Keller während der Arbeit
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AMS

Arbeitslosigkeit sinkt schneller als erwartet

Die Arbeitslosigkeit in Österreich sinkt laut AMS-Vorstand Johannes Kopf „mit unglaublicher Geschwindigkeit“ weiter: Im September waren 338.514 Personen beim AMS als arbeitslos oder in Schulung registriert. Gegenüber Ende September 2020 war das ein Rückgang um mehr als 70.000 Personen bzw. 17,2 Prozent. Im Vergleich zu September 2019 liegt die Arbeitslosigkeit aufgrund steigender Schulungszahlen nur noch leicht über der Vor-CoV-Zeit, ohne Schulungen liegt sie darunter.

Konkret waren 269.250 Personen beim AMS arbeitslos gemeldet, ein Rückgang zum Vorjahresmonat um 22,4 Prozent. Dazu kommen 69.264 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Schulungen, ein Anstieg zum Vorjahresmonat um 11,8 Prozent. Ein großer Teil der Schulungsteilnahmen sei auf den Erfolg der CoV-Joboffensive zurückzuführen, so das AMS in einer Aussendung.

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher verwies in der Aussendung darauf, dass die Zahl der Arbeitslosen – ohne Schulungsteilnehmer gerechnet – erfreulicherweise erstmals unter dem Niveau des Vergleichsmonats 2019, also vor der CoV-Krise, liege: Das sei ein positives Signal und zeige, dass die Erholung des Arbeitsmarkts schneller voranschreite als erwartet. Kopf ergänzte, dass mit rund 114.000 beim AMS gemeldeten offenen Stellen den Arbeitssuchenden mehr Jobangebote gegenüberstünden als jemals zuvor in einem Herbst.

Am stärksten in Gastronomie und Beherbergung gesunken

Auch die Stellenbesetzung zeige mit 44.000 besetzten Stellen in einem Monat weiterhin eine große Dynamik, so das AMS. Auch für die Lehrlinge schaue es gut aus: 7.300 Lehrstellensuchende stehen derzeit österreichweit mehr als 11.000 offenen Lehrstellen gegenüber. Die Arbeitslosigkeit ist im September in allen Branchen gesunken. Den stärksten absoluten Rückgang im Monatsvergleich verzeichnen die Branchen Handel sowie Gesundheits- und Sozialwesen. Die am meisten von Arbeitslosigkeit betroffenen Branchen waren Ende September die Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen und der Handel.

Grafik zur Arbeitslosigkeit in Österreich im September
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Im Vergleich zum Vorjahr sank die Arbeitslosigkeit in der Branche Beherbergung und Gastronomie am stärksten – hier seien 17.145 Personen weniger arbeitslos gemeldet, so das AMS. Es folgen die Branchen Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (minus 13.033), der Handel (minus 11.273) und die Warenproduktion (minus 6.621). Saisonale Effekte werden im Herbst zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Entscheidend ist hier immer der Vergleich mit dem relevanten Monat 2019. Dieser Vergleich dürfte erfreulich bleiben.

Interview mit AMS-Chef Johannes Kopf

AMS-Chef Johannes Kopf spricht im Studio über seine Forderung, die Zuverdienstgrenze für Arbeitslose zu senken, über die Aktion „Sprungbrett“ gegen Langzeitarbeitslosigkeit, über den Fachkräftemangel und wie er die weitere Entwicklung des Arbeitsmarkts einschätzt.

Langzeitarbeitslosigkeit als „größte Herausforderung“

Phase fünf der Kurzarbeit, die seit Anfang Juli beantragt werden kann und für besonders betroffene Branchen noch bis Ende des Jahres zur Verfügung steht, werde nach wie vor nur moderat in Anspruch genommen, so das AMS weiter. Mit Ende September lag die Zahl der Kurzarbeitsanmeldungen bei rund 66.000 Personen. Entscheidend sind laut AMS jedoch die tatsächlichen monatlichen Abrechnungen. Die Anmeldungen zur Kurzarbeit steigen üblicherweise während einer laufenden Antragsphase noch leicht.

Zahl der Arbeitslosen rasant gesunken

Ende September waren rund 338.000 Personen beim AMS arbeitslos gemeldet oder haben eine Schulung gemacht. Zieht man nur die Zahl der Arbeitslosen heran, die keine Schulung machen, liegt die Arbeitslosigkeit unter dem Niveau vom Jahr 2019, also vor der CoV-Krise.

