Er sei schon „müde vom ständigen Streiten in der Politik“, sagte Babis am Dienstag in einem Interview mit dem Prager Rundfunksender Frekvence1. „Sollten wir in der Opposition landen, dann würde ich dort (im Abgeordnetenhaus, Anm.) nicht sitzen. Ich würde die Politik verlassen“, so der Regierungschef. Auch eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl, die für Jänner 2023 geplant ist, würde ihn dann nicht interessieren. Doch das scheint Expertinnen und Experten zufolge fast ausgeschlossen – trotz des Skandals der letzten Tage.
Laut den Veröffentlichungen der Pandora-Papers eines internationalen investigativen Journalistennetzwerks, an dem auch der ORF beteiligt ist, soll Babis 2009 mehrere Immobilien in Südfrankreich für 15 Mio. Euro gekauft haben. Die Transaktion sei über ausländische Briefkastenfirmen abgewickelt worden, was laut Kritikerinnen und Kritikern die Frage aufwirft, ob dabei nicht Geldwäsche und Steuerhinterziehung begangen worden seien.
„Ich habe nichts gestohlen“
Babis gestand den Kauf der Immobilien ein, wies aber jegliche Vorwürfe der rechtswidrigen Handlungen strikt zurück. „Ich habe nichts gestohlen, die Gelder waren versteuert“, sagte der 67-Jährige im TV-Sender Prima. Die Anschuldigen seien ein „weiterer Versuch“, ihn aus der Politik zu vertreiben und die bevorstehende Parlamentswahl zu beeinflussen, meinte der Milliardär.
Lang vorbei jedenfalls wirkt die Zeit, als Babis in die Politik ging. Vor rund zehn Jahren versprach er, mit der Korruption in Tschechien aufzuräumen. „Wir sind nicht wie die anderen“, lautet bis heute sein Motto. Die tschechische Polizeieinheit für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen kündigte indes an, die Informationen aus den Pandora-Papers zu prüfen. Die Opposition forderte Aufklärung. „Das trägt Anzeichen von Korruption“, sagte der Chef der Piratenpartei, Ivan Bartos.
Parlamentswahlen in Tschechien
In Tschechien hat Freitagnachmittag die zweitägige Parlamentswahl begonnen. Als Favorit tritt die liberalpopulistische Bewegung ANO von Premier Andrej Babis an, obwohl Babis in den letzten Tagen im Zusammenhang mit den Pandora-Papers unter Druck geraten ist. Die ersten Ergebnisse soll es erst am späteren Samstagnachmittag geben.
Migrationsthema im Mittelpunkt
Seinen Wahlkampfendspurt dürfte sich Babis anders vorgestellt haben. Erst vor wenigen Tagen holte sich der Gründer der populistischen ANO Schützenhilfe aus Ungarn. Mit seinem rechtsgerichteten Kollegen Viktor Orban besuchte Babis seinen Wahlkreis in Usti nad Labem. In der Industriestadt nahe der Grenze zum deutschen Bundesland Sachsen warnten beide Politiker vor den Gefahren, die Migration mit sich bringe.
„Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass Millionen Menschen aus Afghanistan hierherströmen werden“, sagte Orban im Fernsehen. Babis lobte den umstrittenen Grenzzaun im Süden Ungarns: „Wenn es diesen Zaun nicht gäbe, dann würde der kürzeste Weg zu Sozialleistungen in Deutschland über Tschechien führen.“

Die strukturschwachen Randregionen Tschechiens könnten die zweitägige Wahl zum Abgeordnetenhaus entscheiden. Letzte Umfragen sehen zwar Babis als Favoriten, doch es könnte knapp werden. Der Agentur Kantar zufolge würde die ANO auf 24,5 Prozent der Stimmen kommen. Die konservative Gruppierung Spolu (Gemeinsam) mit 23 Prozent und das Bündnis aus Piraten- und Bürgermeisterpartei mit 20,5 Prozent sind knapp auf den Fersen.
