US-Kongress bei Nacht
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US-Demokraten zerstritten

Votum über Infrastrukturpaket vertagt

Mehr als eine Billion Dollar (860 Mrd. Euro) umfasst das Infrastrukturpaket von US-Präsident Joe Biden, das in der Nacht auf Donnerstag hätte verabschiedet werden sollen. Aufgrund eines Streits in der Demokratischen Partei musste die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die Abstimmung verschieben. Einen drohenden „Shutdown“ wendete der Kongress aber in letzter Minute ab.

Gegen die enorm kostenintensiven Konjunktur- und Sozialpakete Bidens leisten nicht nur die oppositionellen Republikaner Widerstand. Grabenkämpfe über Ausgestaltung und Umfang der wichtigsten Vorhaben des US-Präsidenten gibt es auch bei den Demokraten. Für diese bedeutet die Verschiebung eine herbe Niederlage. Die Demokratin Pelosi sprach in einem Schreiben an ihre Kollegen und Kolleginnen Donnerstagabend dennoch vage von einem „Tag des Fortschritts“. Es werde „mehr folgen“.

Die Gespräche sollen am Freitag fortgesetzt werden, sagte der Vorsitzende der Demokraten im Repräsentantenhaus, Steny Hoyer, Donnerstag am späten Abend (Ortszeit) in Washington. Man sei einer Einigung näher als je zuvor, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki. „Aber wir sind noch nicht am Ziel und deshalb brauchen wir etwas mehr Zeit, um die Arbeit abzuschließen.“ Biden und einige führende Demokraten hatten bis in den späten Abend vergeblich versucht, die Pattsituation aufzulösen.

US-Senatssprecherin Nancy Pelosi
Reuters/Elizabeth Frantz
Pelosi musste die Abstimmung über das Infrastrukturpaket verschieben

Hohe Summen für Bildung und Familien

Das Infrastrukturpaket, mit dem Straßen, Brücken sowie Verkehrs- und Energienetze in den USA modernisiert werden sollen, hatte im August nach langen Verhandlungen den Senat passiert – mit Unterstützung von Republikanern. Das abschließende Votum des Repräsentantenhauses fehlt noch.

Biden hatte außerdem ein zweites billionenschweres Paket geschnürt, um Sozialleistungen im Land auszubauen. Er will etwa mehr in Bildung und Kinderbetreuung investieren, Familien stärker unterstützen und sie steuerlich entlasten und Geld für den Kampf gegen die Klimakrise in die Hand nehmen. Dieses Paket hat einen Umfang von 3,5 Billionen Dollar, ebenso verteilt über mehrere Jahre.

Uneinigkeit über Sozialpaket

Dieses zweite Paket wollten die Demokraten in einem parlamentarischen Sonderverfahren aus eigener Kraft durch den Kongress bringen, da sich die Republikaner dagegen wehren. Allerdings haben die Demokraten in beiden Kammern nur knappe Mehrheiten und sind selbst untereinander nicht einig. Vertreter und Vertreterinnen des moderaten Flügels sehen die hohen Ausgaben kritisch. Progressive Demokraten hingegen wünschen sich mehr. Sie blockierten nun das Infrastrukturpaket, weil sie auch das größere Sozialleistungspaket gesichert sehen wollen.

Das Sozialpaket soll durch höhere Steuern für Unternehmen und Reiche finanziert werden. Das lehnen nicht nur die republikanischen Senatoren ab. Auch gemäßigte Demokraten wie Senator Joe Manchin und Kyrsten Sinema halten den finanziellen Umfang der Pakete für zu groß. Manchin aus dem republikanisch ausgerichteten West Virginia gilt als größter innerparteilicher Widersacher von Biden.

US-Senator Joe Manchin
AP/Andrew Harnik
Senator Manchin ist einer der demokratischen Gegenspieler zu Bidens Vorhaben

Beobachter führen aber Manchins Widerstand nicht nur auf die konservative Ausrichtung seines Bundesstaates zurück, sondern auch auf die Befürchtung, dass große Veränderungen die Großspenden aus West Virginia und anderswo beeinträchtigen könnten. Laut Open Secrets, einer in Washington ansässigen Organisation, die politische Ausgaben verfolgt, ist Tellurian, ein in Texas ansässiges Gasunternehmen, seit 2017 Manchins größter Geldgeber.

Übergangshaushalt verhindert „Shutdown“

Eine Einigung gab es kurz vor Ablauf der entscheidenden Frist im Haushaltsstreit. Die Abgeordneten votierten über die Parteigrenzen hinweg für einen Übergangshaushalt bis Anfang Dezember. Der Kongress wandte damit einen „Government-Shutdown“ ab, einen weitgehenden Verwaltungsstillstand, der sonst am Freitag mit Beginn des neuen Haushaltsjahres eingetreten wäre.

Kongress verhindert „Shutdown" der US-Regierung

Kurz vor dem Ablauf der Frist ist in den USA der „Shutdown" abgewendet worden. Den drohenden Teilstillstand der Regierung haben Senat und Repräsentantenhaus verhindert, indem sie sich auf einen Übergangshaushalt geeinigt haben.

Bei einem „Shutdown“ wären Hunderttausende Bundesbedienstete in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt worden. Zahlreiche öffentliche Einrichtungen hätten schließen müssten. Die Sperre inmitten einer nationalen Krisensituation wie der Pandemie wäre ein Novum in der US-Geschichte.

Trotz der Einigung bleibt die Frage ungeklärt, wie das Finanzministerium weiter Geld aufnehmen kann, um laufende Ausgaben zu begleichen, wenn demnächst die Schuldenobergrenze erreicht wird. Ohne Lösung drohen die USA erstmals zahlungsunfähig zu werden. Die Folgen könnten sich auch auf die globale Konjunktur auswirken.