Parteizentrale der ÖVP in Wien
ORF.at/Roland Winkler
Razzien

ÖVP-Zentrale und Kanzleramt durchsucht

Am Mittwoch ist es zu mehreren Hausdurchsuchungen bei der ÖVP gekommen. Betroffen waren die ÖVP-Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse in Wien sowie das Bundeskanzleramt, bestätigte eine Sprecherin der APA. Die Volkspartei hatte bereits in den vergangenen Tagen öffentlich darüber spekuliert. Neu und überraschend ist der Grund: Offenbar geht es um Vorwürfe zu Zeitungsinseraten.

Bestätigt wurden indes die Informationen der „Presse“ (Onlineausgabe), wonach es auch bei engen Vertrauten von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Durchsuchungen kam. So wurden die Arbeitsplätze von Kanzlersprecher Johannes Frischmann, Medienbeauftragtem Gerald Fleischmann und Berater Stefan Steiner, dessen Arbeitsplatz sich in der Lichtenfelsgasse befindet, durchsucht. Laut „Standard“ wurden auch Smartphones beschlagnahmt.

Laut „Kurier“ fanden auch an den Privatadressen der Genannten Hausdurchsuchungen statt. Auch in einer Abteilung des Finanzministeriums habe eine Durchsuchung stattgefunden, schreibt die Zeitung. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) habe damit aber nicht zu tun, es gehe um Vorfälle vor seiner Amtszeit, so der „Kurier“.

Inserate und geschönte Umfragen?

Zunächst wurde angenommen, die Hausdurchsuchungen würden im Zusammenhang mit dem „Ibiza“-U-Ausschuss und den Casinos-Ermittlungen stehen. Laut „Presse“ und „Kurier" geht es aber um den „Verdacht von Geldflüssen gegen geschönte Umfragen“, die in der Zeitung „Österreich“ veröffentlicht wurden. Nach Informationen der APA geht es um Deals mit „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner noch vor Kurz’ Zeit als Regierungschef.

Laut „Presse“ wird auch gegen die ehemalige ÖVP-Familienministerin und Meinungsforscherin Sophie Karmasin, eine weitere Meinungsforscherin, die Mediengruppe Österreich sowie Helmuth und Wolfgang Fellner wegen Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Gegen den Kanzler werde, so die „Presse“, wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit ermittelt. Ebenfalls auf der Beschuldigtenliste steht der ehemalige ÖBAG-Chef und Generalsekretär des Finanzministeriums, Thomas Schmid. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bestätigte das auf APA-Anfrage nicht, kündigte aber eine Information im Laufe des Tages an. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Razzia in ÖVP-Zentrale und Bundeskanzleramt

In der ÖVP-Parteizentrale, im Bundeskanzleramt in Wien sowie an weitere Orten haben am Mittwoch Hausdurchsuchungen stattgefunden. Der Vorwurf der Untreue und Bestechlichkeit ist der Grund der Razzien.

Scheinrechnungen und Inserate

Laut dem Ö1-Mittagsjournal geht es auch um Untreue. Der Kern der Vorwürfe lautet, dass Umfragen im Interesse der ÖVP per Scheinrechnungen als Leistungen für Studien des Finanzministeriums abgerechnet worden seien, also das Finanzministerium Umfragen für Kurz bezahlt habe, berichtet Ö1. Zudem soll mit der Tageszeitung „Österreich“ eine Vereinbarung getroffen worden sein, dass im Zusammenhang mit Umfragen Inserate geschaltet wurden, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Ö1 zufolge.

Kurz soll den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Schmid, beauftragt haben, diese Vereinbarung zu treffen. Ferner soll der Kanzler Karmasin überredet haben, sich an Tathandlungen zu beteiligen, indem er einzelne Fragestellungen in Auftrag gegeben habe, die nur parteipolitischen Zwecken dienten. Auslöser für die Hausdurchsuchungen seien einmal mehr Chats von Schmid gewesen.

Mehrere Medien vermuten zudem den Ausgangspunkt für die Ermittlungen in Aussagen von Ex-FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl im „Ibiza“-U-Ausschuss. Sie hatte heuer Anfang Mai etwa gesagt, sie habe als Ministerin das Inseratenbudget ihres Ressorts um 80 Prozent gekürzt, „zum Schrecken vieler“. Der Zweck von Regierungsinseraten sei es, „guten Willen in der Berichterstattung zu erkaufen“, so Kneissl damals – mehr dazu in Kneissl über „Wünsche“ und „guten Willen“.

