100-Euro-Geldschein
ORF.at/Christian Öser
„Weder sozial noch ökologisch“

Wenig Lob und viel Kritik an Steuerreform

CO2 wird besteuert, die Lohnsteuer gesenkt, der Familienbonus erhöht und ein Klimabonus eingeführt – das sind einige der Eckpunkte der ökosozialen Steuerreform, die am Sonntag von der Regierung vorgestellt wurde. Während vonseiten der Wirtschaft Lob kam, äußerte die Opposition harsche Kritik. Auch Fachleute sehen eine verpasste Chance – vor allem, was den Klimaschutz betrifft.

Die SPÖ findet, die Steuerreform sei „weder sozial noch ökologisch“. Profitieren würden davon vor allem Großunternehmer und Konzerne. NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger kritisierte, dass der Mittelstand bei dieser Reform „durch die Finger schaut“. Und: Der CO2-Preis habe in dieser Form keinerlei Lenkungseffekt, sondern sei nur eine zusätzliche Steuer. Insgesamt werde nur die Klientel zufriedengestellt, die potenzielle Wähler seien.

Kein gutes Haar ließ auch die FPÖ an der Steuerreform. Diese sei „eine reine Mogelpackung zulasten der Bevölkerung“ und ein „Strafpaket für die österreichischen Steuerzahler“. Steuern würden das Klima nicht retten können, „sondern nur Anreize mit Hausverstand“.

Preis für CO2-Emissionen für Fachleute zu niedrig

Bei Umweltorganisationen sorgt vor allem für Unmut, dass die Abschaffung des Dieselprivilegs und die im Regierungsprogramm geplante Reform der Pendlerpauschale nicht in der Steuerreform enthalten sind, sowie die Höhe des CO2-Preises. Dieser sei zu niedrig angesetzt und entspreche nicht der Kostenwahrheit.

Als „verheerendes Signal“ sieht der WWF den erneut verschobenen Abbau umweltschädlicher Subventionen. Die NGO bewertete den Einstieg in die CO2-Bepreisung als wichtigen Schritt, forderte aber einen steileren Preispfad und einen größeren Ökobonus. Ähnlich äußerte sich die Umweltorganisation Global 2000: Der Einstieg in die CO2-Bepreisung in Österreich sei gut, aber zu zögerlich.

Grafik zur Steuerreform
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Bundesregierung

Auch dem VCÖ ist der CO2-Preis zu niedrig. Das bedeute hohe Kosten für die Allgemeinheit und künftige Generationen. Ähnlich äußerte sich Greenpeace: „Es ist ein Armutszeugnis, dass es Österreich nicht gelingt, ein deutlich klimafreundlicheres Modell vorzulegen als etwa das konservative Deutschland.“ Der ÖAMTC sprach von „Licht und Schatten“.

Lenkungseffekt „relativ begrenzt“

Leise Kritik kam von WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller. Sie bewertete grundsätzlich als positiv, dass 2022 der Einstieg in die CO2-Bepreisung erfolge. „Man hätte sich aber gewünscht, dass das etwas mutiger gewesen wäre, sowohl was den Einstiegspreis anbelangt als auch den Zielpreis“, sagte sie.

So werde der gewünschte Lenkungseffekt „relativ begrenzt bleiben“. Der neue WIFO-Chef Gabriel Felbermayr forderte eine rasche stufenweise Anhebung der CO2-Abgabe auf Verkehr und Energie auf 60 Euro je Tonne.

Experte: Keine Kostenwahrheit

Das sieht auch das Momentum-Institut ähnlich: Mit 30 Euro pro Tonne würde Benzin um acht Cent pro Liter teurer. Haushalte, die mit Gas oder Heizöl heizen, würden rund 130 Euro im Jahr mehr zahlen. Das würde nicht die notwendigen Effekte für den Klimaschutz auslösen, so die sozialliberale Denkfabrik.

Gegenüber dem „Standard“ meinte der Umweltökonom Stefan Schleicher, dass der Preis „in keiner Weise“ den wahren Kosten entspreche, und verwies auf den Preis, der derzeit beim europäischen Emissionshandelssystem gelte: Dieser liege bei rund 60 Euro pro Tonne CO2. Dem Klimaökonomen Gernot Wagner zufolge belaufe sich der Preis sogar auf „mindestens 100 Euro“ – mehr dazu in science.ORF.at.

