„Die ÖVP ist aufgerufen, eine untadelige Person zu finden, die dieses Amt ausführen kann“, sagte Maurer. Sie war gemeinsam mit Kogler zum Treffen mit der SPÖ ins Parlamentsausweichquartier gekommen.
Der Vizekanzler und Grünen-Chef sprach dabei von „ganz gravierenden, schweren Vorhalten“, wodurch sich die Handlungs- und Amtsfähigkeit des Bundeskanzlers als gefährdet darstelle. Deshalb wolle er nun andere Möglichkeiten mit den anderen Parlamentsparteien ausloten.
Kogler über Gespräche mit Opposition
Nach Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) starten die Grünen am Freitag Gespräche mit allen Oppositionsparteien. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, haben davor noch ein Statement abgegeben.
„Ganz klar, dass so jemand nicht mehr amtsfähig ist“
Zur am Donnerstag erfolgten Festlegung der ÖVP auf Kurz meinte Kogler, das sei dem Regierungspartner unbenommen. Die ÖVP als staatstragende Partei habe aber mehrere Möglichkeiten der Personalauswahl, bei der nicht jahrelang schwere Gerichtsverfahren drohten. Kogler verwies auch auf einzelne kritische Stimmen von ÖVP-Spitzenpolitikern gegenüber Kurz. „Das müssen wir mitkalkulieren.“
Maurer sah das ähnlich. Es stünden schwere Vorwürfe, etwa Korruption und der Missbrauch von 1,3 Mio. Euro an Steuergeld, im Raum. Kurz werde künftig ständig damit beschäftigt sein, diese Vorwürfe zurückzuweisen. „Es ist ganz klar, dass so jemand nicht mehr amtsfähig ist“, sagte sie. Für jene, gegen die ermittelt wird, gilt die Unschuldsvermutung.
Zustimmung zu Misstrauensantrag offen
Dass die ÖVP niemand anderen nominiere, löste laut Maurer die nunmehrigen Gespräche aus. „Offensichtlich weigert sich die ÖVP, eine solche untadelige Person bereitzustellen, deswegen reden wir mit den anderen Parteien“, sagte Maurer. Ob die Grünen also beim Misstrauensantrag der Opposition am Dienstag mitgehen werden, wenn Kurz nicht ausgetauscht wird, ließ sie offen.

Rendi-Wagner: Liegt an den Grünen
Vor den Grünen war SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in den Bibliothekshof der Hofburg gekommen. Sie spielte – wie tags zuvor schon Kurz und die ÖVP – den Ball dem kleinen Regierungspartner zu. „Es liegt an den Grünen zu entscheiden, ob sie das System Kurz weiter stützen und unterstützen wollen“, sagte sie. Über mögliche Koalitionsvarianten ohne die ÖVP wollte sie nicht spekulieren.
Das Gespräch zwischen Rendi-Wagner und Kogler dauerte rund zwei Stunden. Danach hieß es in einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung: „Die gegen den Bundeskanzler und seinen engsten Kreis im Raum stehenden schwerwiegenden Korruptionsvorwürfe lassen nicht zu, zur Tagesordnung überzugehen. Aus Verantwortung für Österreich sind wir uns einig, dass es jetzt Stabilität und Ordnung braucht.“ Man habe ein „offenes, vertrauensvolles und tiefgehendes Gespräch“ geführt.
Gespräche auch bei Van der Bellen
Neben den Grünen führt auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen seine Gespräche weiter. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger war gegen Mittag bei Van der Bellen geladen. Am Nachmittag schließt FPÖ-Chef Herbert Kickl den Gesprächsreigen beim Bundespräsidenten ab.
Meinl-Reisinger sieht ÖVP am Zug
Anders als Rendi-Wagner sieht Meinl-Reisinger die ÖVP am Zug. Sie drängte auf den Rücktritt von Kanzler Kurz, habe dieser doch wieder einmal eine Krise im Land verursacht, wie sie vor ihrem Gespräch mit dem Bundespräsidenten sagte. Angesichts der Korruptionsermittlungen sei Kurz nicht mehr tragbar. Das schade Österreich auch im Ausland.
Wie es jetzt weitergeht, darüber wollte die NEOS-Obfrau nicht spekulieren. Es gebe die Möglichkeit, dass der Bundespräsident eingreife, aber auch dass das Parlament einem Regierungsmitglied das Misstrauen ausspreche, nannte sie die gängigen Optionen.

