Die Ko-Parteivorsitzenden der deutschen Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck im Gespräch mit FDP-Chef Christian Lindner
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Erste Weichen gestellt

Grüne und FDP wollen mit SPD sondieren

Nach der ersten Sondierungsrunde haben sich Grüne und FDP in Deutschland für den nächsten Schritt entschieden. Die beiden Parteien wollen – möglichst bald – ein erstes gemeinsames Sondierungsgespräch mit der SPD führen. Endgültig aus dem Rennen sind CDU und CSU damit zwar noch nicht. In der Union waren am Mittwoch dennoch die resignierenden Stimmen in der Mehrheit.

Den Anfang machten Mittwochvormittag die Grünen. Ihre Partei werde der FDP vorschlagen, eine „Ampelkoalition“ mit SPD und FDP zu sondieren, sagte Koparteivorsitzende Annalena Baerbock in Berlin. Deutschland könne sich keine lange Hängepartie leisten. Es solle zügig mit SPD und FDP losgehen.

Kurze Zeit später kam dann die Bestätigung der FDP: „Wir haben den Vorschlag eines Gesprächs mit der SPD angenommen“, sagte Parteichef Christian Lindner in Berlin nach internen Beratungen. Die FDP habe vorgeschlagen, „bereits morgen zu einem Gespräch zusammenzukommen“. Erst nach diesem Treffen wolle die FDP erneut über das weitere Vorgehen beraten.

„Jamaika“ nicht vom Tisch – aber „keine Parallelgespräche“

Der FDP-Chef erinnerte daran, dass seine Partei im Wahlkampf auf eine inhaltliche Nähe zur Union verwiesen habe. Trotz dieser „inhaltlichen Koalitionsaussage“ bleibe die FDP aber „eine eigenständige Partei“. Klar sei aber, dass sie nur in eine Regierung eintreten werde, „die den Wert der Freiheit stärkt“ und „einen echten Impuls für einen Aufbruch schafft“. Eine Koalition mit der Union aus CDU und CSU bleibe für die FDP eine Option. „Parallelgespräche“ mit der Union werde es – während die Sondierung mit SPD und Grünen laufe – allerdings nicht geben.

Die Ko-Parteivorsitzenden der deutschen Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck im Gespräch mit FDP-Chef Christian Lindner
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Schon am Donnerstag könnten laut Lindner die Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen starten

Auch der grüne Kochef Robert Habeck wollte eine Koalition mit Union und FDP noch nicht ausschließen. Die Union habe sich in den Vorgesprächen wirklich bemüht und sei den Grünen entgegengekommen. Trotzdem gebe es hier größere inhaltliche Differenzen. Bei einer „Ampelkoalition“ seien aus Sicht der Grünen derzeit die größten Schnittmengen denkbar, vor allem in der Gesellschaftspolitik. „Denkbar heißt aber ausdrücklich, dass der Keks noch lange nicht gegessen ist.“ Es gebe noch viele offene Punkte und auch Differenzen. „Viele Dinge sind noch nicht durchdiskutiert.“

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Ko-Parteivorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock
Reuters/Michael Kappeler
Für die Grünen sind mit der SPD „die größten Schnittmengen denkbar“

Scholz erfreut

Aus der Bundestagswahl am 26. September war die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Olaf Scholz als stärkste Partei hervorgegangen. Allerdings hatte auch der Spitzenkandidat der Union, CDU-Chef Armin Laschet, trotz hoher Verluste der Union den Kanzleranspruch gestellt. Grüne und FDP verhandelten in der Folge erst miteinander und versuchten anschließend getrennt jeweils mit der SPD sowie mit CDU und CSU mögliche Kompromisslinien auszuloten.

Scholz freute sich, dass es jetzt mit Grünen und FDP zu Sondierungen zur Bildung einer „Ampelkoalition“ kommt. „Morgen geht’s dann los“, sagte er am Mittwoch in Berlin. Die drei Parteien hätten einen gemeinsamen Auftrag bei der Bundestagswahl bekommen und müssten diesen nun umsetzen.

Söder: „Wahrscheinlich keine Regierung mit Union“

Laschet selbst sagte Mittwochmittag, er sei weiterhin zu Sondierungen mit den beiden Parteien bereit. Weitere Gesprächsbereitschaft signalisierte auch CSU-Chef Markus Söder. Die Union werde aber nicht „in einer Art Dauer-Lauerstellung“ liegen. Die Äußerungen von Grünen und FDP seien „eine klare Richtungsentscheidung“, so Söder. „Es wird sehr wahrscheinlich keine Regierung mit der Union geben.“

Wenig Hoffnung auf eine Koalition aus Union, Grünen und FDP machte sich auch der noch amtierende Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Soeben hat der Ampel-Zug den Bahnhof verlassen“, twitterte der Politiker. Zum ersten Mal seit 41 Jahren sprächen FDP und SPD (und die Grünen) ernsthaft über eine Koalition. „CDU/CSU sind Beobachter. Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen und zeigen, dass wir die Lektion vom 26.9. verstanden haben.“

CDU-Vizechefin Julia Klöckner sah ihre Partei vor einem weitreichenden Umbruch. „Nach 16 Jahren Regierungsführung stehen wir vor einer Zäsur. So hart das ist, aber wir müssen diese Situation jetzt als Chance begreifen“, sagte sie der „Rheinischen Post“.

„Eine Jamaika-Koalition hätte trotz einer schwierigen Ausgangslage eine Chance verdient“, meinte indes CDU-Präsidiumsmitglied und Gesundheitsminister Jens Spahn: „Aber man muss akzeptieren, dass es erst mal andere Gespräche gibt.“ Die Indiskretionen aus den Sondierungen nannte der CDU-Politiker „ätzend und verantwortungslos“. „Das ärgert mich maßlos“, fügte er hinzu.

Indiskretionen in erster Sondierungsrunde

Angesichts von Machtkämpfen und vermuteten Indiskretionen in der Union hatte es von Grünen und FDP zuletzt Kritik und teilweise auch Zweifel an der Regierungsfähigkeit von CDU und CSU gegeben. Erst am Dienstag waren erneut Details zu Aussagen der Grünen aus dem Gespräch mit CDU und CSU über die „Bild“-Zeitung an die Öffentlichkeit gekommen. Am Montag waren bereits Informationen zu den Gesprächen zwischen Union und FDP nach außen gelangt.

„Vertrauen bedeutet natürlich auch, dass alles nicht danach in der Zeitung steht“, sagte Baerbock nun, „aber wir vergeben keine Haltungsnoten, weder für uns selbst noch für andere.“ Politische Beobachter hatten zuletzt auch vermutet, dass die Indiskretionen von Unionsseite bewusst gesetzt wurden, um die Union als Koalitionspartner aus dem Rennen zu nehmen. Das sollte die Position von CDU-Vorsitzendem und Wahlverlierer Laschet weiter schwächen, so die Vermutungen.