US-Notenbankchef gibt keine Entwarnung bei Materialengpässen

Hohe Inflation und Materialengpässe werden der Wirtschaft laut US-Notenbankchef Jerome Powell länger zusetzen als gedacht. Es sei frustrierend zu sehen, dass sich die Lieferkettenprobleme nicht besserten, sagte Powell gestern bei einer Gesprächsrunde beim Zentralbankforum der EZB: „Am aktuellen Rand verschlimmern sie sich offenbar sogar ein wenig“, sagte Powell.

Das mit der Öffnung der Wirtschaft nach der Krise zusammenhängende Problem werde sich vermutlich bis ins nächste Jahr hineinziehen und auch die Inflation länger auf einem höheren Stand halten als gedacht, so Powell. Die Teuerungsrate in den USA ist wie in vielen anderen Regionen der Welt zuletzt kräftig gestiegen – unter anderem als Folge der Coronavirus-Krise. Waren und Dienstleistungen kosteten im August 5,3 Prozent mehr als im Vorjahresmonat.

Er erwarte, dass die Inflation auch in den nächsten Monaten über dem Ziel der Federal Reserve von zwei Prozent liegen werde, bevor sie nachlasse, sagte Powell. Die Fed gehe aber davon aus, dass aus dem Inflationsschub kein dauerhaft erhöhtes Preisniveau entstehe. Doch sei es schwierig zu sagen, wie lange die Phase der erhöhten Preise andauere.

Auch EZB-Chefin warnt

Auch EZB-Chefin Christine Lagarde sagte, es sei schwierig vorherzusagen, wann sich die Lieferengpässe auflösten. Akute Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen setzen auch der deutschen Industrie zu: Der Materialmangel hat sich im September verschärft und ist nun so groß wie nie zuvor, wie das Ifo-Institut mitteilte. Als Folge wollen immer mehr Unternehmen ihre Preise erhöhen.

In der Euro-Zone lag die Teuerungsrate zuletzt bei 3,0 Prozent – der höchste Stand seit zehn Jahren. Lagarde sagte, es gebe keinen Grund anzunehmen, dass der Inflationsschub nicht vorübergehe. Mit Blick auf die derzeit erhöhten Energiekosten sei zu erwarten, dass dieser preistreibende Effekt im Laufe des nächsten Jahres nachlasse. Die von der Pandemie hart getroffene Wirtschaft werde zum Jahresende das Vorkrisenniveau wieder erreichen.

Japan und Großbritannien erwarten spätere Erholung

Der ebenfalls zur EZB-Konferenz zugeschaltete japanische Notenbankchef Haruhiko Kuroda rechnet damit, dass die Wirtschaft in seinem Land Ende 2021 oder Anfang 2022 ihr Vorkrisenniveau erreichen wird. Auch Japan leide unter Störungen der Lieferketten, die durch Schließung von Fabriken in Südostasien ausgelöst worden seien. Diese Hemmnisse dürften sich in den kommenden Monaten aber auflösen.

Der Chef der Bank von England, Andrew Bailey, erwartet, dass die Wirtschaft im Vereinigten Königreich erst Anfang 2022 und damit „womöglich einen Monat oder zwei Monate“ später als von der Notenbank im August angenommen, Vorkrisenniveau erreicht.