SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
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Rendi-Wagner

Steuerreform „weder ökologisch noch sozial“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat in der ZIB2 die Steuerreform als „weder ökologisch noch sozial“ kritisiert. Angesichts der vielen Kritikpunkte sollte die Koalition das Paket noch einmal aufschnüren. Die CO2-Bepreisung von Heizkosten sollten Vermieter statt Mieter tragen. Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte zuvor angesichts der Benachteiligung Wiens beim Klimabonus zuvor ein Aufschnüren gefordert. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) verteidigte die Regelung.

Rendi-Wagner führte an, dass es seit Veröffentlichung der Pläne vor allem Kritik und offene Fragen gebe. Als einzige Gewinner sieht sie jene fünf Prozent der Österreicher, die mehr als 5.000 Euro brutto verdienen, sowie die „großen Konzerne“, die mit der Senkung der Körperschaftssteuer ein Steuerzuckerl erhalten würden, das keinen einzigen Arbeitsplatz schaffe. Geringverdiener und der Mittelstand seien die Verlierer, sagte Rendi-Wagner mit dem Hinweis auf die kalte Progression.

Auch den Klimabonus, der ja nach Region unterschieden wird, sah sie kritisch. So würden Mindestpensionsbezieher, die mit Gas oder Öl heizen, in der Stadt weniger bekommen als am Land. ZIB2-Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher verwies darauf, dass in genau diesem Fall aber eine Lösung versprochen worden sei.

Steuerreform: Rendi-Wagner übt heftige Kritik

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist zu Gast in der ZIB2 – und lässt kein gutes Haar an der Steuerreform der türkis-grünen Bundesregierung.

Die Regierung „wäre sehr gut beraten“, das Paket noch einmal aufzumachen und mit Experten und Betroffenen zu sprechen, so Rendi-Wagner. Jedenfalls müsse es auch Möglichkeiten für Umstiege auf ökologischere Alternativen geben, sagte die SPÖ-Chefin, die mehrfach das Beispiel der zu teuren Elektroautos ins Treffen führte, Mieter hingegen hätten selbst gar nicht die Möglichkeit, ihre Heizung zu tauschen. Deswegen müsse man bei der CO2-Bepreisung den Hebel bei Vermietern ansetzen, damit diese für ein klimafreundliches Heizsystem sorgen.

„Das ist nicht ernst zu nehmen“

Ludwig sagte am Dienstag, er gehe davon aus, dass die Reform in dieser Form nicht komme, und klagte: „Die Steuerreform benachteiligt ganz stark den urbanen Raum und Wien besonders.“ Dass ausschließlich in Wien der niedrigste Klimabonus von 100 Euro jährlich pro Person ausbezahlt werde, sehe er zwar als „ganz besondere Wertschätzung“ – schließlich werde so Schwarz auf Weiß festgehalten, dass hier der öffentliche Verkehr gut ausgebaut sei.

Zugleich sei die Kategorisierung aber auch ungerecht – etwa weil am Stadtrand Personen, die auf der anderen Seite der Gemeinde- bzw. Bundesländergrenze leben, mehr bekommen. „Das ist nicht ernst zu nehmen“, sagte Ludwig – mehr dazu in wien.ORF.at.

Ludwig fordert Einbindung in Gespräche

Ludwig forderte – auch im Namen der Länder, Städte und Gemeinden, wie er betonte –, in die weiteren Gespräche eingebunden zu werden. „Wir sind ja auch eingebunden in die Finanzierung all dessen.“ Wien würde etwa durch die Reduzierung der Lohn- bzw. Körperschaftssteuer pro Jahr 450 Mio. Euro verlieren. Bei den Verhandlungen solle etwa darüber gesprochen werden, wie ein „sinnvolleres“ Bonussystem aussehen könne.

Steuerreform: Wien verlangt Korrekturen

Die Steuerreform der Bundesregierung sei weder ökologisch noch sozial, meint der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Weil die Bürgerinnen und Bürger seiner Stadt als einzige in Österreich beim Klimabonus den niedrigsten Ausgleich bekommen sollen, fordert Ludwig, das Paket noch einmal aufzuschnüren.

