Viele Autos stehen im Stau
ORF.at/Christian Öser
Steuerreform steht

CO2-Ausstoß geht künftig ins Geld

„Weniger Dreck in der Luft, aber mehr Geld im Börsel“: So fasste Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) seine Sicht auf die ökosoziale Steuerreform zusammen, die am Sonntag von der türkis-grünen Regierung verkündet wurde. Ab 1. Juli 2022 wird in Österreich eine zusätzliche Steuer auf CO2-Ausstoß fällig. Die Einnahmen daraus sollen zurück zur Bevölkerung fließen – in der Höhe von 18 Milliarden Euro bis 2025.

Das Prestigeprojekt ökosoziale Steuerreform der türkis-grünen Regierung steht und wurde am Sonntag von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Kogler, Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher präsentiert. Es sieht ein System vor, das die Bepreisung von Kohlendioxid mit Steuersenkungen für Privatpersonen und Firmen kombiniert. Kurz sprach wiederholt von der „größten Entlastung der Zweiten Republik“. Und: „Das ist der Einstieg in den Umstieg“.

Ab 1. Juli 2022 müssen die Österreicherinnen und Österreicher für ihren CO2-Ausstoß eine zusätzliche Steuer bezahlen. Der Einstiegspreis beträgt 30 Euro pro Tonne und steigt dann bis 2025 auf 55 Euro. Ab 2026 soll es einen EU-weiten CO2-Emissionshandel für sämtliche Lebensbereiche geben. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung gehen unter anderem in Form eines Klimabonus zurück zur Bevölkerung.

Grafik zur Steuerreform
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Bundesregierung

Abgestufter „regionaler Klimabonus“

Der Bonus wird, je nachdem wo man wohnt und ob man öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung hat oder auf das Auto angewiesen ist, ausbezahlt und parallel zu den Einnahmen jährlich steigen. Im ersten Jahr wird er zur Gänze ausgezahlt, obwohl die Steuer erst ab 1. Juli fällig ist. Diese Aufschiebung um ein halbes Jahr erklärte Gewessler mit der aktuell angespannten Lage am Gasmarkt, die zu einem enormen Anstieg der Gaspreise geführt hat. Durch die CO2-Steuer würde das zu starken Verteuerungen führen, die man vermeiden wolle.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erwartet von der Steuerreform bis 2024 Entlastungen für kleinere und mittlere Einkommen im Gesamtvolumen von mehr als 18 Milliarden Euro.

Die Einnahmen aus der CO2-Steuer werden kumuliert bis 2025 rund fünf Mrd. Euro betragen, wobei sie 2022 nur rund eine halbe Mrd. ausmachen werden – die Regelung tritt ja erst im Juli zu Kraft. Der CO2-Preis fließt als regionaler Klimabonus an die Bevölkerung zurück. Es wird 2022 vier Stufen geben: 100 Euro, 133 Euro, 167 Euro und 200 Euro pro Jahr und Person im ersten Jahr. Für Kinder gibt es die Hälfte des Klimabonus.

Grafik zur Steuerreform
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Bundesregierung

Die genaue Berechnung nach Region wird erst gemacht. 100 Euro für Erwachsene und 50 Euro für Kinder wird es in der Großstadt geben. In Mödling (NÖ), Wörgl (Tirol) und Leoben (Steiermark) wird es etwa 133 Euro geben, in Neusiedl am See (Burgenland) und Eferding (Oberösterreich) 167 und in dünn besiedelten Gegenden wie etwa Litschau (Niederösterreich) und Mellau (Vorarlberg) 200 Euro.

Arbeitsminister Kocher, Vizekanzler Kogler (Grüne), Bundeskanzler Kurz (ÖVP), Finanzminister Blümel (ÖVP), Umweltministerin Gewessler (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
„Das, was wir Ihnen heute präsentieren, ist die größte Steuerentlastung in der Zweiten Republik“, sagte Kurz

Zusätzlich zum Klimaaspekt wird es zahlreiche Entlastungen geben, die sich bis 2025 auf 18 Milliarden Euro summieren sollen. Sparmaßnahmen als Gegenfinanzierung sind nicht vorgesehen, die Bundesregierung geht davon aus, dass die Entlastungen durch zusätzliches Wachstum und Betriebsansiedlungen finanziert werden und dass gleichzeitig auch der Abbau der Staatsverschuldung möglich ist.

Entlastung in mehreren Punkten

  • Die geplante Senkung der Lohnsteuer erfolgt stufenweise: Die zweite Einkommensstufe wird von 35 auf 30 Prozent ab Juli 2022 gesenkt, die dritte Einkommensteuerstufe von 42 auf 40 Prozent ab Juli 2023. Wie bisher bleiben Jahreseinkommen bis 11.000 Euro steuerfrei. Für Einkommen zwischen 11.000 und 18.000 Euro wurde der Steuersatz bereits im Vorjahr von 25 auf 20 Prozent gesenkt, daran ändert sich nun auch nichts. Unverändert bleiben auch die Steuerstufen für die höheren Einkommen.
  • Für kleine Einkommen werden die Krankenversicherungsbeiträge gesenkt, beginnend mit 1,7 Prozent. Bis zu einem Einkommen von 2.600 Euro Brutto wird es eine langsam einschleifende Senkung der Beiträge geben. Davon profitieren laut Regierungsangaben 2,3 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und 1,6 Millionen Pensionierte.
  • Der Familienbonus wird von 1.500 auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr ab 1. Juli 2022 angehoben. Außerdem sollen Alleinerzieherinnen mit niedrigem Einkommen mehr vom Kinderbonus profitieren. Alleinerzieherinnen mit einem Einkommen bis zu 12.000 Euro pro Jahr erhalten einen Kinderbonus von 450 Euro pro Kind statt bisher 250 Euro. Außerdem wird auch der Bezieherkreis erweitert. Künftig sind auch jene Familien bezugsberechtigt, in denen beide Partner arbeiten und beide jeweils mehr als 6.000 Euro, aber unter 12.000 Euro verdienen.
  • Darüber hinaus soll ein Mitarbeiterbeteiligungsmodell eingeführt werden, mit dem Arbeitnehmer mit bis zu 3.000 Euro steuerfrei am Gewinn eines Unternehmens profitieren können.

