Acht Jahre nach Gezi-Protesten erneut Prozess in Türkei

Acht Jahre nach den Gezi-Protesten wird heute in der Türkei eine Verhandlung wegen der regierungskritischen Demonstrationen gegen mehr als 50 Angeklagte fortgesetzt. In dem Prozess in Istanbul ist auch der seit fast vier Jahren inhaftierte Kulturförderer Osman Kavala angeklagt. Kavala sollte endlich aus der Untersuchungshaft entlassen werden, sagte Milena Büyüm von Amnesty International. Der einzige Zweck solcher „Massenprozesse“ sei Verzögerung.

Es ist die erste Verhandlung nach der Zusammenlegung des Gezi-Verfahrens mit einem eigentlich abgeschlossenen Verfahren gegen 35 Fußballfans. Den Angeklagten werden unter anderem Umsturzversuch und Spionage im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten vorgeworfen, im Fall von Kavala etwa zusätzlich auch in Zusammenhang mit dem Putschversuch 2016.

Während der Gezi-Proteste 2013 hatte der Fanclub des Fußballvereins Besiktas namens Carsi eine wichtige Rolle gespielt. Viele Carsi-Ultras nahmen an den Demonstrationen teil. Die Staatsanwaltschaft hatte den Fußballfans unter anderem vorgeworfen, die Gezi-Proteste als Vorwand genutzt zu haben, um die Regierung zu stürzen. Im Dezember 2015 wurden die Fans aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Internationale Kritik

Auch einige der im Gezi-Verfahren Angeklagten waren in erster Instanz bereits freigesprochen worden, unter ihnen war neben Kavala auch der in Deutschland lebende Journalist Can Dündar. Ein Berufungsgericht hatte aber entschieden, das Verfahren wieder aufzurollen.

Besonders die jahrelange Inhaftierung von Kavala ohne tatsächliches Urteil sorgt international für scharfe Kritik an der türkischen Justiz. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat 2019 etwa entschieden, dass es keine ausreichenden Gründe für Kavalas Haft gebe und er mit der Inhaftierung viel mehr zum Schweigen gebracht werden solle.

Der Europarat droht dem Land mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens, wenn Kavala nicht bis Dezember freigelassen werde.