Der jordanische König Abdullah II.
AP/The Royal Hashemite Court/Yousef Allan
Pandora-Papers

Politiker und Prominente in Erklärungsnot

Die Pandora-Papers enthüllen die heimlichen Geschäfte Hunderter Politiker und Unternehmen mit Briefkastenfirmen. Die am Sonntag durch das Recherchenetzwerk International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) veröffentlichten Teilergebnisse brachten zahlreiche Politiker in Erklärungsnot. Prominente Betroffene wie der tschechische Regierungschef Andrej Babis und Jordaniens König Abdullah II. versuchten sich zu rechtfertigen und wiesen die Berichte zurück.

Insgesamt sollen mehr als 330 Politiker – darunter 35 amtierende und frühere Staats- und Regierungschefs – betroffen sein. Ob ihre Geschäfte wirklich illegal sind, müssen allerdings die Behörden im Einzelfall prüfen. An der Auswertung der Pandora-Papers waren rund 600 Journalistinnen und Journalisten in 117 Ländern beteiligt, in Österreich der ORF und das Nachrichtenmagazin „profil“. Nach Angaben des ICIJ wurden 11,9 Millionen geleakte Dokumente ausgewertet, „die jeden Winkel der Welt abdecken“. Nach Angaben der Medien stammen die Daten – insgesamt knapp drei Terabyte – von 14 Unternehmen, die Offshore-Konstrukte anbieten.

Die Pandora-Papers benennen auch Hunderte von Spitzenbeamten, Richtern, Geheimdienstlern, Kommunalpolitikern, Sportgrößen und Promis wie Shakira, Ringo Starr, Julio Iglesias und Elton John. Schließlich führen die Dokumente auch zu Mafia-Clans, Drogenbaronen, Waffenschiebern, Rotlichtgrößen, Glücksspielhasardeuren und Anlagebetrügern.

Russisches Geld für britische Torys

Die „Pandora-Papers“ des Recherchenetzwerks ICIJ, dem auch der ORF und das „profil“ angehören, führen ein russisches Paar, das Millionenbeträge an die britischen Konservativen gespendet hat. Außerdem soll es Verbindungen zwischen einigen Offshore-Firmen und Konten bei der österreichischen Bank Winter geben.

Ermittlungen in Tschechien

In Tschechien kündigte die Polizei bereits an, die neuen Veröffentlichungen aus den geleakten Dokumenten auf mögliche Rechtsverstöße zu überprüfen. Das betreffe nicht nur Ministerpräsident Babis, sondern auch alle weiteren erwähnten Bürger des Landes, teilte die Nationale Zentrale für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen am Montag mit.

Laut den Dokumenten hat Babis über Offshore-Konstruktionen ein Schloss in Frankreich gekauft und dieses nicht als seinen Besitz deklariert. Die neuen Vorwürfe treffen den Multimilliardär und Gründer der populistischen Partei ANO kurz vor der Parlamentswahl am Freitag und Samstag. Er selbst wies die Anschuldigungen zurück. „Das waren meine Gelder“, sagte er im Fernsehsender Prima. Sie seien versteuert gewesen.

Jordaniens König kaufte Luxusanwesen

Jordaniens König Abdullah II. soll laut den Pandora-Papers-Recherchen mindestens 30 Offshore-Firmen in Steueroasen genutzt haben, um 14 Luxusanwesen in den USA und Großbritannien zu kaufen. Aus E-Mails geht hervor, dass der Namen des Königs um jeden Preis herausgehalten werden musste.

Die britischen Anwälte des Königs erklärten auf Anfrage, dass er nach jordanischem Recht keine Steuern zahle. Eigentum in Offshore-Gesellschaften halte er aus Gründen der Sicherheit und der Privatsphäre. Der König habe nie öffentliche Gelder missbraucht. Man drohte zudem mit rechtlichen Schritte. Der Königshof „behält sich das Recht auf die notwendigen rechtlichen Verfahren“ vor, hieß es in einer Mitteilung aus Amman.

„Pandora-Papers“: Politerdbeben in Prag

In Tschechien gerät jetzt Regierungschef Andrej Babis wegen der Enthüllungen der Pandora-Papers unter Druck. Ihm wird vorgeworfen, er hätte Besitztümer bei seinem Eintritt in die Politik deklarieren müssen – das hat er aber nicht getan. Jetzt prüft auch die tschechische Polizei die Vorwürfe.

Verschleierte Deals im Dunstkreis Putins

In den Unterlagen sind den Recherchen zufolge auch zahlreiche Namen von engen Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin als Begünstigte von Briefkastenfirmen aufgeführt. Hier gehe es wohl in erster Linie darum, die Herkunft des oft immensen Reichtums der Offshore-Kunden zu verschleiern.

Konstantin Ernst gilt als einer der Spin-Doktoren für Putins Selbstinszenierung. Der Chef des Fernsehsenders Channel One war auch für die Eröffnung der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi verantwortlich. Laut den Pandora-Papers kam er über eine Offshore-Firma bei der Privatisierung von russischen Immobilien zum Zug.

