Karte zeigt Wien
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Niedrigste Stufe nur in Wien

Regionaler Klimabonus sorgt für Irritationen

Zwischen 100 Euro und 200 Euro pro Person sollen ab 1. Juli pro Jahr als Klimabonus vom Klimaministerium bezahlt werden. Das sieht die Steuerreform der Regierung vor. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren erhalten die Hälfte. Wie viel man tatsächlich bekommt, darüber entscheidet der Wohnort. Und das sorgt für erhebliche Irritationen.

Denn bleibt es bei dem derzeitigen Entwurf der von der Statistik Austria erstellten Karte für den Klimabonus, ist Wien die einzige Stadt in Österreich, wo die niedrigste Stufe des Klimabonus, 100 Euro, ausbezahlt würde.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte dazu in der ZIB2 am Montag: Mit der Wiener Bonusstufe von 100 Euro sei vor allem das Heizen abgedeckt. Der regionale Ausgleich sei „entlang der Güte des öffentlichen Verkehrs“ und entsprechend der Infrastruktur definiert worden. Und es werde ja auch in Wien, etwa mit dem Fernwärme-Ausbauprogramm, der Umstieg auf umweltfreundliche Alternativen gefördert, sagte er zur Tatsache, dass die vielen Mieterinnen und Mieter in der Bundeshauptstadt nicht selbst über ihre Heizung bestimmen könnten.

Vizekanzler Kogler zum Klimabonus

Vizekanzler und Grünen-Chef Kogler war am Dienstag zu Gast im ZIB2-Studio. Er erläutert den Klimabonus, den die Bundesregierung als Ausgleich zur CO2-Steuer auszahlen will.

Andere größere Städte wie Graz, Innsbruck und Linz sowie das Wiener Umland würden in die zweite Stufe fallen, wo der Klimabonus für Erwachsene 133 Euro pro Jahr beträgt. Etwa ein Viertel der Österreicher und Österreicherinnen lebt in diesen Regionen.

167 Euro werden in der dritten Stufe ausbezahlt, in die viele Umlandgemeinden, aber auch Städte wie Villach, Amstetten und Bad Ischl fallen. 200 Euro würde es für etwa ein Drittel der Bevölkerung geben. Das betrifft nach derzeitigem Stand größere Gemeinden wie Feldkirchen in Kärnten oder kleinere wie Spiss in Tirol, die praktisch ohne öffentlichen Verkehr auskommen müssen. Allein fast zwei Drittel der Burgenländer und Burgenländerinnen leben in Gemeinden mit der Stufe vier.

Rot: Klimabonus Stufe eins (100 Euro) / orange: Stufe zwei (133 Euro) / hellgrün: Stufe drei (167 Euro) / dunkelgrün: Stufe vier (200 Euro)

Ländlich, urban und öffentlicher Verkehr

Die Statistik Austria wurde von der Regierung beauftragt, eine Typologie zu erstellen, um die Regionen entsprechend einzuteilen. Basis für die Berechnung ist die Urban-rural-Typologie, die zwischen dem ländlichen und urbanen Raum unterscheidet und alle fünf Jahre berechnet wird.

Nach dieser Typologie der Statistik Austria würde beispielsweise der südliche Speckgürtel von Wien noch in den urbanen Raum fallen (siehe Karte). In der Klimabonus-Karte ist aber nun ausschließlich Wien für die unterste Stufe vorgesehen. Es wurde bei der Kategorisierung zudem kein Unterschied zwischen Innenstadt- und Stadtrandlage gemacht. Mehr als ein Fünftel der Bevölkerung Österreichs lebt in der Bundeshauptstadt.

