Sebastian Kurz vor Pressevertretern
APA/Herbert Neubauer
„House of Kurz“

Internationale Medien zur ÖVP-Affäre

Seit dem Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein enges Umfeld hat die Causa auch in internationalen Medien ihren Niederschlag gefunden. Immer wieder fällt der Vergleich mit der Politthriller-Serie „House of Cards“, von einem „politischen Beben“ ist die Rede.

„Spiegel“, Hamburg

House of Kurz

Schöner als Sebastian Kurz es getan haben soll, kann man unsere Umfragen-geile Mediendemokratie eigentlich nicht vorführen. Wenn die Vorwürfe stimmen, sollen Kurz oder seine Unterstützer bei Demoskopen vorteilhafte Umfragen bestellt, oder besser: gekauft haben. Und zwar mit Steuergeldern. Auf dem Hype der vermeintlich künstlich verhübschten Umfragen entstand dann jenes Momentum, das Kurz erst zum Chef einer neuen, entkernten Österreichischen Volkspartei machte. Und schließlich zum Chef des ganzen Landes. Stimmen die Vorwürfe, würde diese Diskussion zeigen, wie manipulierbar Demokratien sind, die immer mehr Umfrage-Klitschen immer größere Bedeutung bei der Beurteilung politischer Prozesse zubilligen.

„Süddeutsche Zeitung“, München

Korruptionsgewohnheiten

Es geht allerdings nicht um eine Person allein und deren mutmaßliches Fehlverhalten. Zur Diskussion steht ein politisches System, das durch und durch verdorben ist. Machtmissbrauch, illegale Parteienfinanzierung, die Verstrickung von Medien und Politik, der Staat als Selbstbedienungsladen: All diese Missstände sind nicht erst seit Ibiza bekannt. Gemacht worden ist nur viel zu wenig dagegen. Mit der Folge, dass Österreichs Korruptionssumpf nun bis ins Kanzleramt reicht. Es ist dringend ein Neustart geboten, ein sauberer Schnitt.

„Taz“, Berlin

Kurz klammert sich an die Macht

Außer dem Bundespräsidenten und den eigenen Parteigranden kann niemand Kurz zur Aufgabe zwingen, solange die Koalition hält. Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass er auch aus Neuwahlen wieder als Sieger hervorgehen würde. Doch er riskiert damit eine Spaltung der Gesellschaft. Ähnlich wie in den USA, wo eine große Anzahl Konservativer Donald Trump unverbrüchlich die Treue hält, ist in Österreich die Fangemeinde von Sebastian Kurz durch Fakten nicht von ihrem Glauben abzubringen. Der Kanzler würde dem Land und wohl auch seiner Partei einen Gefallen erweisen, wenn er sich zumindest bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe zurückziehen würde. Aber so tickt Sebastian Kurz nicht.

„The Guardian“, London

Die jüngsten Anschuldigungen könnten eine frische Belastung für die Koalition der ÖVP mit den Grünen darstellen, die schon wegen eines früheren Skandals unter Druck gekommen war. Die „Ibiza-Affäre“ (…) hatte zum spektakulären Zusammenbruch von Kurz’ früherer Koalition mit der Rechtsaußenpartei FPÖ geführt. (…) Für den Moment sind Grüne Politiker aber vorsichtig geblieben, was die jüngsten Vorwürfe betrifft, die just kommen, nachdem die Regierung eine CO2-Steuer als Teil ihrer „ökosozialen“ Steuerreform präsentiert hat.

Dannhauser (ORF) zur Berichterstattung in ausländischen Medien

Claudia Dannhauser (ORF-ZIB-Innenpolitikredaktion) analysiert die Beobachtungen und Bewertungen der ausländischen Medien.

„Financial Times“, London

Bei der Untersuchung geht es im Kern darum, ob gefälschte Rechnungen im Finanzministerium ausgestellt wurden, um 1,2 Millionen Euro an Regierungsförderung an Pro-Kurz-Medien zu leiten, als Kurz 2016 und 2017 Außenminister war. In jener Zeit positionierte sich Kurz, um die Führung der ÖVP zu übernehmen. (…) Analysten sagen, die Ermittlungen würden wahrscheinlich die Probleme für die Koalitionsregierung aus Volkspartei und Grünen vertiefen. (…) Separat gegen Kurz laufende Ermittlungen wegen Falschaussage vor einem offiziellen Untersuchungsausschuss des Parlaments sind seit diesem Jahr ein Knackpunkt im koalitionsinternen Verhältnis. Die neue Untersuchung der WKStA ist aber bei Weitem schwerwiegender.