Ludwig kritisierte, dass es nötig sei, klimafreundliches Verhalten zu belohnen und nicht zu bestrafen. Für ihn sei die Reform weder ökologisch noch sozial, hielt er fest. Das betreffe etwa auch den Familienbonus, von dessen Erhöhung Betroffene mit kleinen Einkommen auch wenig hätten. Gewinner seien hingegen Gutverdienende, die klimaschädliches Verhalten an den Tag legen würden. Klimaschonendes Handeln würde hingegen schlechter bewertet.

Rot: Klimabonus Stufe eins (100 Euro)/orange: Stufe zwei (133 Euro)/hellgrün: Stufe drei (167 Euro)/dunkelgrün: Stufe vier (200 Euro)

Unverständnis in Linz

Harsche Kritik am Klimabonus kam am Dienstag auch vom Präsidenten des Oberösterreichischen Städtebundes und Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ), der von einem „Schildbürgerstreich“ sprach. Er sieht darin eine Benachteiligung für Stadtbewohnerinnen und -bewohner, die weniger CO2 verursachten, aber höhere Wohnkosten hätten als die Bevölkerung auf dem Land. Dass Linz zudem in derselben Stufe wie Bezirksstädte liege, verstehe er nicht – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Für Luger ist es „schlichtweg nicht nachvollziehbar“, nach welchen Kriterien die Klimabonus-Einstufung erfolgte, er habe vom Bund keine validen Daten erhalten. Vielleicht sei es so wie mit der CoV-Ampel, deren „Schaltung unbekannt ist“. Weiters ärgert ihn, dass „CO2-Sünder“ wie Häuselbauer auf dem Land, die „Boden versiegeln“ und „täglich mit dem Auto in die Stadt pendeln“, belohnt werden. Die Pläne der Bundesregierung bedeuten für ihn nichts anderes als: „Wer mehr CO2 verursacht, der bekommt mehr Geld.“ Das bezeichnete Luger als „Schildbürgerstreich“.

Erschließung durch öffentliche Verkehrsmittel: Einteilung in Güteklassen der Österreichischen Raumordnungskonferenz. Stand: 2020.

Blümel verweist auf U-Bahn-Gelder des Bundes

Im ORF-„Report“ bekräftigte Blümel, bei dem Ansatz, dass Wien als einzige Gemeinde den niedrigsten Bonus erhalten wird, bleiben zu wollen, und argumentierte mit entsprechenden Berechnungen der Statistik Austria. Der Finanzminister wies auch in mehreren weiteren Interviews („Kurier“, „Presse“) darauf hin, dass Wien gerade erst eine 50-prozentige Beteiligung des Bundes beim U-Bahn-Ausbau erhalten habe. Da sei Geld aus ganz Österreich in die Bundeshauptstadt geflossen.

Finanzminister Blümel zur Steuerreform

Die Steuerreform werde ihrem ökologischen und sozialen Anspruch nicht gerecht, kritisieren Opposition und NGOs an dem Prestigeprojekt der türkis-grünen Koalition. Finanzminister Gernot Blümel nimmt zu diesen Vorwürfen im Interview Stellung.

Blümel betonte zudem, dass weitere steuerliche Schritte in der Legislaturperiode zu erwarten sind. Im „Report“ betonte er das Vorhaben, die im Regierungsprogramm festgelegten Punkte umzusetzen. Dazu zählt eine Ökologisierung der Pendlerpauschale und eine Abschaffung der „kalten Progression“. Alles in einer Reform umzusetzen sei „ein bissl viel verlangt“. Sein Amt wird er übrigens entgegen manch medialer Spekulation nicht zurücklegen. „Natürlich“ bleibe er bis zum Ende der Legislaturperiode Finanzminister.

Innsbruck: Willi sieht gutes „Öffi“-Netz

Innsbrucks grüner Bürgermeister Georg Willi sagte, dass die Einstufung in die zweite Kategorie „effektiv mehr Geld“ für die Innsbrucker und Innsbruckerinnen bedeute. „Ich verstehe aber nicht, warum nicht alle gut erschlossenen Gebiete mindestens 133 Euro bekommen“, sagte Willi. Innsbruck „und zum Teil auch die Umlandgemeinden“ hätten jedenfalls ein sehr gutes „Öffi“-Netz. „In der Stadt gehen die Nutzer von Zeitkarten, also zum Beispiel Monats- oder Jahrestickets, auch seit Jahren stetig nach oben – eine Bestätigung für das gute Angebot und die nachhaltig gestalteten Tarife.“