Urban-rural-Typologie der Statistik-Austria: rot–orange: urbane Zentren / orange–gelb: regionale Zentren / gelb–grün: ländlicher Raum im Umland von Zentren / grün: ländlicher Raum

Offene Fragen

In der Urban-rural-Typologie fehlt aber die Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Daher legte die Statistik Austria über die Urban-rural-Typologie noch die ÖV-Güteklassen (Öffentlicher Verkehr) – also wie gut ein Standort mit öffentlichem Verkehr versorgt ist. Konkret wurde allen Bus-, Bahn- und U-Bahn-Haltestellen in Österreich eine von acht Güteklassen zugewiesen. Abhängig davon, welcher Anteil der Gemeindebevölkerung im Einzugsgebiet besonders hochwertiger oder eben besonders schlecht angebundener Haltestellen lebt, ergibt sich daraus auch die Zuordnung der Gemeinden zu den vier Stufen des Klimabonus.

Erschließung Österreichs durch öffentliche Verkehrsmittel: Einteilung in Güteklassen der Österreichischen Raumordnungskonferenz. Stand: 2020.

Unklar ist aber dem Bericht zufolge noch, wie die ÖV-Güteklassen gegenüber der Urban-rural-Typologie gewichtet werden. Auch bei der Aufteilung von Haupt- und Nebenwohnsitz gibt es noch offene Fragen. Der grüne Budgetsprecher Jakob Schwarz erwartet, dass die finale Österreich-Karte zum Klimabonus noch in dieser Woche online geht: „Die erste Version kann aber natürlich noch adaptiert werden“, sagte er gegenüber den „Salzburger Nachrichten“. Es müssten zahlreiche Faktoren von der Taktung der öffentlichen Verkehrsmittel bis zur Erreichbarkeit von Ämtern, Schulen und Geschäften berücksichtigt werden.

Heizkosten nicht berücksichtigt

Nicht berücksichtigt bei der Verteilung des Klimabonus wurden Faktoren wie Heizkosten und Energieversorgung. Entsprechend groß ist auch die Kritik vor allem aus Wien und von der Arbeiterkammer. Allein in Wien heizt die Hälfte der Haushalte mit Gas, österreichweit ist es laut Statistik Austria ein Viertel. Die Qualität der Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel sei daher nur bedingt ein geeigneter Indikator für die Mehrbelastung durch die CO2-Bepreisung, warnt die Arbeiterkammer.

So würden etwa in Städten lebende Mieter mit teurer Gasheizung und schlechter Dämmung potenziell als Verlierer aussteigen. Die SPÖ warnt ebenfalls vor einem „Stadtmalus“ durch den Klimabonus. APA-Berechnungen auf Basis der Erdgasverbrauchsstatistik zufolge würde der CO2-Preis für einen durchschnittlichen Haushalt um 90 Euro pro Jahr steigen.

„Nicht sozial“ und „unfair“

Es entbehre jeglicher logischer Grundlage, warum die Wienerinnen und Wiener den in Österreich niedrigsten Klimabonus erhalten, kritisierte die Wiener SPÖ-Landesparteisekretärin Barbara Novak: „Das ist nicht sozial, sondern einfach nur unfair.“ Die Menschen in Wien würden nun bestraft, weil sie die öffentlichen Verkehrsmittel und das Fahrrad nutzen.

Auch der Chef der Wiener Linien, Günter Steinbauer, schaltete sich in die Diskussion ein: „Verstehe ich das richtig: Die Landbewohner tragen mehr zur Klimaerwärmung bei, unter der die Stadtbewohner leiden, und damit das so bleibt, kriegt man am Land einen Klimabonus.“

Differenzierung Stadt – Land politisch nachvollziehbar

Die Differenzierung zwischen Stadt und Land hält der in New York lehrende Klimaökonom Gernot Wagner für politisch nachvollziehbar, nicht aber aus theoretisch-ökonomischer Sicht. Man dürfe den Klimabonus nicht isoliert betrachten. Es sei entscheidend, was unter dem Strich übrig bleibe – etwa dass ein Hausbesitzer mit Ölkessel seinen Bonus dafür aufbrauche, einer mit Wärmepumpe aber nicht.

Die Beträge des finanziellen Anreizes seien aber viel zu gering, um tatsächlich relevant zu sein. Viel problematischer sei die Flächenwidmung und die Pendlerpauschale, die für die Zersiedelung falsche Anreize setze.