Der Direktor des russischen Sender Channel One, Konstantin Ernst
Reuters/Maxim Shemetov
TV-Manager und Politberater Konstantin Ernst

Moskau weist Vorwürfe zurück

Moskau wies die Berichte über zahlreiche unerklärlich hohe Vermögen bei Vertrauten Putins zurück. „Das ist nur eine Reihe völlig unbegründeter Behauptungen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. Auffällig ist auch der Fall einer Frau namens Swetlana Kriwonogich, mit der Putin laut unbestätigten Berichten eine Tochter haben soll. Nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“, die an der Auswertung der Pandora-Papers beteiligt war, ist Kriwonogich Eigentümerin einer Briefkastenfirma, die wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter gegründet wurde.

Mittels der Briefkastenfirma soll Kriwonogich ein 3,6 Millionen Euro teures Apartment in Monaco erstanden haben. Laut „Süddeutscher“ stammt die Frau aus armen Verhältnissen – woher das Geld für den Wohnungskauf stammt, ist völlig unklar.

Auch „Saubermann“ Selenski betroffen

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski taucht als Nutzer von Offshore-Firmen auf. Knapp vor seiner Wahl übertrug er seinen Anteil an einer Offshore-Firma auf den Britischen Jungferninseln an einen Geschäftspartner – der bald einer seiner wichtigsten Berater als Präsident wurde. Dividendenzahlungen flossen laut den Dokumenten an eine Firma, die nun seiner Frau gehört. Der ehemalige Schauspieler Selenski hatte sich Transparenz und Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geheftet, als er in die Politik ging.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski
AP/Pool/Sergiy Dolzhenko
Wolodymyr Selenski trat als „Saubermann“ in die Politik ein

Der Präsident des EU-Landes Zypern, Nikos Anastasiadis, war laut den Recherchen selbst im Offshore-Geschäft tätig – mit einer Kanzlei, die mittlerweile von seinen Töchtern geführt wird.

Blairs sparten Steuern

In Großbritannien werden der britische Ex-Premierminister Tony Blair und seine Ehefrau Cherie beschuldigt, beim Kauf einer Immobilie von einem Steuerschlupfloch profitiert zu haben. Das Paar soll zwar nicht illegal gehandelt haben, wie der Sender BBC am Sonntagabend berichtete. Doch äußerte sich Blair wiederholt kritisch über Steuerschlupflöcher.

Es geht um ein Gebäude in London, das die Blairs 2017 für 6,45 Millionen Pfund (heute 7,5 Mio. Euro) erwarben. Es ist heute der Sitz von Cherie Blairs Rechtsberatung und ihrer Stiftung. Vorheriger Besitzer war eine Offshore-Firma, die auf den Britischen Jungferninseln registriert war. Die Blairs gründeten ein Unternehmen, das die Offshore-Firma aufkaufte. Das bedeutete, dass sie ein Unternehmen erwarben und keine Immobilie – daher fiel keine Grunderwerbssteuer an, die 312.000 Pfund betragen hätte. Die übernommene Offshore-Firma wurde anschließend aufgelöst.

Der ehemalige britische Premierminister Tony Blair und seine Frau Cherie Blair
AP/PA/Yui Mok
Der britische Ex-Premier Tony Blair und seine Frau Cherie

Brasilien, Libanon, Ecuador

Paulo Guedes, Brasiliens ultraliberaler Wirtschaftsminister im Kabinett von Präsident Jair Bolsonaro, wird ebenfalls mit einer Offshore-Konstruktion in den Dokumenten erwähnt. Guedes hatte sich im Vorjahr wiederholt gegen staatlichen Hilfszahlungen für Ärmere ausgesprochen. Bei einer öffentlich gewordenen Kabinettssitzung zur Coronavirus-Krise im Mai 2020 trat er dafür ein, dass „sich in der Krise jeder um sich selbst scheren soll“.

Auch der amtierende libanesische Premier Nadschib Mikati und sein Vorgänger Hassan Diab kommen in den Dokumenten vor. Der Libanon steht seit Monaten knapp am wirtschaftlichen Kollaps.

Guillermo Lasso, der amtierend Präsident Ecuadors, ein gelernter Banker, nutzte einen Offshore-Dienstleister, um 2017 Vermögen von einer panamaischen Stiftung zu Treuhandgesellschaften in South Dakota zu verschieben. Überhaupt zeigte sich, dass der US-Bundesstaat zu einer beliebten Steueroase geworden ist.

Globaler Rechercheverbund

Dutzende Medien haben mit ICIJ recherchiert, darunter sind unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR, die BBC und der „Guardian“, „Le Monde“, "El Pais“ und die „Washington Post“ .

Spuren auch nach Österreich

Die Dokumente führen auch nach Österreich. Laut „profil“ und ORF konnten insgesamt rund 160 Österreicherinnen und Österreicher identifiziert werden, die in der Vergangenheit Offshore-Services in Anspruch genommen haben – allerdings keine Politiker, dafür aber „mehrere Unternehmerpersönlichkeiten“, berichtete das „profil". “

In Österreich geben die Pandora-Papers unter anderem Hinweise auf die verschlungenen Finanzkonstruktionen rund um ein Tourismusprojekt in Montenegro, das die österreichischen Steuerzahler möglicherweise einige Millionen Euro gekostet hat. Konkret geht es um „Bigova Bay“ in Montenegro, das die notverstaatlichte Kärntner Hypo Alpe-Adria finanziert hatte – mehr dazu in Babis und das geheime Chateau.