Bundespräsident Alexander Van der Bellen
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Van der Bellen

„Regierungskrise ist beendet“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat nach höchst turbulenten innenpolitischen Tagen Sonntagabend erklärt: „Diese Regierungskrise ist beendet.“ Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Kanzler im Gefolge des ÖVP-Korruptionsskandals werde er am Montag Alexander Schallenberg (ÖVP) als neuen Kanzler sowie einen neuen Außenminister, dessen Namen er nicht nannte, angeloben. Dezidiert nahm der Bundespräsident Schallenberg und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) persönlich in die Haftung für eine funktionierende Zusammenarbeit.

Zunächst bedankte sich Van der Bellen bei Kurz für seinen Rückzug. Damit habe er Schaden vom Amt ferngehalten und einen Beitrag zum Schutz der Integrität der Institutionen der Republik geleistet. Auch allen anderen Parteichefs und allen weiteren Entscheidungsträgern, etwa den Landeshauptleuten, dankte Van der Bellen dafür, unter großem Zeitdruck im Interesse des Landes an einer Lösung gearbeitet zu haben.

Van der Bellen machte klar, dass mit der Kanzlerrochade keineswegs alles in bester Ordnung sei. Das Vertrauen in die Politik sei „massiv erschüttert“ worden. Es liege an allen politischen Verantwortlichen, „vor allem aber an den Regierenden“, dieses Vertrauen durch „ernsthafte und konzentrierte Arbeit“ rasch wiederherzustellen.

Van der Bellen: „Diese Regierungskrise ist beendet“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte in einer Stellungnahme am Sonntag, dass die Regierungskrise beendet sei. Er strich hervor, dass durch die Ereignisse der letzten Tage einmal mehr das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik massiv erschüttert worden sei. Dieses Vertrauen müsse wieder hergestellt werden, so Van der Bellen.

Hausaufgaben für Regierungsduo

In den letzten Tagen sei viel über „Handlungsfähigkeit“ geredet worden. Diese habe eine Voraussetzung, nämlich „wechselseitiges Vertrauen“. Das müsse nun unter der Führung des neuen Kanzlers Schallenberg und des Vizekanzlers Kogler „erarbeitet werden“, gab er ihnen eine erste Hausaufgabe mit auf den Weg. „Beide wollen zusammenarbeiten“, und diese Zusammenarbeit „muss auch funktionieren“. Beide hätten ihm versichert, dass es eine tragfähige Basis gebe. „Beide tragen persönlich Verantwortung, beide stehen dem Land, Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, im Wort“, so Van der Bellen.

Nach den letzten Tagen, in denen die Grünen angesichts der schweren Vorwürfe gegen Kurz und sein engstes Umfeld eine weitere Zusammenarbeit von einem Rücktritt Kurz’ abhängig gemacht hatten und Kurz im Gegenzug mit dem Ultimatum, dass die ganze ÖVP-Mannschaft mit ihm abtreten werde, reagiert hatte, waren laut Zweifel geäußert geworden, dass die beiden Parteien noch eine gemeinsame Basis finden können.

Stellt sich vor Justiz

Angesichts des Sittenbilds und der Respektlosigkeit, „die wir gesehen haben“, wolle er nicht achselzuckend zur Tagesordnung übergehen. Van der Bellen entschuldigte sich „in aller Form“ für das Bild, das die Politik abgegeben habe. Er erwarte sich nun eine fokussierte Arbeit, um die anstehenden Probleme – in der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt, in der Sozialpolitik und angesichts der Klimakatastrophe – zu lösen. Für all das brauche es vor allem auch ein Budget. Der Bundespräsident betonte einmal mehr, er erwarte, dass die Justiz ungestört arbeiten könne – frei von pauschalen Angriffen und Urteilen.

Gemeinsame schriftliche Stellungnahme

Schallenberg und Kogler hatten zuvor am Sonntag gemeinsam ein längeres Gespräch geführt und sich auch jeweils getrennt mit Van der Bellen beraten. Am Nachmittag erreichte dann eine knappe gemeinsame schriftliche Stellungnahme von Schallenberg und Kogler die Redaktionen: Bei dem Treffen sei „in vertrauensvoller Atmosphäre“ das weitere Vorgehen besprochen worden. „Die vielen Vorhaben, die geplant sind, wie die ökosoziale Steuerreform oder das Budget, werden wie geplant weiter umgesetzt.“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne)
APA/Georg Hochmuth
Nach Schallenberg hatte auch Kogler einen Termin beim Bundespräsidenten

Kogler: Letzte Tagen waren Bewährungsprobe

Nach dem Treffen mit Van der Bellen gab Kogler ein kurzes Statement ab: Er sprach von den letzten Tagen als einer „Bewährungsprobe“ für die ganze Regierung. Er bedankte sich bei allen Akteurinnen und Akteuren auf Regierungs- wie Oppositionsseite, dann, wenn es darauf ankomme, bereit zu sein, gemeinsam Verantwortung für Österreich zu übernehmen und das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. „Ausdrücklich“ bedankte sich Kogler bei der ÖVP und bei Kurz für dessen „Schritt“, sprich Rücktritt als Kanzler. In den letzten Monaten habe man in der Regierung gemeinsam viel entschieden.

Kogler will nun ein „neues gemeinsames Kapitel“ aufschlagen. Man könne vertrauen, dass die Unabhängigkeit der Justiz erhalten bleibe. „Tun wir das rRichtige und denken wir zuerst an unser Österreich“, appellierte Kogler zum Abschluss.

Schallenberg will erst nach Angelobung Wort ergreifen

Vor Kogler war Schallenberg in der Hofburg zu Gast gewesen. Auf seinem Weg zu dem Gespräch mit Van der Bellen sprach er gegenüber Journalisten von einer „enorm herausfordernden Aufgabe und Zeit für uns alle“. Sein Avancement ist für Schallenberg eine „Überraschung“. Näheres will der Noch-Außenminister erst nach seiner Angelobung sagen. Vorab tat er kund, dass man ein unglaubliches Maß an Verantwortung zeige, ohne genau zu sagen, wen oder was er damit meint.

Grafik zu den Vorwürfen in der ÖVP-Affäre
Grafik: ORF.at

Gerüchtebörse im Außenministerium

Offen ist weiter, wer Außenministerin oder Außenminister wird. Dass Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) – sie ist derzeit für Europapolitik und Verfassung zuständig – das Außenministerium mit übernimmt, galt in ÖVP-Kreisen als eher unwahrscheinliche Variante. Stattdessen könnte ein Spitzendiplomat einspringen.

Kanzlerrochade: Ein Rückblick

Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Samstag seinen Rückzug aus dem Kanzleramt angekündigt. Der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) soll ihm folgen. Hier ein Rückblick der Ereignisse der vergangenen Tage.

An der Gerüchtebörse wird etwa der Generalsekretär im Außenministerium, Peter Launsky-Tieffenthal, gehandelt, der zwischenzeitlich unter Türkis-Blau auch als „Regierungssprecher“ fungiert hatte. Aus dessen Büro hieß es, man wisse noch nichts Konkretes zur Zukunft des Ressorts. Außerdem fiel der Name seines Vorvorgängers Michael Linhart, er ist aktueller Botschafter in Paris, und auch jener des aktuellen EU-Botschafters Österreichs, Nikolaus Marschik.