Daniel Craig als James Bond in einer Szene aus dem neuen Film „No Time To Die“.
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„Keine Zeit zu sterben“

Daniel Craig feiert lauten Bond-Abschied

Mit eineinhalb Jahren Verspätung tritt Daniel Craig ein letztes Mal als 007 an. „Keine Zeit zu sterben“, dem 25. James-Bond-Film, merkt man die Entstehungszeit von Ian Flemings Figur zwar allzu deutlich an, doch mit vielen Verweisen auf frühere Filme und grandiosem Drehbuch gelingt Regisseur Cary Joji Fukunaga ein Bond, an dem sich folgende werden messen müssen.

Ganze eineinhalb Jahre dauerte die Wartezeit auf jenen Bond-Film, mit dem sich der 53-jährige Daniel Craig nach 15 Jahren und fünf Auftritten in der Rolle des hartgesottenen Agenten im Dienste ihrer Majestät verabschiedet. Der Kinostart des Nachfolgers von „Spectre“ (2015) war für April 2020 geplant, die Marketingmaschinerie lief schon auf Hochtouren, als die Pandemie dem Kinovergnügen einen Strich durch die Rechnung machte.

Die Rechnung, sie ist bei Bond beträchtlich: Die auf Flemings Romanen und Kurzgeschichten beruhende Reihe gilt als die einträglichste aller Zeiten, allein Craigs Bond hat bisher an der Kinokassa über drei Milliarden Dollar eingespielt. Für einen Vorab-Streamingstart wurde ein Preis von 600 Millionen US-Dollar kolportiert, am Ende entschieden sich die Produzenten für das Kino als Austragungsort dieser fulminanten Bond-Festspiele.

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Daniel Craig als James Bond und Léa Seydoux als Dr. Madleine Swann in einer Szene aus dem neuen Film „No Time To Die“.
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Endlich Glück in der Paarbeziehung? Bei Bond (Daniel Craig) und Madeleine Swann (Lea Seydoux) herrschen Vertrauensprobleme.
Daniel Craig als James Bond und Ana de Armas als Paloma in einer Szene aus dem neuen Film „No Time To Die“.
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James Bond (Daniel Craig) und seine kubanische Agentenkollegin Paloma (Ana de Armas) trinken Martini wie immer „geschüttelt, nicht gerührt“
Daniel Craig und Christoph Waltz in einer Szene aus dem neuen James Bond Film „No Time To Die“.
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Auch aus dem Gefängnis heraus macht Blofeld (Christoph Waltz) Ärger
Rami Malek als Safin in einer Szene aus dem neuen James Bond Film „No Time To Die“.
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Rami Malik macht „Keine Zeit zu sterben“ als empfindsamer Oberschurke Lyutsifer Safin zum Ereignis
Szene aus dem neuen James Bond Film „No Time To Die“.
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Ein Klassiker in der Basilikata: Bonds Aston Martin bei der ersten Verfolgungsjagd in Matera
Lashana Lynch als Nomi in einer Szene aus dem neuen Film „No Time To Die“.
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Nomi (Lashana Lynch) läuft dem pensionierten Auslaufmodell Bond als neue 007 fast den Rang ab

Ein Quantum Liebesglück

Die Entscheidung kommt den Fans jetzt zugute, denn mit 160 Minuten Lauflänge bietet „Keine Zeit zu sterben“ noch einmal alles auf, was 007 ausmacht. Der Mix aus Action, coolen Sprüchen und Weltrettung ist für die große Leinwand geschaffen. Die Handlung schließt direkt an den Vorgängerfilm an, in dem Bond am Ende mit Madeleine Swann (Lea Seydoux) endlich der großen Liebe entgegenbrauste.

Zu Beginn scheint das Glück immer noch perfekt, doch die gelernten Bond-Enthusiastinnen und -Enthusiasten wissen, dass das nicht gutgehen kann. Wie die beiden da im Aston Martin einem Liebeswochenende im italienischen Matera – zu Recht eine der beliebtesten Filmkulissen der Welt – entgegenfahren, wünscht man sich, dass dieses Mal alles gutgehen soll.

Bond, ein weiteres Mal von Craig als Kraftpaket mit sehr harter Schale und mittelweichem Kern angelegt, soll doch bitte schön endlich mit seiner Vergangenheit in Form der getöteten Vesper, die ihn in „Casino Royale“ verriet und die er seitdem rächen will, reinen Tisch machen. Und Madeleine, die natürlich eine dunkle Vorgeschichte hat, soll ihm dafür alle ihre Geheimnisse verraten.

