten das als Signal, dass die Sondierungsgespräche diskret geführt werden sollen: Es zeige, dass „die Teilnehmer anders als bei den Jamaika-Gesprächen 2017/2018 diesmal keine Verhandlungen führen wollen, bei denen unzählige Reporter vor der Tür warten und bei denen durch Indiskretionen Zwischenstände an die Öffentlichkeit dringen“, schrieb etwa die „Welt“. Das solle wohl „Disziplin und neue Gemeinsamkeit“ demonstrieren, mutmaßt die Zeitung.

Am Freitag soll es weitergehen

FDP und Grünen wollen ab Freitag weitere Beratungen abhalten. Das sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing am Mittwoch in Berlin. Bei dem Gespräch am Freitag in größerer Runde sollten „erste inhaltliche Fragen vertieft werden“, so FDP-Generalsekretär Volker Wissing am Mittwoch in Berlin. Über die Inhalte der Gespräche sei aber Vertraulichkeit vereinbart worden, weswegen er nichts zum ersten Treffen mit den Grünen am Dienstagabend sagen könnte.

Die FDP will am Wochenende auch mit der Union und dann mit der SPD eine mögliche Beteiligung an einer neuen Bundesregierung sondieren. Die Grünen wollen am Sonntag mit der SPD sprechen. Das sagte Parteichefin Annalena Baerbock am Mittwoch in Berlin. Die Union habe ihre Partei für die kommende Woche zu Gesprächen eingeladen, sagte Baerbock.

„Grundlinien“ für „Neustart“

Erklärtes Ziel von Grünen und FDP ist die Einigung auf Grundlinien einer politischen Zusammenarbeit, die als Voraussetzung für einen „Neustart“ der Regierungspolitik in Deutschland dienen soll. Sowohl eine Koalition mit der Union als auch mit der SPD ist möglich. Letztere hatte die Wahl gewonnen.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte im Vorfeld wiederholt eindringlich für eine „Ampelkoalition“ geworben. „Da passt was zusammen, wenn man das zusammenbringen will“, sagte Scholz am Dienstagabend in Berlin. „Es kann eine Regierung sein, wo drei Parteien zusammenkommen, die unterschiedliche, aber mit Überschneidungen versehene Fortschrittsideen haben.“

Mützenich macht Druck

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte Grüne und FDP auf, möglichst bald mit der SPD über eine mögliche Regierungskoalition zu reden. Die beiden Parteien sollten „klug genug sein, das Angebot von uns, jetzt bald Gespräche, Sondierungen für eine Koalition zu führen, auch zu ergreifen“, sagte er am Mittwoch in Berlin nach einer Fraktionssitzung. Die SPD stehe „jederzeit“ dafür zur Verfügung.

Sozialdemokraten, Grüne und FDP könnten eine „Fortschrittskoalition“ unter einem Bundeskanzler Scholz bilden, sagte Mützenich. In der SPD-Fraktion habe Einigkeit geherrscht, dass Scholz „so schnell wir möglich“ zum Kanzler gewählt werden solle. „Das ist etwas, das wir auch mit vielen Menschen in Deutschland teilen“, zeigte sich Mützenich überzeugt.

Laschet gratulierte Scholz per Brief

CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet gratulierte Scholz zum Wahlsieg. Die Glückwünsche trafen am Mittwoch per Brief ein, wie die Nachrichtenagentur AFP aus SPD-Parteikreisen erfuhr. Aus CDU-Parteikreisen wurde bestätigt, dass Laschet einen Brief an Scholz geschickt hat.

CSU-Chef Markus Söder hatte Scholz bereits am Dienstag zu Platz eins bei der Wahl beglückwünscht. Eine entsprechende öffentliche Äußerung von Laschet gab es hingegen nicht. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Scholz. Sie habe dem amtierenden Bundesfinanzminister und Vizekanzler „am Montag zu seinem Wahlerfolg gratuliert“, teilte das deutsche Bundespresseamt am Mittwoch mit.

