Kind mit einem Smartphone
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Neue User

Instagram und Co. fischen nach Kindern

Kinder und Social Media ist ein heikles Thema – für die Tech-Konzerne aber auch ein besonders interessantes. Immerhin haben die Netzwerke großes Interesse daran, neue User möglichst rasch an sich zu binden. So arbeitete zuletzt etwa der Facebook-Konzern an einer Fotoplattform namens Instagram Kids für die Leute zwischen zehn und zwölf. Doch nach einer Artikelserie des „Wall Street Journals“ zu Facebooks Praktiken musste das Projekt auf Eis gelegt werden – und auch anderwärtig wirbelte die Recherche Staub auf.

Die Zeitung arbeitet seit einigen Wochen unter dem Titel „Facebook Files“ interne Dokumente aus dem Techkonzern auf. In diesen geht es wesentlich auch um das Rennen, das sich Facebook mit anderen sozialen Netzwerken – ungeachtet von Kritik und Appellen für Jugendschutz – um die jüngsten Nutzerinnen und Nutzer liefert.

Im Fokus steht dabei vor allem die Gruppe der Tweens, wie es in der Marktforschung heißt – also von Kindern zwischen neun und zwölf Jahren, die zwischen Kindheit und Pubertät stehen. Bei ihnen handle es sich um ein „noch unerschlossenes Publikum“, so interne Facebook-Unterlagen aus 2020, aus denen das „WSJ“ am Mittwoch zitierte. Es gelte, ein maßgeschneidertes Angebot für diese Altersgruppe zu schaffen und sie so langfristig an den Facebook-Konzern zu binden.

Starke Konkurrenz durch TikTok

Facebook sieht sich mit starker Konkurrenz konfrontiert. Nicht nur YouTube frisst die Zeit der Jungen, sondern besonders auch der chinesische Konkurrent TikTok und Snapchat. Sie kommen bei Kindern unter 13 besonders gut an. Laut einer Umfrage des Pew Research Centers von 2020 nutzen in den USA 30 Prozent der Neun- bis Zwölfjährigen TikTok, 22 Prozent Snapchat, elf Prozent Instagram und nur sechs Prozent Facebook.

Teenager machen ein Selfie
APA/AFP/Isabel Infantes
Die Selbstdarstellung auf Social Media hat ihren Preis

Das liegt zum einen am verspielteren Zugang mit Features wie Musik, Filtern, Stickern und Minigames. Zum andere wecke der auf „Selbstpräsentation“ liegende Fokus von Instagram bei dieser Altersgruppe nicht genug Interesse, hieß es laut „WSJ“ in den Dokumenten des Facebook-Konzerns.

Kritische Altersgruppe

Die Altersgruppe zwischen neun und zwölf gilt für den Konzern als besonders heikel: Einerseits sind sie die Nutzerinnen und Nutzer von morgen, andererseits schränken Facebooks Angebot sowie Jugend- und Datenschutz den Zugriff auf diese Altersgruppe stark ein. De facto ist es Personen unter 13 nicht einmal erlaubt, einen Instagram- bzw. Facebook-Account zu eröffnen. In Österreich beträgt das Mindestalter für die Nutzung von sozialen Netzwerken sogar 14 Jahre.

Die Realität sieht aber freilich anders aus. Schon allein weil beim Alter einfach gelogen werden könne, sei eine eigens für Zehn- bis Zwölfjährige konzipierte App sinnvoll, heißt es von Instagram. Der Konzern beruft sich dabei auch auf den Schutz von Kindern: In einem eigenen sozialen Netzwerk könnten Kinder vor unangemessenen oder gefährlichen Inhalten besser geschützt werden, die Eltern hätten weitergehende Kontrollmöglichkeiten. Kritiker sehen hingegen ein viel zu frühes Abhängigmachen von sozialen Netzwerken.

Negative Auswirkungen auf psychische Gesundheit

Wie sehr sich der Konzern wirklich um die Sicherheit seiner jungen User sorgt, wurde bereits in einer separaten Recherche des „WSJ“ infrage gestellt. Dieser zufolge wisse der Facebook-Konzern aufgrund interner und unveröffentlichter Studien seit Langem, dass die Nutzung von Instagram schwere negative Auswirkungen auf die seelische Gesundheit von Teenagern haben kann – vor allem bei Mädchen und jungen Frauen.

Videoschalte von Mark Zuckerberg während einer Anhörung
Reuters
Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei einer Anhörung vor dem Kongress

Das „WSJ“ zitierte interne Präsentationen zu entsprechenden Forschungsergebnissen. Laut diesen hätten Befragungen ergeben, dass sich Instagram bei einem Drittel aller Nutzerinnen im Teenager-Alter negativ auf das Körperbewusstsein auswirke. Zudem hieß es, dass Jugendliche aller Altersgruppen Instagram für Ängste und Depressionen verantwortlich machen.

Bedenklicher Fokus auf Selbstoptimierung

Weiters sei festgestellt worden, dass sich bei der Nutzung von Instagram spezielle Probleme ergeben würden, die bei anderen sozialen Netzwerken nicht auftreten. Der Fokus auf Selbstinszenierung, der Zwang zu Perfektion und Vergleich und das süchtigmachende Prinzip der App seien eine fatale Kombination. „Bestandteile von Instagram verstärken einander und sorgen für eine unglückliche Verkettung der Umstände“, heißt es laut „WSJ“ in der Untersuchung.

Der Facebook-Konzern wies die Kritik in dieser Form zurück und verwies stattdessen auf die positiven Effekte, die sich etwa durch die Vernetzung ergeben. Die Zeitung habe sich nur einige Aspekte aus einer Facebook-Studie herausgepickt, kritisierte der Konzern. Die Erforschung der Thematik sei wesentlich komplexer und die Fokusgruppe für die vom „WSJ“ zitierte Studie zu klein, hieß es in einem Blogeintrag.

Schon lange in der Kritik

Instagram und der Mutterkonzern Facebook stehen an all diesen Fronten freilich nicht erst seit den Enthüllungen des „Wall Street Journals“ unter Druck. Diese dürften jedoch dazu beigetragen haben, dass die Arbeit an Instagram Kids laut dem Unternehmen vorläufig aufs Eis gelegt wird. Man glaube zwar immer noch, dass ein Produkt für Zehn- bis Zwölfjährige wichtig sei, wolle sich aber noch vertieft mit Eltern, Fachleuten und Politik beraten. Es sei nie darum gegangen, ein Instagram für Kinder unter zehn zu bauen.

Am Donnerstag soll sich nun die bei Facebook für Nutzersicherheit zuständige Topmanagerin Antigone Davis Fragen von US-Senatoren stellen. Inwieweit die Entscheidung vom Montag den Druck von ihr nehmen kann, bleibt offen. Die republikanische Senatorin Marsha Blackburn, eine Organisatorin der Anhörung, bezeichnete den Entwicklungsstopp zwar als Schritt in die richtige Richtung. Sie bekräftigte aber zugleich ihre Kritik, dass große Tech-Konzerne Gewinne über das Wohlbefinden junger Nutzer stellten.