KÖSt sinkt ab 2023

Unternehmen werden mit einer Senkung der Körperschaftssteuer (KÖSt) um bis zu 700 Millionen Euro entlastet. Konkret wird die KÖSt 2023 von 25 auf 24 Prozent und 2024 dann auf 23 Prozent gesenkt.

Entlastungen soll es auch nach deutschem Vorbild auch für besonders CO2-intensive Unternehmen geben, damit es nicht zu einem „Carbon Leakage“ kommt – Betriebe sollen nicht wegen der mit den Klimamaßnahmen verbundenen Kosten ihre Produktion in andere Länder mit weniger strengen Auflagen verlagern. Für besonders energieintensive Unternehmen ist eine „Härtefallregelung“ vorgesehen. Die Eigenstromsteuer für die Einspeisung von selbst erzeugtem Strom soll entfallen – diese Entlastung wird von der Regierung mit 50 Millionen Euro beziffert.

Dieselprivileg bleibt

In der Reform nicht enthalten ist die Abschaffung des Dieselprivilegs und die im Regierungsprogramm geplante Reform des Pendlerpauschales. Beides Punkte, die bei Umweltschutzorganisationen für Kritik sorgen. Der WWF bewertete den Einstieg in die CO2-Bepreisung als wichtigen Schritt, forderte aber einen steileren Preispfad und einen größeren Ökobonus. Als „verheerendes Signal“ sieht der WWF den erneut verschobenen Abbau umweltschädlicher Subventionen.

Reaktionen zwischen Enttäuschung und Freude

Auch dem VCÖ ist der CO2-Preis zu niedrig. Das bedeute hohe Kosten für die Allgemeinheit und künftige Generationen. Ähnlich äußerte sich Greenpeace: „Es ist ein Armutszeugnis, dass es Österreich nicht gelingt, ein deutlich klimafreundlicheres Modell vorzulegen als etwa das konservative Deutschland“. Der ÖAMTC sprach von „Licht und Schatten“. Scharfe Kritik kam von ATTAC. Die Steuerreform sei ein „Riesengeschenk für Besserverdienende, Konzerne und Vermögende“. Für Global 2000 ist der Einstieg in die CO2-Bepreisung in Österreich gut, aber zu zögerlich.

Steuerreform: Wer profitiert, wer zahlt?

Ein Kernstück der Steuerreform ist die CO2-Bepreisung, wodurch das Tanken und Heizen teurer wird. Um hier einen Ausgleich zu schaffen, wird ein sogenannter Ökobonus eingeführt.

Kein gutes Haar ließ die FPÖ an der Steuerreform. Diese sei „eine reine Mogelpackung zulasten der Bevölkerung“ und ein „Strafpaket für die österreichischen Steuerzahler“. Auch die SPÖ findet, die Steuerreform sei „weder sozial noch ökologisch“. NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger kritisierte, dass vor allem der Mittelstand bei dieser Reform „durch die Finger schaut“. Der CO2-Preis habe in dieser Form keinerlei Lenkungseffekt, sondern sei nur eine zusätzliche Steuer.

Wirtschaftsbund sieht „fairen Mix“

Lob kam dagegen von der Wirtschaft. Vor allem mit der Erhöhung des Gewinnfreibetrags sowie mit der Senkung der Körperschaftssteuer und der Tarifstufen in der Lohn- und Einkommenssteuer wurden langjährige Kammer-Forderungen aufgegriffen, sagte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer. Der Wirtschaftsbund sprach von einem „fairen Mix für einen starken Standort“ sowie einer „Entlastung der Betriebe und Klimaschutz mit Hausverstand“. Die Industriellenvereinigung betonte, es seien „notwendige Schritte in Richtung Entlastung“ gesetzt worden. Mit der schrittweisen Senkung der Körperschaftssteuer auf 23 Prozent bewege sich Österreich in Richtung EU-Durchschnitt und stärke damit den Standort.

Der Handelsverband begrüßt die Reform ebenfalls weitgehend. „Schade ist allerdings, dass die ´kalte Progression´ nicht abgeschafft wurde, denn gerade die pandemiebedingte Teuerung wird große Teile der Senkung neutralisieren und eine strukturelle Verankerung wäre der treffsicherste Ausgleich“, so Rainer Will, Chef des Handelsverbands.

Leise Kritik kam von WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller: Sie bewertete grundsätzlich als positiv, dass 2022 der Einstieg in die CO2-Bepreisung erfolge. „Man hätte sich aber gewünscht, dass das etwas mutiger gewesen wäre, sowohl was den Einstiegspreis anbelangt als auch den Zielpreis“, sagte sie. So werde der gewünschte Lenkungseffekt „relativ begrenzt bleiben“.