Schwarz sieht „Showeffekt“

Die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gabriela Schwarz sprach in einer Aussendung von mehreren im Umfeld der Volkspartei stattfindenden Hausdurchsuchungen. Sie zeigte sich sprach- und fassungslos, dass diese bereits vor Wochen gegenüber Journalisten angekündigt worden seien.

Offenbar gehe es um den „Showeffekt“: „Nach den falschen Anschuldigungen, die schon gegen Sebastian Kurz, Josef Pröll, Gernot Blümel, Hartwig Löger und Bernhard Bonelli und andere erhoben wurden, die sich mittlerweile alle als haltlos herausgestellt haben, werden nun weitere Vorwürfe konstruiert über Vorgänge, die teilweise fünf Jahre zurückliegen.“ Das passiere immer mit demselben „Ziel und System“, so Schwarz, nämlich „die Volkspartei und Sebastian Kurz massiv zu beschädigen“.

Ähnlich empört zeigte sich am Rande des Ministerrats ÖVP-Klubchef August Wöginger. Er sprach von einer „Unzahl an falschen Behauptungen“. Es gebe immer die gleichen konstruierten Vorwürfe, die einzig als Ziel hätten, der Volkspartei und Kanzler Kurz zu schaden. Die ÖVP werde dem politisch wie juristisch entgegentreten.

ÖVP-Klubchef Wöginger zu Hausdurchsuchungen in ÖVP-Zentrale

Mittwochfrüh ist es zu mehreren Hausdurchsuchungen bei der ÖVP gekommen, die Ermittler interessierten sich für Daten und Unterlagen von engen Vertrauten von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Betroffen waren Kanzlersprecher Johannes Frischmann, Medienbeauftragter Gerald Fleischmann, Berater Stefan Steiner und deren Arbeitsplätze im Kanzleramt und in der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse, bestätigte ein Sprecher von Kurz. Empört zeigte sich am Rande des Ministerrats ÖVP-Klubchef August Wöginger. Er sprach von einer „Unzahl an falschen Behauptungen“. Es gebe immer die gleichen konstruierten Vorwürfe, die einzig als Ziel hätten, der Volkspartei und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu schaden. Die ÖVP werde dem politisch wie juristisch entgegentreten.

„Österreich“ dementiert

Die Mediengruppe „Österreich“ ortete in einer Aussendung „offensichtlich schwere Missverständnisse“: Man führe wie die meisten andern Tageszeitungen regelmäßig Umfragen zu politischen Themen durch, jede Umfrage werde vom Verlag in Auftrag gegeben und zu marktüblichen Preisen bezahlt.

Zwischen den eigenen Umfragen und jenen vom Finanzministerium beim selben Institut bestellten gebe es „keinerlei Zusammenhang“. Die Vorwürfe von Absprachen wies die Mediengruppe zurück: Es habe keine Vereinbarung über eine Bezahlung von Umfragen durch Inserate gegeben. „Tatsächlich sind alle Inseratenzahlungen des Finanzministeriums durch das Transparenzgesetz offengelegt“, heißt es in der Aussendung.

Parteizentrale der ÖVP in Wien
ORF.at/Roland Winkler
Die ÖVP-Zentrale in Wien

Pressekonferenzen befeuerten Gerüchte

Über die anstehende Hausdurchsuchung war in den vergangenen Tagen schon spekuliert worden, nicht zuletzt aufgrund von zwei ÖVP-Pressekonferenzen. Schwarz hatte letzte Woche über Gerüchte über eine Hausdurchsuchung gesprochen. Finden werde man jedenfalls nichts, sollte es zur Hausdurchsuchung kommen, denn man sei in der ÖVP schon länger dazu übergegangen, all jene Daten regelmäßig zu löschen, zu deren Aufbewahrung man nicht gesetzlich verpflichtet sei: „Es ist nichts mehr da“, sagte Schwarz damals. Und „es ist auch nichts zu finden, denn es gibt definitiv nichts“.

