Der tschechische Premier Andrej Babis und seine Frau Monika Babisova
Reuters/Ian Langsdon
Pandora-Papers

Babis und das geheime Chateau

Nach den Panama- und Paradise-Papers bringen nun die Pandora-Papers mit einem neuen Offshore-Datenleck geheime Geschäfte und versteckte Vermögenswerte ans Licht – darunter von mehr als 300 Politikern. Es ist das bisher umfangreichste Leck von Steueroasenakten, das dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) zugespielt wurde. Für einen kommen die Enthüllungen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: den tschechischen Premierminister Andrej Babis.

Die Pandora-Papers umfassen mehr als 11,9 Millionen Finanzunterlagen mit 2,94 Terabyte an vertraulichen Informationen. Sie stammen von 14 Offshore-Dienstleistern in verschiedenen Ländern, die Briefkastenfirmen und Trusts in Steuerparadiesen rund um den Globus gründen und verwalten. Das ICIJ wertete die Daten mit 600 Journalistinnen und Journalisten aus Dutzenden Ländern aus. In Österreich sind „profil“ und der ORF mit an Bord.

Die Dokumente umfassen fünf Jahrzehnte, wobei die meisten zwischen 1996 und 2020 erstellt wurden. Sie enthalten Informationen über mehr als 29.000 Eigentümer von Offshore-Vermögenswerten. Das sind doppelt so viele wie bei den Panama-Papers. Der Besitz einer Offshore-Gesellschaft ist per se freilich nicht illegal, aber die damit verbundene Geheimhaltung kann illegalen Geldströmen Vorschub leisten und Bestechung, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Terrorismusfinanzierung und Ähnliches ermöglichen, sagen Experten. Insgesamt finden sich nach derzeitigem Stand 160 Personen aus Österreich in den Pandora-Papers, darunter namhafte Geschäftsleute – aber keine Politiker.

Babis’ komplexer Immobilienkauf

Ein Name, der in den Daten auftaucht, ist Andrej Babis: Er hatte in den 1990er Jahren ein Firmenimperium aufgebaut, als Milliardär wechselte er 2011 in die Politik. Mit seiner Partei ANO feierte er umgehend Erfolge. Anfang 2014 wurde er Finanzminister, die Koalitionsregierung zerbrach nach Steuerbetrugsvorwürfen gegen Babis. Bei der Wahl 2017 wurde ANO stärkste Kraft, Babis wurde Ministerpräsident. Nächste Woche wählt Tschechien erneut, und Umfragen sehen ANO klar in Führung – bisher.

Tschechischer Premier massiv unter Druck

Die Enthüllungen über geheime Briefkastenfirmen, um ein Chateau in Frankreich zu kaufen, setzen den tschechischen Premierminister Andrej Babis kurz vor den Parlamentswahlen unter Druck.

Denn die Pandora-Papers legen nahe, dass der selbst ernannte Korruptionsbekämpfer über komplexe Offshore-Konstruktionen Anwesen in Frankreich erworben hat und diese Besitztümer bei seinem Eintritt in die Politik nicht deklariert hat, obwohl das tschechische Gesetz dies verlangt.

Schlosskauf mit Umwegen

Laut den Dokumenten zahlte Babis 2009 22 Millionen auf eine seiner Firmen auf den British Virgin Islands ein, das Geld wanderte dann an ein Unternehmen in Washington D.C. und schließlich an eine Tochterfirma davon nach Monaco. Und diese erwarb schließlich das Chateau Bigaud, ein Schlösschen mit 9,4 Hektar im südfranzösischen Städtchen Mougins nur wenige Kilometer von Cannes entfernt. Mit einer zweiten monegassischen Firma erwarb er laut den Dokumenten weitere Grundstücke in dem Ort, letztlich wurden es 16 Immobilien.

Blick auf den Ort Mougins in Frankreich
Das Städtchen Mougins ist vor allem wegen Pablo Picasso bekannt, er verbrachte dort die letzten zwölf Jahre seines Lebens

2013, also kurz nach seinem Eintritt in die Politik, eröffnete Babis ganz offiziell über eine seiner Firmen ein Restaurant im Ort. Dem „Paloma“ wurde rasch ein Michelin-Stern verliehen, es war aber offenbar wirtschaftlich nicht überlebensfähig und schloss 2019 mit einem Schuldenberg, wie lokale Medien berichteten.

Viele offene Fragen

Der Erwerb der Immobilien wirft freilich Fragen auf: Wieso wurde für den Kauf des Schlosses sowie weiterer Immobilien eine derart komplexe Offshore-Konstruktion gewählt? Und warum wurde der Besitz bisher im Verborgenen gehalten, während das Restaurant ganz offiziell ihm gehörte? Nachdem sich Babis zuvor zu ICIJ-Anfragen nicht geäußert hatte, wies er am Sonntag alle Vorwürfe von sich: Gegenüber der tschechischen Nachrichtenagentur CTK erklärte er, er habe nichts Ungesetzliches getan, der Bericht sei lediglich ein Versuch, ihn zu diskreditieren und die Wahl zu beeinflussen.

Eingang zum Chateau Bigaud in Mougins
BBC
Der Eingang zum Chateau Bigaud

Das Chateau an der Cote d’Azur ist nicht die erste Immobilie, die Babis in Erklärungsnotstand bringt. Seit Jahren laufen Ermittlungen der EU und der tschechischen Polizei in der „Storchennest-Affäre“.

