Euro-Banknoten
ORF.at/Christian Öser
Steuerreform

Regierung schließt Verhandlungen ab

Die türkis-grüne Regierung hat die Verhandlungen für ihr Prestigeprojekt, eine ökosoziale Steuerreform, am Sonntagvormittag abgeschlossen, wie die APA erfuhr. Das Ergebnis soll um 14.00 Uhr im Kanzleramt präsentiert werden. Die Reform soll eine CO2-Bepreisung und eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommensstufen bringen.

Über Nacht war bis in die Morgenstunden verhandelt worden. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte seine Reise zum Parteitag der spanischen Volkspartei (Partido Popular/PP) in Valencia abgesagt und blieb in Wien. Am frühen Nachmittag präsentiert er gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher die Details der Einigung. Davor wollten die Verhandler inhaltlich nichts kundtun.

Zuletzt gab es zwei Knackpunkte, wie die APA aus Verhandlerkreisen erfuhr. Zum einen spießte es sich bei der Abschaffung des Dieselprivilegs – eine Entscheidung könnte laut Informationen des „Standard“ verschoben werden. Zum anderen beharrte die ÖVP auf einen Unterschied beim geplanten „Ökobonus“ zwischen Stadt und Land. Die ÖVP legt Wert darauf, dass Menschen, die am Land wohnen und aufs Auto angewiesen sind, durch die CO2-Bepreisung nicht überproportional getroffen werden. Schließlich sei es in der Stadt wesentlich leichter, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, lautet die Argumentation.

Im Laufe des Samstags war in diesem Zusammenhang auch diskutiert worden, wer aller in den Genuss eines „Ökobonus“ kommen soll. Auch hier war man unterschiedlicher Auffassung. Während die Grünen wollen, dass alle Haushalte einen solchen bekommen, stand die ÖVP diesbezüglich zunächst auf der Bremse und will ihn offenbar nur für jene, die auch Lohn- und Einkommenssteuer zahlen.

Endspurt bei Verhandlungen zur Steuerreform

Die Regierung will mit der geplanten Steuerreform Klimasünder höher besteuern, im Gegenzug dafür andere Bereiche entlasten. Bei ein paar Punkten gibt es aber noch Diskussionen. Was die Streitpunkte sind, erläutert ORF-Reporterin Simone Stribl.

Bericht: Entlastungsvolumen soll 15 Mrd. Euro ausmachen

Die „Krone“ berichtete indes Samstagabend, dass das Entlastungsvolumen laut Verhandlern rund 15 Milliarden Euro ausmachen soll. In den Jahren 2022 bis 2025 würden rund 15 Milliarden Euro in die Hand genommen. 80 Prozent davon seien etwa für Lohnsteuersenkungen oder „Ökoboni“ vorgesehen, das übrige Fünftel des Volumens fließe an Unternehmen, hieß es.

Bei der Bepreisung des CO2-Ausstoßes ist noch nicht bekannt, wie hoch dieser ausfallen soll. Kolportiert werden Berichten zufolge derzeit 30 bis 35 Euro pro Tonne CO2, Umweltorganisationen fordern mindestens 50 Euro. Fix war, dass diese ab Anfang des kommenden Jahres erfolgen und den bestehenden europäischen Emissionshandel ergänzen soll, der aktuell nur ein Drittel des heimischen Ausstoßes erfasst. Künftig werden durch die nationalen Maßnahmen auch die über die Emissionen von Industrie und Energieerzeugung hinausgehenden übrigen zwei Drittel abgedeckt.

Fünf Milliarden Euro durch CO2-Preis?

Laut „Krone“ verspricht sich die Regierung in den kommenden vier Jahren jedenfalls stattliche fünf Milliarden Euro durch den CO2-Preis. 2022 sollen dadurch rund 800 Millionen Euro eingenommen werden. Der Preis dürfte dann sukzessive steigen, denn die erwarteten Steuereinnahmen pro Jahr unter dem Titel „CO2“ sollen sich jährlich bis zu 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2025 erhöhen.

Bei der angekündigten Senkung der Tarifstufen der Lohn- und Einkommensteuer könnte es eine Überraschung geben. Wie die „Kronen Zeitung“ in ihrer Samstag-Ausgabe aus einem „Verhandlungspapier“ zitierte, könnten nicht – wie angekündigt – die Steuerstufen zwei und drei, sondern die untersten zwei gesenkt werden. Demnach würde der Eingangssteuersatz, der für Jahreseinkommen ab 11.000 Euro gilt, neuerlich von 20 auf 15 Prozent sinken, die zweite Steuerstufe von 35 auf 30 Prozent.