Kickl offen für Neuwahl
Die FPÖ sei bereit zu Gesprächen mit den anderen Parlamentsparteien – dabei müsse die FPÖ jedoch als gleichberechtigter Partner behandelt werden, sagte Parteichef Kickl am Freitag auf einer Pressekonferenz. Sollte das Parlament am Dienstag dem Kanzler das Misstrauen aussprechen, wäre für FPÖ-Chef Herbert Kickl die Duldung einer Dreierkoalition aus SPÖ, NEOS und Grüne durch die Freiheitlichen keine Option.

Kickl zeigte sich im Gegensatz zu den anderen Oppositionsparteien offen für eine Neuwahl. Gespräche über einen fliegenden Wechsel der ÖVP zu den Freiheitlichen schloss der FPÖ-Chef allerdings als „undenkbar“ aus. Er forderte die Grünen auf, nun Farbe zu bekennen. Nur Kurz als Kanzler auszutauschen würde nicht das „System Kurz“ beenden. Denn mittlerweile sei evident, dass die Türkisen einen Staat im Staat unterhielten, so Kickl.

Opposition fordert Rücktritt, ÖVP macht Mauer
Während die Opposition geschlossen den Rücktritt von Kanzler Kurz fordert und einen Misstrauensantrag einbringen wird, macht die ÖVP Kurz die Mauer. Nach dem Treffen der ÖVP-Länderchefs und der Parteispitze traten Klubobmann August Wöginger und der Tiroler Landeshauptmann Günter Platter am Donnerstagabend vor die Kameras. Ihre Botschaft: Die ÖVP stehe „hundertprozentig“ hinter Kurz sowie hinter dem mit den Grünen geschlossenen Regierungsabkommen. Es liege deshalb auch an den Grünen, wie es weitergehe, so Wöginger.
So hatten sich tagsüber bereits die Regierungsmitglieder geäußert. In einer gemeinsamen Aussendung hieß es: „Eine ÖVP-Beteiligung in dieser Bundesregierung wird es ausschließlich mit Sebastian Kurz an der Spitze geben.“ Rückendeckung kam ebenso von den ÖVP-Teilorganisationen.
Kurz betont erneut Unschuldsvermutung
Der Kanzler hatte rund um seinen Termin bei Van der Bellen gesagt, dass er und die ÖVP bereitstünden, um die Regierungsarbeit mit den Grünen fortzusetzen. Allerdings: „Wenn die Grünen die Zusammenarbeit nicht mehr fortsetzen und sich andere Mehrheiten im Parlament suchen wollen, ist das zu akzeptieren“, so Kurz
Türkis-Grün in der Krise
Nach den Hausdurchsuchungen am Mittwoch haben die Grünen am Donnerstag die Regierungsfähigkeit von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) infrage gestellt. Kurz selbst weist alle Vorwürfe zurück und möchte in jedem Fall weiterregieren.
Der Bundeskanzler pochte erneut auf die Unschuldsvermutung und wies die Korruptionsvorwürfe als falsch zurück. Es werde ihm etwas „unterstellt“. Es sei wichtig, dass die Justiz gegen jeden ermitteln könne, „unabhängig und fair“, sagte Kurz, und die Unschuldsvermutung sei stets ein Grundpfeiler der Verfassung gewesen. Er wolle sich mit „allen demokratischen und rechtlichen Mitteln wehren“.