FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl
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Kickl

Etwaige Koalition gegen ÖVP nur mit FPÖ

Angesichts der Korruptionsermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Umfeld haben die Parteien ihre Beratungsgespräche am Freitag fortgesetzt. Doch die Möglichkeiten für einen Ausweg aus der Regierungskrise werden zunehmend weniger. Am Freitag stellte etwa FPÖ-Chef Herbert Kickl klar: Eine etwaige Koalition gegen die ÖVP werde es nur mit den Freiheitlichen geben. Auch die Grünen schlugen klare Töne an.

Die Grünen trafen sich am Freitag sowohl mit den Oppositionsparteien als auch mit der ÖVP. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprach mit ÖVP-Klubchef August Wöginger. Details wurden aber nicht genannt. Treffen gab es zudem zwischen den Parteien und Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Bereits vor dem Termin bei Van der Bellen positionierte sich die FPÖ recht deutlich, was die politische Zukunft des Landes betreffe: Sollte das Parlament Kurz am Dienstag das Misstrauen aussprechen, wäre für Kickl die Duldung einer Dreierkoalition aus SPÖ, NEOS und Grünen durch die Freiheitlichen keine Option. Kickl forderte die anderen Parteien zu Gesprächen „auf Augenhöhe“ auf. Der FPÖ dürfe „keine Nebenrolle“ zugedacht werden.

Fliegender Wechsel zu ÖVP-FPÖ „undenkbar“

Gespräche über einen fliegenden Wechsel der ÖVP zu den Freiheitlichen schloss der FPÖ-Chef jedenfalls als „undenkbar“ aus. Mit den anderen Parteien habe es zum Teil schon telefonischen Kontakt gegeben. Ihm sei aber bis dato nicht klar, welche Optionen es für diese gebe. Der Ball liege nun aber ohnedies bei den Grünen, so Kickl: „Die Grünen müssen klar Farbe bekennen.“

FPÖ-Chef Kickl zu Hausdurchsuchungen

FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl beschreibt die Hausdurchsuchung im Bundeskanzleramt als einzigartig in der Zweiten Republik und hofft, dass das „in Zukunft erspart bleibt“.

Kickl offen für Neuwahl, keine Expertenregierung

Nur Kurz als Kanzler auszutauschen würde das „System Kurz“ nicht beenden. Denn mittlerweile sei evident, dass die Türkisen einen Staat im Staat unterhielten. Die Freiheitlichen stünden bereit, Gespräche darüber zu führen, wie man dem „türkisen Staat“ entgegentreten könne. „Es müssen aber nachhaltige Ansätze sein.“ Für Kickl ist auch eine Neuwahl eine Option: „Ich habe vollstes Vertrauen in die Wähler.“

Kickl war Freitagnachmittag als letzter der Klubchefs zu einem Gespräch bei Van der Bellen geladen. Vor dem Termin sprach sich Kickl zudem explizit gegen eine Expertenregierung aus, habe sich diese doch beim letzten Mal in Sachen Korruptionsaufdeckung nicht bewährt. Wenn die Apparate in den Ministerien dieselben blieben, ändere sich auch nichts.

Kickl vermisst klare Vorstellungen

Nach gut einer Stunde des „wertschätzenden“ Gesprächs bei Van der Bellen hat sich laut Kickl kaum Klarheit ergeben: Denn auch der Bundespräsident habe keinen Überblick, meinte der Freiheitliche, freilich mit der Anmerkung, dass das nicht dessen Schuld sei, da die anderen Parteien offenbar selbst keine klaren Vorstellungen geäußert hätten.

Dass er eine Zusammenarbeit von SPÖ, Grünen und NEOS nicht dulden würde, machte Kickl neuerlich klar. Er habe Van der Bellen gefragt, ob dieser dereinst als Grünen-Chef ein entsprechendes Minderheitskabinett aus FPÖ und ÖVP geduldet hätte und dieser habe klargestellt, dass auch er das nicht getan hätte.

Von Rendi-Wagner als Vorsitzender der zweitstärksten Partei würde sich Kickl erwarten, mit ihm einmal darüber zu sprechen, was sie sich eigentlich vorstelle. Bei den Grünen wiederum hat er weniger das Gefühl, dass es denen um Kontrolle und Aufklärung gehe, sondern mehr darum, einfach in irgendeiner Regierung vertreten zu sein.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
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Die Grünen müssten sich nun entscheiden, ob sie das „System Kurz“ weiter stützen wollten, so Rendi-Wagner

Rendi-Wagner: Liegt an den Grünen

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach am Donnerstag rund zwei Stunden mit Kogler. Sie spielte – wie tags zuvor schon Kurz und die ÖVP – den Ball dem kleinen Regierungspartner zu. „Es liegt an den Grünen zu entscheiden, ob sie das System Kurz weiter stützen und unterstützen wollen“, sagte sie. Über mögliche Koalitionsvarianten ohne die ÖVP wollte sie nicht spekulieren.

