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ORF.at/Christian Öser
Klimabonus & Co.

Das bringt die Steuerreform

18 Milliarden Euro Entlastung soll die Steuerreform bis 2025 bringen. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) spricht von der „größten Entlastung in der Zweiten Republik“, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) begrüßt den „völligen Systemwechsel“. Experten vermissen ökologische Lenkungseffekte. Die steigenden Preise für Tanken und Heizen durch die CO2-Bepreisung sollen etwa durch einen Klimabonus für alle abgefedert werden.

Die kalte Progression wurde hingegen nicht abgeschafft, obwohl es dafür im Regierungsprogramm zumindest eine Absichtserklärung gibt. Damit bleibt diese schleichende Steuererhöhung, die kleine Einkommen gleichermaßen betrifft. Entlastungen kommen nun auf anderen Wegen. Gegenüber Ö1 sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Montag, dass die Regierung mit der Steuerreform entlasten und gleichzeitig die Schuldenquote nach unten drücken wolle.

Die Einnahmen dafür sollen laut Blümel vor allem aus dem Wachstum kommen. Verzichtet wurde weitgehend darauf, klimaschädliche Subventionen wie das Dieselprivileg und die Pendlerpauschale zu streichen. Für Blümel ist das eine Abwägungssache: „Viele Menschen würden das im Geldbörsel spüren. Wir werden Menschen nicht dazu bringen, klimafreundliches Verhalten an den Tag zu legen, indem wir sie sekkieren, indem wir ihnen die Butter vom Brot nehmen.“

Klimabonus für alle

Die Grünen sehen das fehlende Aus des Dieselprivilegs etwas anders. Es sei „unverständlich und enttäuschend“, so der grüne Verkehrssprecher im Nationalrat, Hermann Weratschnig, dass sich die ÖVP beim Dieselprivileg „trotz unbestreitbarer Fakten keinen Millimeter“ bewegen habe lassen. Die Grünen wollen daher weiter auf ein Aus für das Dieselprivileg drängen – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Starten wird nun die CO2-Bepreisung mit 1. Juli 2022. Auch wenn dadurch beispielsweise das Tanken pro Liter um acht Cent teurer wird, soll den Bürgern und Bürgerinnen dennoch mehr im Geldbörsel bleiben. Kommen wird der regionale Klimabonus, der für jeden – egal ob er arbeitet oder nicht – gelten wird. Die Höhe wird sich danach richten, wo man lebt. Wer auf dem Land lebt und eine schlechte Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel hat, wird 200 Euro bekommen. Stadtbewohner mit exzellenter Anbindung bekommen 100 Euro.

Dazwischen gibt es noch zwei Abstufungen mit 133 und 167 Euro pro Jahr. Ab Juli 2022 soll der jeweilige Betrag einmal im Jahr vom Klimaschutzministerium überwiesen werden. Ein Jahr später soll der Klimabonus zudem proportional zu den Einnahmen durch die CO2-Steuer steigen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren erhalten 50 Prozent des Bonus. Welche Stufe etwa für einen Pendler gelten wird, der täglich von Perchtoldsdorf nach Wien mit dem Auto pendelt, obwohl Verkehrsinfrastruktur vorhanden wäre, wollte Blümel noch nicht beantworten.

100 Euro in Wien, 200 Euro in Haag

Die Statistik Austria soll nun eine Typologie für jede Gemeinde erstellen, in welche Klimabonusstufe die jeweilige Region hineinfällt. Die Zuordnung soll in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Fix dürfte sein, dass Wien zur Stufe eins mit 100 Euro zählt, in Stufe zwei fallen etwa Tulln und Wörgl. Die Stufe drei umfasst etwa Neusiedl am See und Bad Ischl. Den höchsten Klimabonus können Bewohner aus Zwettl und Haag in Anspruch nehmen.

Die Arbeiterkammer begrüßt den Klimabonus. Dieser sollte aber kein Ersatz für die Reform der Pendlerpauschale sein, hieß es etwa von AK-OÖ-Chef Johann Kalliauer. Die Qualität der Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel sei nur bedingt ein geeigneter Indikator für die Mehrbelastung durch die CO2-Bepreisung. So würden etwa in Städten lebende Mieter mit teurer Gasheizung und schlechter Dämmung potenziell als Verlierer aussteigen.

Details zur Steuerreform präsentiert

Die Regierung hat die Details der Steuerreform vorgelegt. CO2-Ausstoß wird mit Kosten belastet, gleichzeitig soll es einen Klimabonus geben.

Die FPÖ sieht die ländliche Bevölkerung zu Menschen zweiter Klasse degradiert, da die CO2-Steuer den Klimabonus übertreffen werde. Die SPÖ wiederum warnt vor einem „Stadtmalus“ durch den Klimabonus. Allein in Wien heizt die Hälfte der Haushalte mit Gas, österreichweit ist es laut Statistik Austria ein Viertel. APA-Berechnungen auf Basis der Erdgasverbrauchsstatistik zufolge würde der CO2-Preis für einen durchschnittlichen Haushalt um 90 Euro pro Jahr steigen. Die Armutskonferenz forderte einen Belastungsausgleich einkommensschwächerer Haushalte durch einen „einkommensabhängigen Ökobonus“ – mehr dazu in religion.ORF.at.

