Weitere Details zu ÖVP-Affäre in neuen WKStA-Akten

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat heute mehr als 500 Seiten ihrer Analysen und Berichte zur Akteneinsicht durch Anwälte und Beschuldigte freigegeben. Diese geben weitere Einzelheiten in die Vorgänge um die Machtübernahme von Sebastian Kurz in der ÖVP und die damit verbundenen Korruptionsvorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Informationen über geplante Parteiübernahme

Zu finden sind etwa Informationen über die orchestrierte Abwahl des früheren ÖVP-Chefs Reinhold Mitterlehner. Es gibt Hinweise, wie der damalige Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) aufs Abstellgleis kam, und es sind Hinweise zu finden, dass Kurz und der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, über längere Zeit gut befreundet waren.

Brisante Chatprotokolle zur ÖVP-Affäre

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat am Freitag mehr als 500 Seiten ihrer Analysen und Berichte zur Akteneinsicht durch Anwälte und Beschuldigte freigegeben. Diese geben weitere Einzelheiten in die Vorgänge um die Machtübernahme von Sebastian Kurz in der ÖVP und die damit verbundenen Korruptionsvorwürfe.

Als Mitterlehner 2019 sein Buch „Haltung“ veröffentlichte, tauschten sich Schmid und Kurz darüber aus. Schmid schrieb laut WKStA-Bericht: „Diese alten Deppen sind so unerträglich! Keiner musste sich jemals einer Bundeswahl stellen und den Schwachsinn der Vorgänger erklären! Du hast das alles erfolgreich geschafft und wir durften dabei mitarbeiten Mitterlehner ist ein Linksdilettant und ein riesen oasch!! Ich hasse ihn Bussi Thomas“. Und Kurz, damals Kanzler der türkis-blauen Regierung, antwortete: „Danke Thomas Super war dass Spindi heute ausgerückt ist. Das stört den Arsch sicher am meisten …“

Geld für Nachmittagsbetreuung: „Gar nicht gut“

Wie das Ö1-Mittagsjournal berichtete, schrieb Kurz zudem an Schmid im Zusammenhang mit Verhandlungen von Mitterlehner mit dem damaligen SPÖ-Kanzler Christian Kern über eine Lösung für Banken und 1,2 Milliarden Euro für Nachmittagsbetreuung für Kinder: „Gar nicht gut. Wie kannst Du das aufhalten?“ Unmittelbar danach schrieb er an Schmid: „Bitte, kann ich ein Bundesland aufhetzen?“

Und als Schelling in einer wichtigen Steuerfrage einen Kompromiss mit der SPÖ habe eingehen wollen, schrieb Schmid laut Ö1 an Mitarbeiter im Finanzministerium über den damaligen Finanzminister: „Habe mit Kurz geredet. Kurz war ganz klar. Kurz sagte, er will keinen Kompromiss und keine Lösung. Wenn er es macht, ist er draußen.“

„Kocher bringe ich auf Linie“

Darüber hinaus gibt es Chats, die den Verdacht erhärten, dass Schmid Druck auf das Institut für Höhere Studien (IHS), das damals unter der Leitung des nunmehrigen ÖVP-Arbeitsministers Martin Kocher stand, ausübte. Dieser hatte neben anderen Ökonomen die Pläne für eine umfassende Steuerreform kritisiert. Die WKStA fand etwa folgenden Satz in den Chats von Schmid – diesmal in einer Nachricht an Kurz: „Kocher bringe ich noch auf Linie. IHS vom BMF (Finanzministerium, Anm.) finanziert.“

Kocher nahm inzwischen zu den neuen Vorwürfen via Twitter Stellung. Es liege in der Natur der Sache und sei auch immer wieder vorgekommen, dass Institutionen und Personen Wünsche, Meinungen und Kritik zu Forschungsergebnissen und eine Interpretation derselben an ihn herangetragen hätten.

„Die Aufgabe des Direktors ist es in solchen Fällen, diese Wünsche und Interventionen zurückzuweisen. Das habe ich immer getan und auch sehr deutlich“, so Kocher.

Schellhorn weist Aussage „auf Linie“ zurück

Franz Schellhorn, der Leiter der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria, wird in den Chats ebenfalls angesprochen und als „voll auf Linie“ bezeichnet. Er verwehrt sich heute gegen diese Aussage. Er sei keineswegs „auf Linie“ gewesen, so Schellhorn in einer Stellungnahme gegenüber ORF.at, in der er auf Medienberichte verweist, die ein „völlig konträres Bild“ zeichneten. Kritik seinerseits, „so weit das Auge reicht“.