Zweifel in Graz

Aus dem Umfeld der möglichen künftigen Grazer Bürgermeisterin und jetzigen Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ) hieß es, dass die Steuerreform die richtige Stoßrichtung habe. Die Idee, über Treibstoffpreise zu lenken, sei nicht neu, die Effekte dürften sich aber in Grenzen halten, sagte Kahr. Andere Maßnahmen wären besser, etwa die vergünstigte Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr in Graz. Die gibt es seit ein paar Jahren, aber es müsste der Zuschuss der Stadt wieder erhöht werden. Weiters wies die KPÖ darauf hin, dass Auspendler benachteiligt würden.

Straßenbahn in der Grazer Innenstadt
ORF.at/Roland Winkler
Österreichs Städte haben mit der Steuerreform keine rechte Freude

Städtebund alarmiert

Vor gravierenden Auswirkungen der Steuerreform auf die Gemeindefinanzen warnte das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) in einer Erhebung im Auftrag des Österreichischen Städtebundes. Bei einem Gesamtreformvolumen von 18 Mrd. Euro zwischen 2022 und 2025 sei mit einem Rückgang der Ertragsanteile für die Gemeinden inklusive Wien von rund 2,4 Mrd. Euro zu rechnen. Damit werde die Finanzierungslücke der Gemeinden noch verstärkt, die sich durch die Rückzahlungspflicht des CoV-Hilfspakets von einer Mrd. Euro ergibt.

Zu befürchten seien Leistungskürzungen und fehlende Investitionen in die kommunale Infrastruktur, sollte es keine grundlegenden Reformen zur Entlastung der Gemeindebudgets geben, hieß es in einer Aussendung am Dienstag. Das KDZ gab zudem zu bedenken, dass eine CO2-Steuer bei entsprechender Zweckwidmung zur Sicherung von wichtigen klimafreundlichen Investitionen der Kommunalebene hätte beitragen können, was aber versäumt wurde.

Kritik an Gießkannenprinzip

Der geplante Klimabonus lässt befürchten, dass der geplante Lenkungseffekt der CO2-Abgabe im Rahmen einer „unspezifischen, flächendeckenden Förderung“ egalisiert werde, wodurch sich insgesamt kein klimafreundliches Verhalten einstellen werde. Die einseitige Berücksichtigung der Erreichbarkeiten im öffentlichen Verkehr ohne Berücksichtigung der steigenden Heizkosten sei „nicht zweckmäßig“. Statt eines gezielten Ausgleichs der Mehrbelastungen von einkommensschwachen Haushalten würden die Mittel nach dem Gießkannenprinzip verteilt.

Plädiert wurde dafür, dass die CO2-Abgabe eine gemeinschaftliche Bundesabgabe sein sollte. Schließlich betreffe der Klimaschutz alle drei Gebietskörperschaftsebenen (Bund, Länder, Gemeinden). Zudem wäre im Sinne einer ökosozialen Steuerreform eine zumindest teilweise Zweckwidmung der CO2-Abgabe für klimafreundliche Maßnahmen und Investitionen sinnvoll gewesen.

Opposition und ÖAMTC unzufrieden

Anhaltende Kritik setzte es am Dienstag auch von der Opposition: Das System werde dadurch weder einfacher noch gerechter, und die Steuerlast sinke auch nicht, kritisierte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Ihre Partei forderte stattdessen die Abschaffung der kalten Progression, eine drastische Senkung der Lohnnebenkosten und eine wirkungsvolle CO2-Bepreisung.

Die FPÖ sah den Klimabonus durch steigende Heizkosten aufgefressen. FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach von Ernüchterung, denn der angekündigte Bonus reiche laut Medienberichten in vielen Fällen nicht einmal ansatzweise aus, um die stark steigenden Preise für das Heizen abzufedern.

Der ÖAMTC ortete indes eine Ungleichbehandlung bei der CO2-Besteuerung: Autofahrerinnen und Autofahrer würden viel stärker als Industrie und Luftfahrt belastet. Denn die Konsumentinnen und Konsumenten zahlten mit der Mineralölsteuer (MöSt) bereits jetzt eine hohe CO2-Abgabe, sagte ÖAMTC-Verkehrswirtschaftsexperte Martin Grasslober.