Diese Maßnahme würde allein 2023 dreieinhalb Milliarden Euro kosten. Die erste Tarifstufe war bereits im Vorjahr als Vorgriff auf die Steuerreform von 25 auf 20 Prozent gesenkt worden. Zudem soll der Familienbonus von derzeit maximal 1.500 Euro pro Kind auf 1.750 Euro angehoben werden, wie im Regierungsprogramm vorgesehen.

Budgetrede als Deadline

Unternehmen dürfen – wie im Regierungsprogramm verankert – auf eine Reduzierung der Körperschaftssteuer (KÖSt) hoffen. Diese soll schrittweise von 25 auf 21 Prozent gesenkt werden. In diesem Punkt wurde am Wochenende vor allem noch um den Umsetzungszeitplan gerungen.

Weil die Einigung noch am Sonntag erfolgte, bleibt nun genug Zeit, die Details ins neue Budget einzuarbeiten – am 13. Oktober hält Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) nämlich seine Budgetrede im Nationalrat.

SPÖ vermisst Geld für die Pflege

Der SPÖ missfielen jedenfalls die kursierenden Details der Steuerreform. Vor allem vermissten die Sozialdemokraten darin die Mittel für die Pflege: „Null Euro mehr für die Pflege, 1,5 Milliarden Euro mehr für die größten Konzerne – ÖVP und Grünen zeigen mit ihrem Budget, was ihnen wichtig ist“, kritisierte etwa SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer.

Dass im Budget keine zusätzlichen Mittel für die Pflege vorgesehen seien, „ist ein Schlag ins Gesicht der Familien“, kritisierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die eine „große Pflegeoffensive“ und „eine zusätzliche Pflegemilliarde pro Jahr“ forderte.

„Die kolportierten steuerlichen Maßnahmen von ÖVP und Grünen bringen den Menschen keine ‚ökosoziale, sondern, ganz im Gegenteil, eine ökoasoziale Steuerreform‘. Die Reduktion der Einkommensteuersätze wird mit der kalten Progression finanziert und ist keine echte steuerliche Entlastung“, kritisierte der freiheitliche Budget- und Finanzsprecher Hubert Fuchs in einer Aussendung.

„Fatales Signal“

Von NEOS-Seite war zu hören, dass ein möglicher Preis von 35 Euro pro Tonne CO2 ein „fatales Signal“ wäre. Dieser hätte „kaum Auswirkung auf die Emissionen“ und „wäre eine glückliche Ausrede für die ÖVP, um weitere Maßnahmen zu verhindern“, schrieb NEOS-Klimasprecher Michael Bernhard auf Twitter.

Auf einen „großen Wurf“ drängen Umweltschutzorganisationen im Finale um die ökosoziale Steuerreform der türkis-grünen Regierung. „Ein wirksamer CO2-Preis ist unerlässlich, damit wir unsere Klimaziele erreichen können. Ein dadurch finanzierter Ökobonus für alle Haushalte muss soziale Ausgewogenheit garantieren“, forderten Global 2000, VCÖ und WWF.

Die drei Umweltorganisationen halten einen Einstiegspreis von mindestens 50 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2022 für notwendig, um einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz zu erreichen. Bis 2025 sollte dieser Analyse zufolge der Preis auf 150 Euro pro Tonne CO2 steigen – mit einem weiteren Trend nach oben.

CO2-Schäden „auf keiner Rechnung“

Kostenwahrheit gebe es nur mit einer steigenden CO2-Bepreisung und dem Abbau umweltschädlicher Subventionen von bis zu 4,7 Milliarden Euro pro Jahr, betonte man beim WWF. „Denn mit der Finanzierung von Umweltzerstörung befeuert die Politik derzeit nicht nur die Klimakrise, sondern auch den viel zu hohen Natur- und Bodenverbrauch“, so Volker Hollenstein, Politischer Leiter beim WWF Österreich. „Jede ausgestoßene Tonne CO2 verursacht große Schäden, die bisher auf keiner Rechnung auftauchen.“

Ein CO2-Preis helfe auch, den Umstieg auf erneuerbare Energieformen finanziell attraktiv zu machen und damit die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern voranzutreiben, argumentierte außerdem VCÖ-Experte Michael Schwendinger. Was bisher zur CO2-Steuer bekannt ist, deute jedoch auf „keinen großen Wurf“ hin, schrieb indes das Momentum-Institut. Ökonominnen und Ökonomen gehen dort davon aus, dass Preise auf Benzin und Diesel nicht so stark steigen würden, dass es zu einem Lenkungseffekt komme. Sie kritisieren, dass keine „Rückverteilung der CO2-Einnahmen“ bekannt sei.