Auch „Storchennest“-Affäre geht weiter

Der Verdacht besteht laut Ermittlern darin, dass das mittelböhmische Wellnessresort „Storchennest“ zu Unrecht mit EU-Mitteln für klein- und mittelständische Unternehmen in Höhe von 1,93 Mio. Euro gefördert wurde. Babis hatte eingeräumt, den Komplex vorübergehend auf Verwandte überschrieben zu haben. Nach einigen Jahren kehrte das Projekt „Storchennest“ wieder unter das Dach seines Konzerns Agrofert zurück.

Erst dieser Tage hatte die tschechische Polizei den bereits dritten Versuch gestartet, die Affäre zu einer Anklage zu bringen. Die früheren zwei Anläufe waren gescheitert. Babis wies die Vorwürfe stets zurück und sprach von einer „politisch motivierten Hetzjagd“. Und auch die tschechischen Wählerinnen und Wähler zeigten sich von der Affäre bisher unbeeindruckt. Offen bleibt, ob das bei den Enthüllungen zum Schloss an der Cote d’Azur dabei bleibt.

HETA: Verlustreiches Projekt in Montenegro

In den Pandora-Papers finden sich aber auch Dokumente mit Österreich-Bezug: So gibt es Hinweise auf die verschlungenen Finanzkonstruktionen rund um ein Tourismusprojekt in Montenegro, das den österreichischen Steuerzahlern wohl einige Millionen Euro gekostet hat. Konkret geht es um „Bigova Bay“ in Montenegro, das die Kärntner Hypo Alpe-Adria finanziert hatte.

Mit der Notverstaatlichung der Bank ging die offene Forderung auf die Abbaugesellschaft HETA über. 44 Millionen Euro standen schließlich zu Buche. Die HETA zeigte sich zuversichtlich, wie das „profil“ berichtet, dieses Geld auch wiederzusehen, schließlich hatte 2013 der bekannte Milliardär Martin Schlaff mit seinem Unternehmensnetzwerk das Projekt übernommen. Doch am Ende erhielt die HETA, und damit die Republik, laut dem „profil“ nur rund 13 Millionen Euro. Wie es dazu kam, zeigen Dokumente in den Pandora-Papers.

Ringen um Schuldenschnitt

Demnach übernahm im Mai 2006 die zypriotische Briefkastenfirma DLN.RM International Investments Ltd das Projekt, zu einem Kaufpreis von symbolischen 1.000 Euro. Hinter der DLN.RM stand der israelische Exminister und Exvizepremier Haim Ramon. Laut den Dokumenten finanzierte aber die Unternehmensgruppe Schlaffs, unter anderem seine Privatstiftung, das Projekt weiter.

Luftansicht von Bigova in Montenegro
ORF
Das Örtchen Bigova in Montenegro

2016 forderte die DLN.RM von der HETA, die einen Teil des Geldes einforderte, einen Schuldenschnitt: Der „faire Marktpreis“ würde „in der Region“ 14 Millionen Euro betragen. In den Büchern des „Bigova Bay“-Projekts scheinen laut „profil“ in den Jahren 2016 und 2018 „Vermögenswerte aus Investitionen“ von über 50 Millionen Euro auf. Ebenfalls 2016 spendete die DLN.RM laut den Papieren 100.000 Euro an den israelischen Fußballclub Hapoel Tel Aviv. Dass er nur als Strohmann agierte, bestreitet Ramon auf Anfrage vehement. Auch alle anderen Vorwürfe weist er zurück.

Verluste „bestmöglich minimiert“

Wenig später wurde von der DLN.RM eine Wiener Beraterfirma engagiert. Das Ziel: Die HETA zeigte sich offenbar interessiert, die Forderungen an einen Investor abzugeben, also zu verkaufen. 2017 fand sich tatsächlich ein Käufer: Die Hydra Commercial Investments LLC, die über mehrere Ecken dem Herrscherhaus der Vereinigten Arabischen Emirate nahesteht, habe die Forderungen um 13,125 Millionen Euro, so „profil“.

Globaler Rechercheverbund

Dutzende Medien haben mit ICIJ recherchiert, darunter sind unter anderen die „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR, die BBC und der „Guardian“, „Le Monde“, "El Pais“ und die „Washington Post“ .

Laut einem Anwalt der Schlaff-Gruppe wurde der Schuldenschnitt allerdings bisher nicht von Hydra an das „Bigova Bay“-Projekt weitergegeben: „Die Verbindlichkeit der BB sind – nunmehr gegenüber der Hydra – nach wie vor offen, die angedachte Übernahme des Projektes durch Hydra ist bis dato nicht erfolgt.“

Von der HETA heißt es, das gesamte Projekt habe sich „aufgrund einer Vielzahl rechtlicher und faktischer Problemstellungen“ als „wesentlich komplexer dargestellt, als Ihre Darstellung dies vermuten lässt“. Mit dem Forderungsverkauf habe man zu diesem Zeitpunkt den „bestmöglich erzielbaren Preis“ erzielt. Die „eingetretenen Verluste“ seien „bestmöglich minimiert“ worden. Andere Detailfragen blieben unter Verweis auf das Bankgeheimnis unbeantwortet.