CDU hadert weiter mit Laschet-Ergebnis

Die CDU knabbert indes weiter an ihrem historisch schlechten Wahlergebnis und der Pleite für Laschet. Zuletzt deuteten sich erste Machtkämpfe in der Union an, die Laschet vorerst aber überstanden haben dürfte. Zumindest zeichnete sich das in der konstituierenden Sitzung der neuen CDU/CSU-Fraktion am Dienstagabend ab. Der wiedergewählte Fraktionschef der Union, Ralph Brinkhaus (CDU), stärkte Laschet den Rücken und bezeichnete ihn als „geborenen Verhandler“ für die von Laschet angestrebte „Jamaika-Koalition“.

„Wir werden jetzt in den nächsten Tagen mit FDP, mit Grünen sprechen. Unser Gesprächsangebot steht. Und ich denke, dass jetzt Sachgespräche unter Demokraten richtig sind“, so Laschet erneut. Die Union habe die Wahl nicht gewonnen, in einer unübersichtlichen Lage müsse aber jede demokratische Partei „bereit sein, auch Verantwortung zu übernehmen. Und das sind wir.“

Bei der Sitzung ging es auch darum, ob Laschet womöglich als Unionsfraktionschef kandidieren könnte, sollte die Union tatsächlich in der Opposition landen. Dann wäre der Fraktionsvorsitz der wichtigste Posten. Brinkhaus schloss eine Konkurrenz durch Laschet aus und wurde auch mit 85 Prozent wiedergewählt – allerdings nur bis Ende April und nicht wie üblich für ein Jahr.

CDU: Können keine Ansprüche stellen

Auch Brinkhaus sagte in den ARD-„Tagesthemen“, CDU und CSU seien sich einig, dass man Grünen und FDP nun Gespräche über eine „Jamaika-Koalition“ anbieten wolle. Klar sei, dass die Union nach der Niederlage gegen die SPD keine Ansprüche erheben könne. Aber eine „Jamaika-Koalition“ sei neben der „Ampel“ aus SPD, Grünen und FDP weiter eine Option. Die Union war bei der Bundestagswahl auf den historischen Tiefpunkt von 24,1 Prozent gestürzt. Die SPD wurde mit 25,7 Prozent stärkste Kraft.

FDP: „Jamaika“ „noch nicht vom Tisch“

Laut FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer ist eine „Jamaika-Koalition“ von FDP und Grünen mit der Union „noch nicht vom Tisch“. Parteichef Lindner habe zuletzt deutlich gemacht, dass die Liberalen eine Präferenz für ein solches Bündnis haben, sagte Theurer Mittwochfrüh im Deutschlandfunk. Ferner schließe er nicht aus, dass es zu einer Fortsetzung der Großen Koalition von Union und SPD „unter umgekehrten Vorzeichen“ kommen könnte.

Theurer forderte für die anstehenden Gespräche mit den anderen Parteien Vertraulichkeit. Es dürfe – anders als in den Koalitionsverhandlungen vor vier Jahren – nicht wieder dazu kommen, dass Wasserstandsmeldungen öffentlich gemacht werden.

Grüne Jugend gegen Koalition mit Union

Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, hält hingegen die CDU in den Sondierungen derzeit für nicht verhandlungsfähig. „Die müssen sich erst einmal selbst sortieren“, sagte sie im Deutschlandfunk. Aus ihrer Sicht muss zuerst mit der SPD die Bildung einer Koalition ausgelotet werden.

Die Grüne Jugend forderte indes Baerbock und Habeck zu einer klaren Absage an eine Koalition mit der Union auf. „Eine Jamaika-Koalition mit der Union würde die Grüne Jugend nicht mitmachen“, sagte der Bundessprecher der Jugendorganisation, Georg Kurz, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwoch). „Wir können auf keinen Fall die Partei, die explizit abgewählt wurde, zurück ins Kanzleramt hieven.“