Berliner Reichstag im Sonnenuntergang
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Start für Sondierungen

SPD und Union werben um Partner

Die beiden Königsmacher für den nächsten deutschen Bundeskanzler, Grüne und FDP, haben ihre ersten Gespräche bereits hinter sich. Am Sonntag, eine Woche nach der deutschen Bundestagswahl, starten sowohl SPD als auch Union mit ihrem Werben um die beiden kleineren Parteien. Beide wollen jeweils mit Grünen und FDP eine Koalition bilden.

Die Verhandler der SPD um den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz werden am Sonntag getrennt mit FDP und Grünen sprechen. Scholz setzt auf eine „Ampelkoalition“ mit den beiden Parteien. So ein Bündnis wird laut Umfragen auch von der Mehrheit der Bevölkerung positiv gesehen. Sonntagabend beraten die Verhandler der Union um Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) mit der FDP-Delegation um Christian Lindner.

Nach ihren ersten Gesprächen in der vergangenen Woche hatten FDP und Grüne Einigkeit demonstriert, ohne Details zu nennen. Doch grundsätzlich sehen sich die Grünen in einer Koalition der SPD näher, schließen aber keine Variante aus. Die SPD war mit 25,7 Prozent stärkste Kraft bei der Wahl. Die Grünen erreichten 14,8 Prozent. Am Samstag zeigten sich beide Parteien grundsätzlich zuversichtlich mit Blick auf eine Regierungsbildung.

Olaf Scholz (SPD)
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SPD-Kanzlerkandidat Scholz will eine „Ampelkoalition“ vorantreiben

Regierung bis Jahresende „machbar“

Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans äußerte die Erwartung, dass es bis zum Jahreswechsel eine Koalition von Sozialdemokraten, Grünen und FDP geben werde. „Die Regierung sollte bis zum Jahresende stehen. Das ist machbar“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Er hält den Beginn formeller Koalitionsverhandlungen noch im Oktober für möglich.

Nach einem kleinen Parteitag am Samstag zeigten sich die Grünen sicher, einer künftigen Koalition anzugehören, ohne eine konkrete zu nennen. „Wenn wir uns nicht komplett dämlich anstellen, werden wir in den nächsten vier Jahren diese Regierung nicht nur mittragen, sondern maßgeblich mitbestimmen“, sagte Parteichef Robert Habeck. Er stimmte seine Partei bereits auf „vier anstrengende Jahre“ ein. „Ab jetzt, ab Weihnachten vielleicht, ist jede Krise unsere Krise, ist jede Herausforderung unsere Herausforderung.“

Annalena Baerbock und Robert Habeck (Die Grünen)
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Grüne wollen Mitglieder über Koalitionsvertrag abstimmen lassen

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sieht die Rolle ihrer Partei nun darin, für einen großen Aufbruch zu sorgen. Über einen Koalitionsvertrag und die personelle Aufstellung in einer möglichen neuen Regierung sollen die 120.000 Grünen-Mitglieder abstimmen. Das beschlossen die etwa 100 Delegierten des Parteitags bei einer Enthaltung.

Laschet unter Druck

Die FDP mit einem Wahlergebnis von 11,5 Prozent der Stimmen bevorzugt ein „Jamaika-Bündnis“ aus Union, Grünen und FDP. Die Union aus CDU/CSU war bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag auf den Tiefpunkt von 24,1 Prozent gestürzt. Dennoch wollte Laschet sein Streben nach dem Kanzleramt für die Union nicht aufgeben. Parteiintern steht er aber ziemlich unter Druck.

Laschet traf sich am Samstag mit CDU-Spitzenpolitikern, um über den Kurs bei den anstehenden Sondierungsgesprächen zu beraten. Kommentare danach gab es keine. Es sei Vertraulichkeit vereinbart worden, hieß es. Es sei vor allem darum gegangen, programmatische Positionen abzugleichen, wo es schnelle Übereinstimmungen und Spielraum für Kompromisse geben könnte, hieß es von der dpa.

Armin Laschet verlässt das Treffen der CDU
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Laschet diskutierte am Samstag mit CDU-Kollegen über den Kurs bei den Sondierungsgesprächen

FDP-Chef Lindner machte der Union vor den Sondierungsgesprächen Druck: „CDU und CSU müssen klären, ob sie wirklich eine Regierung führen wollen“, sagte Lindner gegenüber der „Bild am Sonntag“. Die FDP sei zu ernsthaften Gesprächen mit der Union bereit. Zugleich pochte Lindner auf ein schnelles Tempo. Die FDP strebe eine zügige Regierungsbildung bis Mitte Dezember an.

„Einfach so weitermachen ist keine Option“

Nach den Gesprächen mit der FDP will die Union am Dienstag mit den Grünen über eine mögliche Koalition beraten. Einer von der Union geführten Koalition werden allerdings nur Chancen eingeräumt, wenn die Gespräche zu einer „Ampelkoalition“ scheitern. CSU-Chef Markus Söder hatte bereits vergangenen Dienstag erklärt: „Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz – eindeutig.“

In der CDU wird zunehmend offener über eine inhaltliche und personelle Neuaufstellung diskutiert. Viele rufen nach einer stärkeren Mitbestimmung der Basis. CDU-Parteivize Jens Spahn fordert dafür einen Bundesparteitag spätestens im Jänner: „Dass im Wahlkampf Fehler passiert sind und unser Spitzenkandidat nicht richtig gezogen hat, kann niemand leugnen.“ Unabhängig vom Ausgang der Sondierungen sei klar: „Einfach so weitermachen ist keine Option.“