Hanger sieht „linke Zellen in der WKStA“

Der ÖVP-Fraktionsvorsitzende im abgeschlossenen „Ibiza“-Untersuchungsausschuss, Andreas Hanger, ortete am Dienstag bei einer Pressekonferenz „linke Zellen“ bei der WKStA, warf dieser vor, „politisch motiviert“ vorzugehen, und befürchtete Hausdurchsuchungen in der ÖVP.

Kurz vor Hangers Pressekonferenz gab es Dienstagfrüh Razzien bei einer früheren Mitarbeiterin von Ex-ÖBAG-Chef Schmid, wie später via „Kurier“ bekanntwurde. Auch bei den Eltern der Mitarbeiterin und in der ÖBAG selbst sei nach einem USB-Stick gesucht worden, so die Zeitung. In ihrer Aussage bei der WKStA soll die Ex-Assistentin auf die Frage, ob sie noch Daten aus ihrer Zeit im Finanzministerium besitze, gesagt haben, sie wisse es nicht, „glaube es aber nicht“.

Laut Auskunft der Anwälte der Assistentin habe sie alle Dinge, die bei der Hausdurchsuchung von den Beamten mitgenommen worden sind, mittlerweile zurückerhalten. Offenbar sei nichts gefunden worden.

Opposition sieht sich bestätigt

Die Opposition sah die am Mittwoch bei der ÖVP und im Kanzleramt durchgeführten Hausdurchsuchungen als Bestätigung für den Korruptionsverdacht im Umfeld von Kanzler Kurz. „Für Kurz und die türkise Familie wird es immer enger“, kommentierte die SPÖ.

Die Hausdurchsuchungen seien ein „starkes Indiz dafür, wie dick die türkise Suppe mittlerweile ist. Das türkise Kartenhaus bricht krachend zusammen“, meinte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Dadurch sei klar, warum die ÖVP die vergangenen Tage so nervös gewesen sei. Deutsch nannte es „besonders letztklassig“, wie die ÖVP auf die Ermittlungen der unabhängigen Justiz reagiere: „Kurz ist auf Tauchstation und schickt seine Handlanger Schwarz und Hanger aus, um die unabhängige Justiz zu diskreditieren und in ihrer Aufklärungsarbeit zu behindern.“

FPÖ denkt über Untersuchungshaft nach

Für die FPÖ wiederum erhärte sich durch die Hausdurchsuchungen der Verdacht, „dass sich die türkise ÖVP-Spitze in den letzten Jahren zunehmend in eine kriminelle Organisation verwandelt hat“. Der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz stellte gar eine Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr in den Raum.

Razzia bei ÖVP: Heftige Kritik der Opposition

Die Oppositionsparteien üben aufgrund der Hausdurchsuchungen scharfe Kritik an der ÖVP. Die SPÖ fordert sogar den Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Zudem sei angesichts der jüngsten Aussagen aus der ÖVP klar, „dass die Hausdurchsuchungen verraten wurden“. Schnedlitz sei zu Ohren gekommen, dass Personen aus dem Umfeld des Kanzlers seit Tagen ihre Informanten aufgefordert hätten, „sämtliche Spuren dieses höchst brisanten Verrats von Amtsgeheimnissen zu beseitigen“.

NEOS: „Unwürdiges Beschädigen des Rechtsstaates“

Die „Verdachtsfälle rund um illegale Parteienfinanzierung und Stimmenkauf durch Inserate“ hätten sich spätestens seit dem „Projekt Ballhausplatz“ gehäuft, meinte NEOS. „Der türkisen Partie geht es nur um eines: Macht“, kritisierte NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos, der sich nun von der Volkspartei volle Kooperation mit den Ermittlern der Justiz erwartet: „Die türkise ÖVP muss ihr unwürdiges Beschädigen des Rechtsstaates umgehend einstellen und zur Aufklärung beitragen.“

Hoyos nahm in diesem Zusammenhang auch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) in die Pflicht: „Während die ÖVP seit Wochen systematisch die unabhängige Justiz mit haltlosen Vorwürfen beschießt, schaut die grüne Ministerin wort- und tatenlos zu.“

Nur knapp kommentierte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer die Vorgänge: „Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz. Die macht ihre Arbeit ohne Ansehen der Personen. Wir werden sehen, wie es weitergeht“, sagte sie vor dem Ministerrat.