Marienstatur in Saint-Sulpice-Kirche in Paris
Reuters/Sarah Meyssonnier
Missbrauchsbericht in Frankreich

330.000 Opfer in katholischer Kirche

330.000 Minderjährige sind zwischen 1950 und 2020 Opfer sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche bzw. in von der Kirche betriebenen Einrichtungen in Frankreich geworden. Das teilte eine unabhängige Untersuchungskommission (CIASE) am Dienstag in Paris mit. „Bis Anfang der 2000er Jahre gab es eine totale und grausame Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern“, sagte Jean-Marc Sauve, der Leiter der Kommission.

Man habe den Betroffenen nicht geglaubt oder ihnen unterstellt, selber beteiligt gewesen zu sein. Es sei nur in seltenen Fällen eine Entschädigung gezahlt worden – und dann auch nur, um Schweigen zu erreichen, sagte Sauve. „Die Kirche hat es nicht sehen oder wissen wollen“, betonte er.

80 Prozent der Opfer seien Buben im Alter zwischen zehn und 13 Jahren gewesen, 20 Prozent Mädchen unterschiedlicher Altersgruppen. Bei den Taten habe es sich in fast einem Drittel der Fälle um Vergewaltigungen gehandelt. „Die Zahlen sind erschütternd und können nicht folgenlos bleiben“, sagte der Kommissionspräsident. Die Opfer hätten Leiden, Isolation und oft auch Scham und Schuldgefühle erlitten. Knapp die Hälfte von ihnen litten auch nach vielen Jahren noch unter den Folgen.

Präsident der Untersuchungskommission Jean-Marc Sauve
APA/AFP/Thomas Coex
Kommissionsleiter Jean-Marc Sauve präsentierte den erschütternden Bericht

Jahrelange Recherchearbeit

Die Ergebnisse der Kommission basieren auf Daten aus Archivmaterial von Kirche, Justiz, Staatsanwaltschaft, aus Medienrecherchen sowie auf Zeugenaussagen, die die Sauve-Kommission aus 21 Juristen, Medizinern, Historikern und Theologen auf einer regelrechten Tournee durch das Land gesammelt hat. Rund 26.000 Stunden haben die Mitglieder nach eigenen Angaben seit 2018 ehrenamtlich geleistet, um Tausende Zuschriften zu bearbeiten und Gespräche mit Betroffenen zu führen.

Die Politik- und Verwaltungswissenschaftlerin Sylvette Toche, Generalsekretärin der Kommission, beschrieb in der Zeitung „La Croix“, wie sehr sie die individuellen Berichte der Opfer in Briefen und Anhörungen persönlich mitgenommen hätten. „Die nüchternsten waren oft die schrecklichsten“, sagte sie.

Entschädigungsvorschläge an Bischofskonferenz übergeben

Der Bericht wurde nun der Bischofskonferenz übergeben. Die Kommission macht darin auch Vorschläge zur Entschädigung von Opfern. Zahlreiche Fälle sind bereits verjährt und können nicht mehr vor Gericht gebracht werden. Die Untersuchungskommission empfiehlt der Kirche, alle Opfer als solche anzuerkennen, auch jene, deren Fälle verjährt sind. Der Schaden müsse „repariert“ werden, es müsse Entschädigungen geben. Zudem müssten das Kirchenrecht und die Ausbildung der Priester reformiert werden, forderte Sauve.

Der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort von Reims, kündigte Konsequenzen an. Man werde alle erforderlichen Schritte einleiten, damit sich ein solcher Skandal nicht wiederhole. Bei der Sitzung der Kirchengremien im November sollten Maßnahmen getroffen werden.

Papst Franziskus: Gedanken bei den Opfern

Papst Franziskus zeigte sich betroffen vom Ergebnis der Studie. Seine Gedanken seien in erster Linie bei den Opfern. Er spüre große Trauer wegen ihrer Verletzungen und Dankbarkeit für ihren Mut, diese anzuprangern, sagte ein päpstlicher Sprecher.

Frankreich: Bis zu 330.000 Opfer von Missbrauch in Kirche

In der römisch-katholischen Kirche in Frankreich sind seit den 1950er Jahren nach Berechnungen einer unabhängigen Untersuchungskommission (CIASE) etwa 330.000 Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch geworden. 80 Prozent der Opfer seien Buben im Alter zwischen zehn und 13 Jahren gewesen, 20 Prozent Mädchen unterschiedlicher Altersgruppen. Bei den Taten habe es sich in fast einem Drittel der Fälle um Vergewaltigungen gehandelt.

Der Gründer des Opferverbandes La Parole Liberee, Francois Devaux, mahnte die Kirche bei der Vorstellung des in Frankreich mit Spannung erwarteten Berichts: „Sie müssen für alle diese Verbrechen bezahlen.“ Dabei werde es um Milliardensummen gehen. Die unabhängige Untersuchungskommission war 2018 von der katholischen Kirche in Frankreich als Reaktion auf den Missbrauchsskandal in der dortigen Kirche sowie weltweit beauftragt worden.