Euro-Banknoten und Münzen
ORF.at/Christian Öser
Berichte

Steuerreform auf der Zielgeraden

Die Verhandlungen zur ökosozialen Steuerreform der türkis-grünen Bundesregierung sind am Samstag weitergeführt worden. Wie es aus Regierungskreisen hieß, gingen sie „gut voran“, seien bis dato aber nicht abgeschlossen. Bereits am Freitag hatten die Gespräche, die sich auf der Zielgeraden befinden dürften, bis spät in die Nacht angedauert. Die Präsentation könnte in den kommenden Tagen erfolgen. Kritik gibt es bereits jetzt.

Inhaltliches gaben die Verhandlerinnen und Verhandler vorerst nicht preis, einige Details machten aber bereits medial die Runde. Fix ist jedenfalls eine Bepreisung des CO2-Ausstoßes. Diese soll ab Anfang des kommenden Jahres erfolgen und den bestehenden europäischen Emissionshandel ergänzen, der aktuell nur ein Drittel des heimischen Ausstoßes erfasst. Künftig sollen durch die nationalen Maßnahmen auch die über die Emissionen von Industrie und Energieerzeugung hinausgehenden übrigen zwei Drittel abgedeckt werden.

Die Frage ist nur, wie hoch die CO2-Bepreisung ausfallen wird. Die Tageszeitung „Österreich“ spekulierte mit einem CO2-Preis von 35 Euro pro Tonne. Auch das Aus für das Dieselprivileg wurde kolportiert. Eine Entscheidung könnte aber laut Informationen des „Standard“ auch verschoben werden. Im Gegenzug könnte es dafür einen „Klimabonus“ für alle geben – aber auch nach Informationen der APA ist das einer der Punkte, um die noch gefeilscht wird. Die Grünen wollen dem Vernehmen nach, dass alle Haushalte einen solchen „Ökobonus“ bekommen sollen, die ÖVP will ihn offenbar nur für jene, die auch Lohn- und Einkommensteuer zahlen, wurde aus Verhandlerkreisen kolportiert.

Zapfsäulen an einer Tankstelle
ORF.at/Roland Winkler
Eine Bepreisung des CO2-Ausstoßes soll kommen

Laut „Krone“ verspricht sich die Regierung in den kommenden vier Jahren stattliche fünf Milliarden Euro durch den CO2-Preis. 2022 sollen dadurch rund 800 Millionen Euro eingenommen werden. Der Preis soll dann sukzessive steigen, denn die erwarteten Steuereinnahmen pro Jahr unter dem Titel „CO2“ sollen sich jährlich bis zu 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2025 erhöhen.

Überraschung bei Lohn- und Einkommensteuer?

Bei der angekündigten Senkung der Tarifstufen der Lohn- und Einkommensteuer könnte es aber eine Überraschung geben. Wie die „Kronen Zeitung“ in ihrer Samstag-Ausgabe aus einem „Verhandlungspapier“ zitiert, sollen nicht – wie angekündigt – die Steuerstufen zwei und drei, sondern die untersten zwei gesenkt werden.

Demnach würde der Eingangssteuersatz, der für Jahreseinkommen ab 11.000 Euro gilt, neuerlich von 20 auf 15 Prozent sinken, die zweite Steuerstufe von 35 auf 30 Prozent. Diese Maßnahme würde allein 2023 dreieinhalb Milliarden Euro kosten. Die erste Tarifstufe war bereits im Vorjahr als Vorgriff auf die Steuerreform von 25 auf 20 Prozent gesenkt worden. Zudem soll der Familienbonus von derzeit maximal 1.500 Euro pro Kind auf 1.750 Euro angehoben werden.

„Zukunftsorientierter Standort“

In dem „Verhandlungspapier“ sei darüber hinaus auch von einem Fonds für Investitionen in einen „zukunftsorientierten Standort“ die Rede, vom Klimaschutz bis hin zur Bildung. Laut einem Gesetzesentwurf soll darüber der türkise Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und nicht Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) verfügen. Unternehmen dürfen wie im Regierungsprogramm verankert auf eine Reduzierung der Körperschaftssteuer (KÖSt) hoffen. Diese soll schrittweise von 25 auf 21 Prozent gesenkt werden. Laut den „Salzburger Nachrichten“ wird in diesem Punkt vor allem noch um den Umsetzungszeitplan gerungen.

Familie geht über Straße
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Der Familienbonus könnte angehoben werden

Sollte die Einigung in Bälde erfolgen, bliebe genug Zeit, die Details ins neue Budget einzuarbeiten – am 13. Oktober hält Blümel nämlich seine Budgetrede im Nationalrat. In die Verhandlungen ist neben den Chefverhandlern Blümel und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) dem Vernehmen nach mittlerweile auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) intensiv eingebunden. Wie schnell es tatsächlich gehen wird, ist aber offen. Gegenüber dem „Standard“ hieß es am Samstag von einem Verhandler, dass „relativ viel offen“ sei. Es gebe „verhärtete Fronten“.