Besserverdiener profitieren mehr vom Familienbonus

Familien profitieren von der Aufstockung des bereits bestehenden Familienbonus auf maximal 2.000 Euro pro Kind pro Jahr. Gelten wird das ab 1. Juli. Profitieren werden vor allem Besserverdiener, denn diese können den Absetzbetrag voll ausschöpfen.

Außerdem sollen aber auch Alleinerzieherinnen mit niedrigem Einkommen mehr vom Kinderbonus profitieren. Alleinerzieherinnen mit einem Einkommen bis 12.000 Euro pro Jahr erhalten einen Kinderbonus von 450 Euro pro Kind statt bisher 250 Euro. Außerdem wird der Bezieherkreis erweitert. Künftig sind auch jene Familien bezugsberechtigt, in denen beide Partner arbeiten und beide jeweils mehr als 6.000 Euro, aber unter 12.000 Euro verdienen.

Senkung von KV-Beiträgen: Details noch offen

Steuerfrei bleiben Jahreseinkommen bis 11.000 Euro. Die SPÖ kritisiert, dass Jahreseinkommen unter 18.000 Euro von der Lohnsteuersenkung nichts hätten. Die Regierung will diese Einkommen mit geringeren Krankenversicherungsbeiträgen entlasten. Bis zu einem Einkommen von 2.600 Euro brutto wird es eine langsam einschleifende Senkung der Beiträge geben. Doch offenbar müssen die Details zur Senkung der Krankenversicherungsbeiträge noch verhandelt werden, hieß es am Montag aus dem Gesundheitsministerium.

Frau und Kind am Spielplatz
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Familien profitieren vom höheren Familienbonus und dem Klimabonus auch für Kinder

Blümel sagte im Ö1-Morgenjournal, dass die geringeren Beiträge den Krankenkassen ersetzt werden sollen. Der Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss, begrüßte die Entlastung niedriger Einkommen, lehnte aber die dafür gewählte Senkung der Krankenversicherungsbeiträge ab. Das habe „direkt durchschlagende Auswirkungen auf das gesamte Gesundheitssystem“.

Lohnsteuern sinken ab 18.000 Euro Jahreseinkommen

In der zweiten Stufe für Einkommen zwischen 18.000 und 31.000 Euro Jahreseinkommen wird ab Juli 2022 der Steuersatz von 35 auf 30 Prozent gesenkt. Wer bis zu 2.590 Euro brutto im Monat verdient, dem bleiben bis zu 650 Euro mehr im Jahr. Bei Einkommen zwischen 31.000 und 60.000 Euro wird der Steuersatz von 42 auf 40 Prozent gesenkt. Das bringt laut Regierung eine maximale Entlastung von 580 Euro pro Jahr. Die höheren Einkommensstufen bleiben unverändert.

Mit den zusätzlich möglichen Boni bedeutet die Ersparnis etwa im Fall einer Familie mit zwei Kindern mit zwei Verdienern von monatlichen Nettogehältern von über 2.100 und über 2.200 Euro eine Entlastung von mehr als 2.700 Euro pro Jahr. Berücksichtigt dabei werden die Senkung der KV-Beiträge, des Lohnsteuertarifs, des höheren Familienbonus und des – in diesem Fall angenommenen – voll ausgeschöpften Klimabonus.

Eine in Wien lebende Alleinerzieherin (1.750 Euro Nettogehalt) mit einem Kind käme – mit der Steuer- und KV-Senkung, dem höheren Familienbonus und der niedrigsten Stufe des Klimabonus – auf eine Entlastung von über 1.000 Euro, berichtete der „Kurier“ unter Berücksichtigung der Daten aus dem Finanzministerium.

Regierungsprogramm sähe niedrigere KöSt vor

Unternehmen sollen durch einen Investitionsfreibetrag und die Erhöhung des Gewinnfreibetrages und die Senkung der Körperschaftssteuer (KöSt) entlastet werden. Im Regierungsprogramm wären als Zielwert der KöSt eigentlich 21 Prozent angepeilt gewesen. Geworden ist es nun eine schrittweise Senkung von 25 auf 24 Prozent im Jahr 2023, ein Jahr später auf 23 Prozent.

Entlastungen soll es nach deutschem Vorbild auch für besonders CO2-intensive Unternehmen geben, damit es nicht zu einem „Carbon Leakage“ kommt – Betriebe sollen nicht wegen der mit den Klimamaßnahmen verbundenen Kosten ihre Produktion in andere Länder mit weniger strengen Regeln verlagern.

KMU sehen „Luft nach oben“

Kritik an der Steuerreform kam von Klein- und Mittelbetrieben. Diese sehen sich übergangen. „Wir sehen da Luft nach oben“, meinte etwa die Präsidentin der Hoteliervereinigung, Michaela Reitterer. Die KöSt-Senkung bringe kleinen Unternehmen weniger als großen Konzernen. Auch NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker meinte, dass die Regierung gut daran täte, mehr auf Unternehmer und Unternehmerinnen zu hören.

Als „Wahnsinn“ im negativen Sinn bezeichnete der Vizepräsident des Österreichischen Gemeindebunds, Johann Hingsamer (ÖVP), die Steuerreform. Er sehe nicht nur „Nachteile für Gemeinden“, sondern auch „keine Impulse für die Pflege“ und ein „Geschenk an die Industrie“.