Einnahmen aus CO2-Bepreisung werden zu Klimabonus

Ab 1. Juli 2022 müssen die Österreicherinnen und Österreicher für ihren CO2-Ausstoß eine zusätzliche Steuer bezahlen. Der Einstiegspreis beträgt 30 Euro pro Tonne und steigt bis 2025 auf 55 Euro. Ab 2026 soll es einen EU-weiten CO2-Emissionshandel für sämtliche Lebensbereiche geben.

Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung werden unter anderem in Form eines Klimabonus an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler retourniert. Der Bonus wird, je nachdem, wo man wohnt und ob man öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung hat oder auf das Auto angewiesen ist, ausgezahlt und parallel zu den Einnahmen jährlich steigen.

Steuerreform: Wer profitiert, wer zahlt?

Ein Kernstück der Steuerreform ist die CO2-Bepreisung, durch die das Tanken und Heizen teurer wird. Um hier einen Ausgleich zu schaffen, wird ein Ökobonus eingeführt.

Der Preis von 30 Euro pro CO2-Tonne wird nicht reichen, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Zu diesem Ergebnis kam bereits eine Studie des Autofahrerclubs ÖAMTC vor einem Jahr. Laut dieser müssten Benzin und Diesel vier Euro pro Liter kosten. Erst ab diesem Preis würde Autofahren stark genug reduziert.

Der Ökonom Klaus Gugler erwartet spürbare Effekte der Steuerreform erst in fünf Jahren. Entscheidend werde sein, dass sich Verhaltensweisen der Menschen ändern und vor allem die Investitionstätigkeit angepasst wird. Die ab 2022 geltende Belastung von 30 Euro je Tonne CO2 sei „natürlich zu wenig“ für eine wirksame Lenkung, aber immerhin ein Einstieg in die Bepreisung.

„Geschenk“ für Besserverdienende und Konzerne

Zusätzlich zum Klimaaspekt wird es zahlreiche Entlastungen geben, die sich bis 2025 auf 18 Milliarden Euro summieren sollen. Sparmaßnahmen als Gegenfinanzierung sind nicht vorgesehen, die Bundesregierung geht davon aus, dass die Entlastungen durch zusätzliches Wachstum und Betriebsansiedlungen finanziert werden und dass gleichzeitig der Abbau der Staatsverschuldung möglich ist.

Das Momentum-Institut kritisierte hierbei, dass bei der Einkommens- und Vermögenssteuersenkung sowie beim Familienbonus ebenfalls hauptsächlich die Besserverdiener bzw. große Unternehmen profitieren würden. ATTAC sprach bei der Reform von einem ein „Riesengeschenk für Besserverdienende, Konzerne und Vermögende“.

Lob für Entlastung aus der Wirtschaft

Lob kam dagegen von der Wirtschaft. Vor allem mit der Erhöhung des Gewinnfreibetrags sowie mit der Senkung der Körperschaftssteuer und der Tarifstufen in der Lohn- und Einkommensteuer seien langjährige Kammer-Forderungen aufgegriffen worden, sagte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer.

Der ÖVP-Wirtschaftsbund sprach von einem „fairen Mix für einen starken Standort“ sowie einer „Entlastung der Betriebe und Klimaschutz mit Hausverstand“. Die Industriellenvereinigung betonte, es seien „notwendige Schritte in Richtung Entlastung“ gemacht worden. Mit der schrittweisen Senkung der Körperschaftssteuer auf 23 Prozent bewege sich Österreich in Richtung EU-Durchschnitt und stärke damit den Standort.

Kurz zufrieden

Der Handelsverband begrüßte die Reform ebenfalls weitgehend. „Schade ist allerdings, dass die kalte Progression nicht abgeschafft wurde, denn gerade die pandemiebedingte Teuerung wird große Teile der Senkung neutralisieren, und eine strukturelle Verankerung wäre der treffsicherste Ausgleich“, so Rainer Will, Chef des Handelsverbands.

Bundeskanzler Kurz zur Steuerreform

Am Sonntag ist die ökosoziale Steuerreform fixiert worden, die CO2-Emissionen besteuert und Lohnsteuerstufen senkt. NGOs und die Opposition kritisieren das Prestigeprojekt der Regierung teilweise hart, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verteidigt die Pläne im Interview.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich in der ZIB2 am Sonntag mit dem Ergebnis der Verhandlungen zufrieden. Man habe es geschafft, den Klimawandel, Soziales und den Wirtschaftsstandort in der Reform zu vereinen. Der Kritik, dass etwa die Schritte zum Klimaschutz zu zögerlich seien, hielt er entgegen: „Wir tun das nicht mit dem Holzhammer, sondern auf behutsame Weise.“