Politico.eu, Brüssel

Die Razzien und Anschuldigungen kommen zu einer bestehenden Zahl an Skandalen, die Kurz und seine engsten Verbündeten als übertrieben und sie gar nicht betreffend von sich gewiesen haben – darunter Ermittlungen wegen Bestechlichkeit in der ÖVP und die berüchtigte „Ibiza-Affäre“.

„Le Figaro“, Paris

Sebastian Kurz ist bereits Gegenstand von Ermittlungen wegen mutmaßlicher Falschaussage vor einem Parlamentsausschuss zu Korruption, bis dato ist er aber nicht angeklagt. (…) Diese neue Affäre könnte die Koalition der Konservativen mit den Grünen schwer beeinträchtigen, während sich die Scherereien der an der Macht befindlichen Rechten (ÖVP, Anm.) mit der Justiz vervielfältigen.

„L’Express“, Paris

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hat neuen Ärger mit der Justiz. Auf Skandale in Österreich abonniert, steht er nun im Visier von Korruptionsermittlungen. Laut der Staatsanwaltschaft wurden lobhudelnde Artikel und ihm günstige Meinungsumfragen im Gegenzug für Inseratenaufträge des schon damals ÖVP-geführten Finanzministeriums veröffentlicht.

„Il Manifesto“, Rom

Die Ära Kurz scheint am Anfang des Endes zu sein

Kurz steht einen Schritt vor dem Ende. Das politische Erdbeben in Österreich hält weiter an. Wie lang wird Kurz noch Kanzler bleiben? In Wien hat bereits die Suche nach einer Lösung begonnen, die dem Land Neuwahlen ersparen kann. Die Ära Kurz scheint am Anfang des Endes zu sein.

„Sole 24 Ore“, Mailand

Kurz verteidigt sich, doch seine Allianz mit den Grünen wackelt. Der Schatten einer Regierungskrise in Österreich wird länger. Der Kanzler gibt nicht auf und kann mit der Unterstützung seiner ÖVP-Minister rechnen.

„La Stampa“, Turin

Österreich ist mit einer Art von „House of Cards“ aus dem Jahr 2016 konfrontiert, als Kurz noch ein junger Außenminister mit vielen Hoffnungen war, der die ÖVP verjüngen wollte. Die ÖVP attackiert die Justiz und versetzt damit den grünen Koalitionspartner in Verlegenheit. Kurz leistet Widerstand, doch in Wien könnte sich eine politische Krise anbahnen, die zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren eine Regierung Kurz erschüttern würde.

„Hospodarske noviny“, Prag

Sebastian Kurz ist zwar unter den Staats- und Regierungschefs auf EU-Gipfeln immer noch der Jüngste, doch haben die Razzien im Kanzleramt und in der ÖVP-Zentrale seine steile Karriere in ihren Grundfesten erschüttert. Zwei Aspekte sind an der ganzen Affäre am schlimmsten: Zum einen wird der Eindruck bestärkt, dass sich Politiker in der Alpenrepublik wohlmeinende Berichterstattung mit öffentlichen Geldern kaufen können. Zum anderen untergräbt die Kurz-Affäre nicht nur das Vertrauen in die Politik, sondern auch in die Medien, deren Aufgabe es eigentlich sein sollte, die Politiker zu kontrollieren.

„Kathimerini“, Athen

Der Stern des österreichische Kanzlers ist im Sinken

Eine tiefe Regierungskrise ist in Österreich nach Ermittlungen zulasten des Kanzlers Sebastian Kurz bezüglich der Manipulation von Medien und Umfragen zugunsten seiner konservativen Volkspartei entstanden. Seine Regierungspartner, die Grünen, zweifeln an seiner Handlungsfähigkeit, das Land weiterzuregieren. Nach den dramatischen Entwicklungen schlagen einige Parteimitglieder (der Grünen, Anm.) bereits eine Koalition ohne Kurz vor.