Getränke in Plastikflaschen im Supermarkt
ORF.at/Roland Winkler
Lebensmittelhandel

Breite Front für Einwegpfand

Die REWE Group, Hofer und Lidl Österreich haben sich am Freitag gemeinsam mit der Getränkeindustrie für ein Einwegpfand und die verpflichtende Einführung von Mehrwegflaschen ausgesprochen – auch um drohende EU-Strafzahlungen abzuwenden. Betroffen sind Filialen mit mehr als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche. Applaus kommt von fast allen Seiten.

Der aktuelle Entwurf zur Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes sehe den Unternehmen zufolge lediglich eine Mehrwegquote für den Lebensmittelhandel vor. Zur Erreichung der EU-Ziele und für die Umwelt brauche es aber zusätzliche Lösungen, hieß es in einer gemeinsamen Aussendung.

Neben der verpflichtenden, gestaffelten Einführung von Mehrweg ab 1. Jänner 2024 im kompletten Lebensmittelhandel inklusive Diskont sieht der Vorschlag auch eine Verpflichtung für die Getränkeindustrie vor, ab 1. Jänner 2025 für PET- und Aluminiumgebinde Einwegpfand einzuheben.

Gleichzeitig verpflichten sich REWE, Hofer und Lidl Österreich „im Schulterschluss mit der Getränkeindustrie“ freiwillig dazu, diese Gebinde in den Filialen mit mehr als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche zurückzunehmen – laut Handelsverband gibt es allerdings weniger als ein Prozent Diskonterfilialen, die diese Größe nicht erreichen.

Strafzahlungen aus EU drohen

REWE, Hofer, Lidl Österreich und große Teile der Getränkeindustrie sehen in dem alternativen Vorschlag „eine Gesamtlösung mit Weitblick, die nicht nur dem Gebot der Stunde hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutz entspricht, sondern allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette auch die unbedingt notwendige Planungssicherheit verschafft“. Zudem reduziere die Lösung die Gefahr von drohenden EU-Strafzahlungen in Millionenhöhe, sollten die auf EU-Ebene vereinbarten Sammel- und Recyclingquoten nicht eingehalten werden können.

Getränke in Plastikflaschen im Supermarkt
ORF.at/Roland Winkler
Die Wirtschaftskammer ortet „einen politischen Abtausch auf Kosten kleiner Händler“

Spar: Einwegpfandsystem „unpraktisch und teuer“

Die Lebensmittelkette Spar verwies dagegen darauf, das größte Mehrweg-Getränkesortiment im heimischen Lebensmittelhandel zu haben. Daher habe sich das Unternehmen in der zuletzt geführten Diskussion für eine hohe Mehrwegquote starkgemacht.

„Spar ist weiterhin davon überzeugt, dass es eine Gesamtlösung für alle Kunststoffverpackungen braucht, um die ambitionierten EU-Sammelquoten zu erreichen. Ein für die Konsumenten unpraktisches und teures Einwegpfandsystem deckt aber nur einen Teil davon ab“, hieß es in einer Aussendung. Sollte ein Einwegpfand beschlossen werden, „wird Spar dies selbstverständlich bestens umsetzen“.

Pfand auf Plastik gefordert

Österreich muss mehr Plastikmüll vermeiden, ein entsprechendes Gesetz, das Abfallwirtschaftsgesetz, wird derzeit verhandelt. Jetzt fordern einige Supermarktketten ein Plastikpfand.

Gewessler gratuliert

„Der heutige Vorstoß von Lebensmittelhändlern und der Getränkeindustrie ist ein vernünftiger und guter Schritt. Wir werden im Klimaschutzministerium mit der Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes rasch dafür sorgen, dass wir unsere Natur schützen und den Plastikmüll reduzieren. Ich stehe für Gespräche über eine Gesamtlösung jederzeit zur Verfügung. Mein wichtigstes Ziel ist, dass wir rasch zu einer Lösung kommen. Das ist die Aufgabe von Politik und Wirtschaft. Und genau das erwarten die Menschen in Österreich von uns“, reagierte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne).