Vertrauensprobleme und das Erbe des Kalten Krieges

Selbstverständlich kommt es, wie es kommen muss. Bond, der laut Madeleine „nicht dafür gemacht ist zu vertrauen“ wird vom Erzschurken Blofeld (Christoph Waltz) selbst aus dem Gefängnis heraus noch mit Hilfe der Schergen seiner Geheimorganisation Spectre verfolgt – das zieht sich seit „Man lebt nur zweimal“ (1967) durch die Saga.

Madeleine ist im Weltbild ihres berufsbedingt paranoiden Lovers jedenfalls schuld an der jüngsten spektakulären Verfolgungsjagd. Davon gibt es in „Keine Zeit zu sterben“ etliche, und selbstverständlich besteht der kernige Craig-Bond gegen ganze Privatarmeen, auch wenn er den einen oder anderen Kratzer abbekommt.

Der einsame alternde Wolf zieht sich in die Pension zurück. Bis befreundete CIA-Agenten ihn zu Hilfe rufen, weil in Kuba der Hut brennt. Dass bei den folgenden geopolitischen Verwicklungen böse Wissenschaftler Russen sein müssen und die Nachkriegsordnung des Kalten Krieges über allerlei Versatzstücke aufgerufen werden muss, wirkt zugleich etwas angestaubt und auch augenzwinkernd charmant.

Zeichen der Zeit

Eigentlich wäre der MI6 ganz gut ohne den unberechenbaren Schmerzensmann ausgekommen. Immerhin hat die professionelle und mit allen Agententugenden ausgestattete junge schwarze Nomi (schlagkräftig: Lashana Lynch) seinen Posten samt Doppelnullnummer übernommen.

Lashana Lynch als Nomi und Daniel Craig als James Bond in einer Szene aus dem neuen Film „No Time To Die“.
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Nomi (Lashana Lynch) verbannt Bond als neue 007 in die zweite Reihe

Überhaupt zeigen sich die Zeichen der Zeit: Männer, die sich für unwiderstehlich halten, werden lächelnd abgewiesen, die Agentinnen sind mehr als patent. Das weist vielleicht in eine zukünftige Richtung der Filmreihe, Craig hat ja für weitere Einsätze abgewunken. Einstweilen hält das Auslaufmodell alternder Mann mit Waffen und Egoproblemen aber die spektakuläre Handlung am Laufen. Hätte Geheimdienstchef M. (Ralph Fiennes) keine Fehlentscheidungen getroffen, müsste sich Bond nicht wieder in den Dienst drängen.

Rettet James Bond die Kinobranche?

Der 25. James-Bond-Film mit Daniel Craig, der nun ins Kino kommt, soll die am Boden liegende Kinobranche aus der CoV-Krise retten.

Dass dabei am Ende das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel steht, genügt den Anforderungen von Flemings Bond-Universum. Dass aber der eigentliche Erzschurke, der wiederum gegen den bisherigen Erzschurken Blofeld in die Schlacht zieht, ein traumatisierter und empfindsamer Schurke von Shakespeare’schem Format ist, macht den Film zum Ereignis.

Gott spielende Männer

Wie Rami Malek („Bohemian Rhapsody“) da Weltschmerz mit narzisstischem Größenwahn in die Figur des Lyutsifer Safin mischt, der auf einer Privatinsel – Dr. No aus dem allerersten Bond aus dem Jahr 1962 lässt grüßen – mit biologischen Waffen experimentiert, sticht jeden Thrillerpsychopathen aus.

Rami Malek als Safin in einer Szene aus dem neuen James Bond Film „No Time To Die“.
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Ein Schurke wie aus Shakespeares Feder: Rami Malek als Lyutsifer Safin in einer Schlüsselszene des 25. James-Bond-Streifens

Alles läuft auf eine direkte Konfrontation zwischen ihm und Bond zu – deren persönliche Dramatik für alle Beteiligten beim Zuschauen den Atem stocken lässt. Mehr zu verraten würde verderben, was sich jetzt schon als Blockbuster des Jahres empfiehlt. Nur einer der gelungensten Sätze des Rededuells sei erwähnt, der Richard III. gut angestanden hätte: „History isn’t kind to men who play God.“ (Deutsch: „Die Geschichte ist nicht zimperlich mit Männern, die Gott spielen.“) Nach dem bombastischen Ende ist klar – der 25. Bond wird bei Fans lange Gesprächsthema bleiben.