Nach dem Gespräch hieß es in einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung: „Die gegen den Bundeskanzler und seinen engsten Kreis im Raum stehenden schwerwiegenden Korruptionsvorwürfe lassen nicht zu, zur Tagesordnung überzugehen. Aus Verantwortung für Österreich sind wir uns einig, dass es jetzt Stabilität und Ordnung braucht.“ Man habe ein „offenes, vertrauensvolles und tiefgehendes Gespräch“ geführt.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger
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Meinl-Reisinger sieht den Ball nun bei der ÖVP und Kurz – dieser müsse angesichts der Korruptionsermittlungen zurücktreten

Meinl-Reisinger sieht ÖVP am Zug

Anders als Rendi-Wagner sieht Meinl-Reisinger die ÖVP am Zug. Die NEOS-Chefin war zu Mittag bei Van der Bellen geladen. Sie drängte auf den Rücktritt von Kanzler Kurz, habe dieser doch wieder einmal eine Krise im Land verursacht, wie sie vor ihrem Gespräch mit dem Bundespräsidenten sagte. Angesichts der Korruptionsermittlungen sei Kurz nicht mehr tragbar. Das schade Österreich auch im Ausland. Empört gab sich Meinl-Reisinger, dass die ÖVP trotzdem die Angriffe auf die Justiz fortsetze und versuche, die Institutionen des Landes „kaputt zu schießen“.

Wie es jetzt weitergeht, darüber wollte die NEOS-Obfrau nicht spekulieren. Es gebe die Möglichkeit, dass der Bundespräsident eingreife, aber auch dass das Parlament einem Regierungsmitglied das Misstrauen ausspreche, nannte sie die gängigen Optionen. Nach dem Gespräch mit Kogler zeigte sich Meinl-Reisinger überzeugt, dass es einen „Neustart“ brauche – und dass NEOS Teil dieses Neuen sein werde.

Grüne loten Alternativen aus

Vor Beginn der Gespräche mit der Opposition legten sich die Grünen eindeutiger als bisher gegen Kurz als Bundeskanzler fest. Sowohl Kogler als auch die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer sahen seine Amtsfähigkeit nicht mehr gegeben. „Die ÖVP ist aufgerufen, eine untadelige Person zu finden, die dieses Amt ausführen kann“, sagte Maurer. Sie war gemeinsam mit Kogler zum Treffen mit der SPÖ ins Parlamentsausweichquartier gekommen.

Der Vizekanzler und Grünen-Chef sprach dabei von „ganz gravierenden, schweren Vorhalten“, wodurch sich die Handlungs- und Amtsfähigkeit des Bundeskanzlers als gefährdet darstelle. Deshalb wolle er nun andere Möglichkeiten mit den anderen Parlamentsparteien ausloten.

Kogler über Gespräche mit Opposition

Nach Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) starten die Grünen am Freitag Gespräche mit allen Oppositionsparteien. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, haben davor noch ein Statement abgegeben.

„Ganz klar, dass so jemand nicht mehr amtsfähig ist“

Zur am Donnerstag erfolgten Festlegung der ÖVP auf Kurz meinte Kogler, das sei dem Regierungspartner unbenommen. Die ÖVP als staatstragende Partei habe aber mehrere Möglichkeiten der Personalauswahl, bei der nicht jahrelang schwere Gerichtsverfahren drohten. Kogler verwies auch auf einzelne kritische Stimmen von ÖVP-Spitzenpolitikern gegenüber Kurz. „Das müssen wir mitkalkulieren.“

Maurer sah das ähnlich. Es stünden schwere Vorwürfe, etwa Korruption und der Missbrauch von 1,3 Mio. Euro an Steuergeld, im Raum. Kurz werde künftig ständig damit beschäftigt sein, diese Vorwürfe zurückzuweisen. „Es ist ganz klar, dass so jemand nicht mehr amtsfähig ist“, sagte sie. Für jene, gegen die ermittelt wird, gilt die Unschuldsvermutung.

Grafik zu den Vorwürfen in der ÖVP-Affäre
Grafik: ORF.at

Dass die ÖVP niemand anderen nominiere, löste laut Maurer die nunmehrigen Gespräche aus. „Offensichtlich weigert sich die ÖVP, eine solche untadelige Person bereitzustellen, deswegen reden wir mit den anderen Parteien“, sagte Maurer. Ob die Grünen also beim Misstrauensantrag der Opposition am Dienstag mitgehen werden, wenn Kurz nicht ausgetauscht wird, ließ sie offen.

ÖVP will Regierung fortsetzen

Die ÖVP steht geschlossen hinter Kurz – von den Regierungsmitgliedern über die Länderchefs bis zu den Teilorganisationen – mehr dazu in noe.ORF.at. Der Tenor: Man unterstütze den Kanzler zu hundert Prozent, eine ÖVP-Beteiligung in der Regierung werde es daher ausschließlich mit Kurz an der Spitze geben.

Türkis-Grün in der Krise

Nach den Hausdurchsuchungen am Mittwoch haben die Grünen am Donnerstag die Regierungsfähigkeit von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) infrage gestellt. Kurz selbst weist alle Vorwürfe zurück und möchte in jedem Fall weiterregieren.

Der Kanzler selbst pochte mehrmals auf die Unschuldsvermutung und wies die Korruptionsvorwürfe als falsch zurück. Es werde ihm etwas „unterstellt“. Es sei wichtig, dass die Justiz gegen jeden ermitteln könne, „unabhängig und fair“, sagte Kurz, und die Unschuldsvermutung sei stets ein Grundpfeiler der Verfassung gewesen. Er wolle sich mit „allen demokratischen und rechtlichen Mitteln wehren“.

Die ÖVP stünde daher bereit, die Regierungsarbeit mit den Grünen fortzusetzen. „Wenn die Grünen die Zusammenarbeit nicht mehr fortsetzen und sich andere Mehrheiten im Parlament suchen wollen, ist das zu akzeptieren“, so Kurz.