„Ich will nicht, dass in diesem Land ein Oligarch regiert“
Gegen die Piraten und die Bürgermeisterpartei schlägt Babis besonders aggressive Töne an. Sie eiferten für ein „muslimisches Europa“ und wollten Migranten in Wohnungen und Gartenhäusern zwangseinquartieren, behauptet der 67-Jährige. Vit Rakusan, der zur Doppelspitze des Oppositionsbündnisses gehört, wirft Babis vor, imaginäre Bedrohungen heraufzubeschwören.
„Wir sind ein Land, in dem seit der Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg kaum Fremde leben“, sagt der Vorsitzende der Bürgermeisterpartei. Auch Bartos von den Piraten, der Dreadlocks trägt und einen Doktortitel in Informatik hat, zeigte sich bei Wahlkampfauftritten kämpferisch: „Ich will nicht, dass in diesem Land ein Oligarch regiert.“
Pandemie sorgte für Umfragetief
Noch im Frühjahr hatte die Pandemie für ein Umfragetief der Regierungsparteien der Minderheitsregierung, ANO und CSSD, gesorgt. Kritikerinnen und Kritiker machten die wechselhafte Politik des Kabinetts für die mehr als 30.000 Pandemietoten mitverantwortlich. Babis bemüht sich hingegen, die Impfkampagne als seinen Erfolg darzustellen – und lässt sich die dritte Spritze geben. Mehr als die Hälfte der 10,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner sind vollständig geschützt.

In den europäischen Hauptstädten dürfte der Ausgang der Parlamentswahl aufmerksam verfolgt werden. Denn sie entscheidet darüber, wer das Land während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2022 lenken wird. Gerade erst hat sich Babis öffentlich gegen ein Ende des Verbrennungsmotors ab 2035 gestellt, wie es Brüssel fordert. Doch das sei Wahlkampfrhetorik, so der Politologe Josef Mlejnek zur dpa.
„Sme“: Aufdeckungen für Wahlausgang unerheblich
Für Babis ist es nicht die erste Finanzaffäre: Ermittelt wird gegen den gebürtigen Slowaken wegen mutmaßlicher Erschleichung von EU-Subventionen. Zudem hat die EU-Kommission Fördergeldzahlungen an die von ihm gegründete Agrofert-Firmenholding ausgesetzt. Hintergrund sind Vorwürfe, Babis stehe als Politiker und Unternehmer in einem Interessenkonflikt. Manche Kritikerinnen und Kritiker fordern gar, ihn von EU-Gipfeln auszuschließen.
Die slowakische Zeitung „Sme“ kommentierte am Mittwoch, es sei für einen Milliardär wie Babis nicht ausgeschlossen, dass er tatsächlich so große Summen als ganz legale Einnahmen habe. „Dann muss er diese aber mit Kontoauszügen offenlegen“, legte „Sme“ nahe. Ob die Pandora-Papers aber etwas an den Prognosen, die Babis trotz allem vorne sehen, ändern könnten, glaubt auch die Zeitung, die auf Politologen verweist, nicht. „Weil sein Wählerpotenzial fast ausschließlich aus solchen Kernwählern besteht, die ihm seine 25 bis 27 Prozent Stimmenanteil selbst dann garantieren würden, wenn er vor laufenden Kameras stehlen oder jemanden umbringen würde.“
Expertin: Pandora-Papers könnten Babis sogar stärken
Dem pflichteten Politikexpertinnen und -experten bei einer Onlinediskussion des IDM, des Renner Instituts und der Politischen Akademie am Donnerstag bei. Frühere Ermittlungen gegen Babis im Zusammenhang mit möglichem EU-Subventionsbetrug und Interessenkonflikt hätten dem Premier in Umfragen nicht geschadet, so etwa Petr Just von der Metropolitischen Universität Prag.
Deswegen erwarte er keine Auswirkungen der Pandora-Papers auf Wählerinnen und Wähler von Babis, höchstens könnten sie einige Babis-Gegner zu den Urnen bringen. „Ich erwarte nicht, dass es die Massen sind“, sagte er. Das Thema sei sehr komplex. Die Pandora-Papers werden „die Position von Babis stärken“, meinte gar die Chefredakteurin von Euractiv.cz, Aneta Zachova. Die Wählerinnen und Wähler des Premiers würden es mögen, wenn Babis gegen etwas ankämpfe, das die Medien schreiben.