SPÖ-Kritik: „Null Euro mehr für die Pflege“

Der SPÖ missfielen jedenfalls die kursierenden Details der Steuerreform. Vor allem vermissten die Sozialdemokraten darin die Mittel für die Pflege: „Null Euro mehr für die Pflege, 1,5 Milliarden Euro mehr für die größten Konzerne – ÖVP und Grünen zeigen mit ihrem Budget, was ihnen wichtig ist“, kritisierte etwa SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer.

Dass im Budget keine zusätzlichen Mittel für die Pflege vorgesehen seien, „ist ein Schlag ins Gesicht der Familien“, kritisierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die eine „große Pflegeoffensive“ und „eine zusätzliche Pflegemilliarde pro Jahr“ forderte. In dasselbe Horn stieß auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, der in den Plänen die „in Zahlen gegossene Eiseskälte der Regierung“ ortete. Und auch der SPÖ-Pensionistenverband forderte mehr Mittel für die Pflege.

Umweltorganisationen fordern „großen Wurf“

Auf einen „großen Wurf“ drängen Umweltschutzorganisationen im Finale um die ökosoziale Steuerreform der türkis-grünen Regierung. „Ein wirksamer CO2-Preis ist unerlässlich, damit wir unsere Klimaziele erreichen können. Ein dadurch finanzierter Ökobonus für alle Haushalte muss soziale Ausgewogenheit garantieren“, forderten Global 2000, VCÖ und WWF.

Für einen deutlichen Lenkungseffekt und damit wirksamen Beitrag zum Klimaschutz wäre laut einer Analyse der drei Umweltorganisationen ein Einstiegspreis von zumindest 50 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2022 notwendig, der bis 2025 auf 150 Euro pro Tonne CO2 ansteigt und auch dann weiter steigt. Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000, nahm in einer schriftlichen Stellungnahme Kurz in die Pflicht, eine „mutige ökosoziale Steuerreform“ zu beschließen. „Nur so kann erreicht werden, dass sich klimafreundliches Verhalten lohnt und sich Investitionen in Klimaschutz auch tatsächlich rechnen.“

VCÖ: CO2-Preis macht Umstieg auf Erneuerbare attraktiver

Kostenwahrheit gebe es nur mit einer steigenden CO2-Bepreisung und dem Abbau umweltschädlicher Subventionen von bis zu 4,7 Milliarden Euro pro Jahr, betont man beim WWF. „Denn mit der Finanzierung von Umweltzerstörung befeuert die Politik derzeit nicht nur die Klimakrise, sondern auch den viel zu hohen Natur- und Bodenverbrauch“, so Volker Hollenstein, Politischer Leiter beim WWF Österreich. „Jede ausgestoßene Tonne CO2 verursacht große Schäden, die bisher auf keiner Rechnung auftauchen.“

Ein CO2-Preis helfe auch, den Umstieg auf erneuerbare Energieformen auch finanziell attraktiv zu machen und damit die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern voranzutreiben, argumentierte außerdem VCÖ-Experte Michael Schwendinger. Gerade die aktuell steigenden Gaspreise zeigten, dass die Abhängigkeit von fossilen Energielieferungen problematisch sei. „Ein ‚weiter wie bisher‘ löst nicht nur kein Problem, sondern macht uns letztlich von einzelnen Lieferländern abhängig und erweist der heute jungen Generation einen Bärendienst.“

Momentum-Institut sieht derzeit „keinen großen Wurf“

Was bisher zur CO2-Steuer bekannt ist, deute jedoch auf „keinen großen Wurf“ hin, schreibt indes das Momentum-Institut. Ökonominnen und Ökonomen gehen dort davon aus, dass Preise auf Benzin und Diesel nicht so stark steigen würden, dass es zu einem Lenkungseffekt komme. Sie kritisieren, dass keine „Rückverteilung der CO2-Einnahmen“ bekannt sei. Nach Vorschlag der sozialliberalen Denkfabrik sollte diese Haushalten mit geringerem Einkommen zugutekommen.

Zudem sollten, fordert das Momentum-Institut, besonders stark betroffene Haushalte ohne gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel sowie Mieterinnen und Mieter unterstützt werden. Letztere würden zwar CO2-Steuer zahlen, können aber nicht einfach ihr Heizsystem tauschen, da vielmehr die Inhaber einer Wohnung bzw. eines Hauses dafür verantwortlich seien.