„Im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit verzeichnen wir derzeit die größten Herausforderungen mit 120.449 Personen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind“, so Arbeitsminister Kocher. Die Langzeitarbeitslosigkeit sank zwar im Vergleich zum Vormonat um 7.870, gleichzeitig sind derzeit 26.239 Personen mehr langzeitarbeitslos als im Vergleichsmonat 2019.

Im Vergleich zum Höchststand im April 2021 ging die Langzeitarbeitslosigkeit jedoch um rund 28.000 Personen zurück. „Wir verzeichnen derzeit einen Rekordstand an offenen Stellen. Unser Fokus liegt daher weiter auf Qualifizierungsmaßnahmen und der Reduktion der Langzeitarbeitslosigkeit durch Maßnahmen wie das Programm Sprungbrett“, so Kocher.

Grafik zur Arbeitslosigkeit in den Bundesländern
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Rückgang in den Bundesländern

Aufgegliedert nach Bundesländern gab es in absoluten Zahlen den stärksten Rückgang in Wien, allerdings prozentuell den schwächsten: In der Bundeshauptstadt ging die Zahl der Arbeitslosen (inklusive Schulungsteilnehmer) um über 22.000 Personen bzw. um 13,4 Prozent auf 144.041 Personen zurück – - mehr dazu in wien.ORF.at. Zweistellig in absoluten Zahlen war der Rückgang auch in Niederösterreich, nämlich um fast 12.000 Personen bzw. minus 18,8 Prozent – mehr dazu in noe.ORF.at. Das größte prozentuelle Minus gab es in Salzburg mit 27,9 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit wurde in dem Bundesland fast halbiert – mehr dazu in salzburg.ORF.at. In der Steiermark sind knapp 30.000 Menschen ohne Job, etwa 8.000 befinden sich in Schulungen – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Im Burgenland betrug der Rückgang 14 Prozent – mehr dazu in burgenland.ORF.at. In Kärnten gab es einen Beschäftigungsrekord im September – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Die Zahl der Arbeitslosen ist in Tirol im September im Vergleich zum Vorjahr um 31,1 Prozent gesunken – mehr dazu in tirol.ORF.at. Auch in Vorarlberg sank die Arbeitslosigkeit drastisch – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Die Arbeitslosenquote (nach nationaler Berechnung) lag im September voraussichtlich bei 6,5 Prozent, ein Rückgang um 1,9 Prozentpunkte zum Vorjahresmonat. Bei Frauen lag die Quote mit 6,7 Prozent etwas höher als bei Männern mit 6,3 Prozent.

ÖGB fordert Umweltstiftung

Die Arbeiterkammer (AK) fordert mehr Unterstützung für Arbeitslose, insbesondere für Langzeitarbeitslose. Lange dauernde Arbeitslosigkeit sei ein großes Risiko, in die Armut abzurutschen, warnte AK-Präsidentin Renate Anderl. Zur Armutsvermeidung von Langzeitarbeitslosen solle die Aufstockung der Notstandshilfe fortgeführt werden, langfristig wirksam dagegen seien Jobgarantien. Das Arbeitslosengeld solle auf 70 Prozent angehoben werden, wiederholte die AK eine seit Langem erhobene Forderung.

Der ÖGB urgierte eine Umweltstiftung. In Bereichen wie thermische Sanierung und erneuerbare Energien liege viel Potenzial, mit einer Umweltstiftung könnten Arbeitssuchende gezielt qualifiziert werden. Die Konzepte gebe es, die Expertise durch bestehende Arbeitsstiftungen auch, „da wird es doch nicht an der Umsetzung scheitern“, appellierte der ÖGB an die Bundesregierung. Gerade für Langzeitarbeitslose könne die Umweltstiftung ein attraktives Angebot sein.

Kritik der Opposition

Kritik kam von der FPÖ: Angesichts der Arbeitslosenzahl „kann man nicht von einer nachhaltigen Erholung am Arbeitsmarkt sprechen“, so FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. „Mit dem baldigen Ende der Steuerstundungen wird nämlich die Arbeitslosigkeit wieder anziehen.“ Kocher sei nun angehalten, „sich endlich um neue Arbeitsplätze zu kümmern“, so Belakowitsch.

Auch NEOS äußerte sich kritisch. „Anstatt ständig über Arbeitslosenzahlen zu jammern, müssen wir viel mehr über die Chancen am Arbeitsmarkt sprechen“, so NEOS-Wirtschafts- und -Sozialsprecher Gerald Loacker. Er forderte ein Ende der Kurzarbeit. Sie bremse den Aufschwung und verhindere einen echten Neustart auf dem Arbeitsmarkt.