Abfallwirtschaft reagiert erleichtert

Die Altstoff Recycling Austria AG (ARA), heimischer Marktführer der Sammel- und Verwertungssysteme, begrüßte die Forderung „mit Erleichterung“. „Wir brauchen endlich einen klaren Rechtsrahmen, um in die Zukunft von Verpackungssammlung und Recycling zu starten. Wir müssen bis 2025 das Recycling aller Kunststoffverpackungen verdoppeln. Dazu wollen wir jede Verpackung zurück, denn das Ziel geht weit über Getränkeflaschen hinaus“, sagte ARA-Vorstand Christoph Scharff.

Auch die ARGE österreichischer Abfallwirtschaftsverbände begrüßte in einer Aussendung die Pfandinitiative des Handels. Hier würde „erstmals die seit 1995 ablehnende Haltung der ‚Wirtschaft‘ zu verpflichtenden Mehrwegquoten“ verlassen werden. „Ob als Reaktion auf ein geändertes Konsumentenverhalten oder auf gesetzlich drohende Beschränkungen, ist im Endeffekt gleichgültig, Hauptsache, weniger Ressourcen werden verbraucht, und weniger Abfälle fallen an“, hieß es.

Plastikflaschen in einem Sammelbehälter
ORF.at/Roland Winkler
Bis 2025 soll das Recycling aller Kunststoffverpackungen verdoppelt werden

Appelle zur raschen Umsetzung

Erfreut reagierten auch Umweltorganisationen. Greenpeace begrüßte das Signal der Unternehmen und forderte „gleichzeitig die ÖVP auf, jetzt ein starkes Abfallwirtschaftsgesetz mit hohen Mehrwegquoten für alle Getränke und ein Pfandsystem im Jahr 2022 umzusetzen“. „Wir versinken im Plastikmüll. Es ist daher erfreulich, dass jetzt auch endlich die Wirtschaft gesetzliche Maßnahmen fordert, um die Plastikkrise einzudämmen“, sagte Lisa Panhuber, Konsumexpertin bei Greenpeace Österreich. In Umfragen würden sich zudem 87 Prozent der Bürger und Bürgerinnen für Mehrweg und Pfand aussprechen. Auch Global 2000 und der WWF Österreich äußerten Zustimmung zu der Ankündigung.

SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr zeigte sich ebenfalls erfreut und forderte von der Bundesregierung mehr Tempo, ein österreichweites Pfandsystem endlich umzusetzen: „WKÖ und die türkis-grüne Regierung hinken bei diesem wichtigen Umweltthema der Realität nach – der vorliegende Entwurf von ÖVP und Grünen geht selbst vielen Unternehmen zu wenig weit, und die Umsetzung ist viel zu langsam.“

WKÖ: Starke Mehrbelastungen für kleine Händler

Die WKÖ wies die Kritik zurück: „Seit Jahrzehnten bietet die Mehrheit des heimischen Lebensmittelhandels ein breites Sortiment an Getränken in Mehrwegverpackungen an und leistet damit einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz“, sagte Christian Prauchner, Obmann des Lebensmittelhandels in der Wirtschaftskammer. „Der Lebensmittelhandel unterstützt daher das Ziel von Bundesministerin Gewessler, den Mehrweganteil in Österreich weiter zu steigern, um Abfall zu vermeiden“, so Prauchner.

„Für die gleichzeitig erforderliche Steigerung der Sammelquoten für PET-Flaschen sprechen wir uns für ein ganzheitliches Kreislaufkonzept aus, das nicht nur für große Unternehmen, sondern auch für die Tausenden kleinen, selbstständigen Kaufleute in Österreich tragfähig ist. Die Einführung eines teuren und komplizierten Einwegpfandsystems im stationären Handel wäre insbesondere für kleine, selbstständige Lebensmittelhändler mit massiven Mehrbelastungen und Wettbewerbsnachteilen gegenüber großen Mitbewerbern verbunden. Einem politischen Abtausch auf Kosten kleiner Händler werden wir daher nicht zustimmen“, sagte Prauchner.