Ministerpräsident Andrej Babis
AP/Petr David Josek
Wahl in Tschechien

Knappe Niederlage für Babis

Die populistische Partei ANO von Ministerpräsident Andrej Babis hat bei der Parlamentswahl in Tschechien Verluste erlitten und dürfte hinter das konservative Oppositionsbündnis Spolu (Gemeinsam) zurückfallen. Dieses und ein linksliberales Oppositionsbündnis haben gemeinsam eine Mehrheit. Jedenfalls steht eine schwierige Regierungsbildung im Nachbarland bevor.

Als Sieger ging laut vorläufigen Ergebnissen das Mitte-rechts-Bündnis Spolu (Gemeinsam) aus der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), der christdemokratischen Volkspartei (KDU-CSL) und der bürgerlich-liberalen TOP 09 mit 27,8 Prozent aus der Abstimmung hervor. Babis’ Partei ANO erreichte demzufolge 27,1 Prozent.

Von den 200 Sitzen im Unterhaus des Parlaments dürften 108 an das Mitte-rechts-Bündnis und an die liberale Formierung Piraten/Bürgermeister (15,5 Prozent) gehen. Beide Gruppen haben bereits vor der Wahl erklärt, sie lehnten jegliche Zusammenarbeit mit Babis ab. Ernannt wird ein Ministerpräsident laut Verfassung vom Staatspräsidenten. Das ist der mit Babis verbündete 77-jährige Milos Zeman.

ODS-Chef Petr Fiala
AP/Vit Simanek
Spolu-Spitzenkandidat Fiala (vorne r.) siegte mit seinem Bündnis mit dünnem Vorsprung

Den Einzug ins Unterhaus schaffte außerdem die rechtspopulistische und islamfeindliche Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) von Tomio Okamura mit 9,6 Prozent. Keine andere Partei wird in dem künftigen Abgeordnetenhaus vertreten sein. Die bisher mitregierenden Sozialdemokraten (CSSD), die Kommunisten (KSCM) und die neue Partei Prisaha (Schwur) des ehemaligen Elitepolizisten Robert Slachta blieben alle unter der fünfprozentigen Wahlhürde.

Warten auf Zeman

Die Aufmerksamkeit konzentriert sich unterdessen darauf, wen Staatspräsident Zeman mit der Regierung beauftragen wird. Früher hatte er erklärt, es werde der Kandidat der stärksten Partei, nicht des stärksten Wahlbündnisses sein. Zeman, der als Babis’ Verbündeter gilt, reagierte auf das Wahlergebnis bisher nicht. Er empfängt am Sonntag Babis in der Präsidentenresidenz im mittelböhmischen Lany, teilte Zemans Sprecher Jiri Ovcacek mit.

Samstagabend gestand Babis seine Niederlage ein und gratulierte Spolu-Spitzenkandidaten und ODS-Chef Petr Fiala. Dieser habe einen „hervorragenden Endspurt“ gehabt. Babis sprach für seine Bewegung über ein „vorzügliches Wahlergebnis“, beschwerte sich aber zugleich, dass „fünf Parteien“ gegen ihn gestanden seien, die als Ziel hatten, ihn aus der Politik zu bringen. Fiala sprach über den „Sieg einer anständigen Politik der Werte“.

Babis wäre bereit für Koalitionsgespräche

Babis will nun auf die Entscheidung von Zeman warten. Denn eigentlich sei ANO die stärkste Partei. Am Abend teilte er mit, sollte dieser ihn beauftragen, werde er Gespräche zur Bildung einer Koalition führen. Vor der Wahl hatte Babis erklärt, dass er die Politik verlassen werde, falls seine Bewegung in der Opposition enden sollte.

Der tschechische Präsident Milos Zeman
Reuters/David W Cerny
Präsident Zeman gilt als Vertrauter von Babis

Der Ehrenvorsitzende der TOP 09, Karel Schwarzenberg, sagte am Samstag, Zeman werde den Auftrag bestimmt an Babis erteilen und „wird versuchen, ihn (Babis, Anm.) bis zum Ende seiner Präsidentenamtsperiode zu halten“. „Er ist geschickt. Er interpretiert die Verfassung, wie es ihm passt“, so Schwarzenberg.

Kritik an Umgang mit Pandemie

Babis, der für eine zweite Amtszeit angetreten war, steht wegen seiner CoV- und Schuldenpolitik in der Kritik. Zudem wirft die Opposition dem Gründer des Konzernimperiums Agrofert Interessenkonflikte vor. Wenige Tage vor der Abstimmung waren in Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Pandora-Papers zudem persönliche Geschäfte des Regierungschefs in Steueroasen bekanntgeworden. Der 67-jährige Milliardär bestreitet ein Fehlverhalten.

Im Wahlkampf hatte Babis versprochen, weiter die Löhne, Gehälter und Pensionen im öffentlichen Dienst zu erhöhen. An der großzügigen Ausgabenpolitik aus der Coronavirus-Zeit hatte Babis festgehalten, obwohl sich die Lage im Land entspannt hat. Die Opposition warf ihm in der Pandemie ein chaotisches Krisenmanagement vor. Tschechien hat mit mehr als 30.000 CoV-Toten einen der europaweit höchsten Anteile an pandemiebedingten Sterbefällen an seiner Bevölkerung.

Mit einem Sieg der Opposition könnte sich das Verhältnis Tschechiens zur EU verbessern, weil zumindest der Streit um Interessenkonflikte aus der Welt wäre. Eine Niederlage für Babis, der im Wahlkampf gegen Einwanderung und gegen die EU ins Feld gezogen ist, würde das Land zudem politisch von Ungarn und Polen entfernen, die mit Brüssel in juristischen Fragen rund um das Demokratieverständnis über Kreuz liegen.

Millionär als Regierungschef

Der gebürtige Slowake ist einer der reichsten Männer Tschechiens. Sein Mischkonzern Agrofert ist vor allem in der Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion sowie im Chemie- und Mediensektor tätig. Als Unternehmer hatte Babis in der Vergangenheit auch millionenschwere EU-Subventionen erhalten. In Brüssel wird das als Interessenkonflikt betrachtet, die neu gegründete EU-Staatsanwaltschaft ist damit betraut.

Die tschechische Staatsanwaltschaft ermittelt außerdem wegen Betrugs mit EU-Mitteln gegen Babis. Die verschiedenen Vorwürfe hatten dem Populisten in der Vergangenheit politisch allerdings kaum ernsthaft geschadet. Zuletzt kam Babis wegen Offshore-Geschäften, die via das Pandora-Papers-Leak bekanntwurden, kurz vor der Wahl in Bedrängnis.

Die Wahlbeteiligung lag mit voraussichtlich knapp 65 Prozent deutlich über dem Wert von 2017. Damals waren knapp 61 Prozent der Berechtigten zur Wahl gegangen.