Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg
Reuters/Lisi Niesner
Schallenberg und Linhart

Angelobung soll Regierungskrise beenden

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird um 13.00 Uhr in der Hofburg einen neuen Bundeskanzler und einen neuen Außenminister angeloben: Alexander Schallenberg folgt Sebastian Kurz (beide ÖVP) als neuer Kanzler, Michael Linhart ersetzt Schallenberg als Außenminister. Van der Bellen setzt damit den formalen Schlusspunkt zur Regierungskrise. Abzuwarten bleibt freilich, ob und wie ÖVP und Grüne nach der Krise der letzten Tage wieder zu einer Zusammenarbeit finden.

Die Doppelangelobung – sie ist live in ORF2 und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen – hatte Van der Bellen in einer kurzen Ansprache Sonntagabend bereits angekündigt, allerdings den Namen des neuen Außenministers nicht genannt.

Die Entscheidung fiel offenbar kurzfristig erst in der Nacht. Van der Bellen hatte nach höchst turbulenten innenpolitischen Tagen Sonntagabend „diese Regierungskrise“ für beendet erklärt. Dezidiert nahm der Bundespräsident dabei den neuen Kanzler Schallenberg und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) persönlich in die Haftung für eine funktionierende Zusammenarbeit.

Vertrauen „massiv erschüttert“

Van der Bellen machte klar, dass mit der Kanzlerrochade keineswegs alles in bester Ordnung sei. Angesichts der bekanntgewordenen Korruptionsvorwürfe gegen Kurz und neun weitere Beschuldigte sei das Vertrauen in die Politik „massiv erschüttert“. Es liege an allen politisch Verantwortlichen, „vor allem aber an den Regierenden“, dieses Vertrauen durch „ernsthafte und konzentrierte Arbeit“ rasch wiederherzustellen.

Zugleich bedankte sich Van der Bellen bei Kurz für dessen Rückzug. Damit habe er Schaden vom Amt ferngehalten und einen Beitrag zum Schutz der Integrität der Institutionen der Republik geleistet. Auch allen anderen Parteichefs und allen weiteren Entscheidungsträgern, etwa den Landeshauptleuten, dankte Van der Bellen dafür, unter großem Zeitdruck im Interesse des Landes an einer Lösung gearbeitet zu haben.

Van der Bellen: „Diese Regierungskrise ist beendet“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte in einer Stellungnahme am Sonntag, dass die Regierungskrise beendet sei. Er strich hervor, dass durch die Ereignisse der letzten Tage einmal mehr das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik massiv erschüttert worden sei. Dieses Vertrauen müsse wieder hergestellt werden, so Van der Bellen.

Hausaufgaben für Regierungsduo

In den letzten Tagen sei viel über „Handlungsfähigkeit“ geredet worden. Diese habe eine Voraussetzung, nämlich „wechselseitiges Vertrauen“. Das müsse nun unter der Führung des neuen Kanzlers Schallenberg und des Vizekanzlers Kogler „erarbeitet werden“, gab er ihnen eine erste Hausaufgabe mit auf den Weg. „Beide wollen zusammenarbeiten“ und diese Zusammenarbeit „muss auch funktionieren“. Beide hätten ihm versichert, dass es eine tragfähige Basis gebe. „Beide tragen persönlich Verantwortung, beide stehen dem Land, Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, im Wort“, so Van der Bellen.

Nach den letzten Tagen, in denen die Grünen angesichts der schweren Vorwürfe gegen Kurz und sein engstes Umfeld eine weitere Zusammenarbeit von einem Rücktritt Kurz’ abhängig gemacht hatten und Kurz im Gegenzug mit dem Ultimatum, dass die ganze ÖVP-Mannschaft mit ihm abtreten werde, reagiert hatte, waren laut Zweifel geäußert geworden, dass die beiden Parteien noch eine gemeinsame Basis finden können.

Stellt sich vor Justiz

Angesichts des Sittenbilds und der Respektlosigkeit, „die wir gesehen haben“, wolle er nicht achselzuckend zur Tagesordnung übergehen. Van der Bellen entschuldigte sich „in aller Form“ für das Bild, das die Politik abgegeben habe. Er erwarte sich nun eine fokussierte Arbeit, um die anstehenden Probleme – in der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt, in der Sozialpolitik und angesichts der Klimakatastrophe – zu lösen. Für all das brauche es vor allem auch ein Budget. Der Bundespräsident betonte einmal mehr, er erwarte, dass die Justiz ungestört arbeiten könne – frei von pauschalen Angriffen und Urteilen.

Gemeinsame schriftliche Stellungnahme

Schallenberg und Kogler hatten zuvor am Sonntag gemeinsam ein längeres Gespräch geführt und sich auch jeweils getrennt mit Van der Bellen beraten. Am Nachmittag erreichte dann eine knappe gemeinsame schriftliche Stellungnahme von Schallenberg und Kogler die Redaktionen: Bei dem Treffen sei „in vertrauensvoller Atmosphäre“ das weitere Vorgehen besprochen worden. „Die vielen Vorhaben, die geplant sind, wie die ökosoziale Steuerreform oder das Budget, werden wie geplant weiter umgesetzt.“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne)
APA/Georg Hochmuth
Nach Schallenberg hatte auch Kogler einen Termin beim Bundespräsidenten

Warten auf erste Stellungnahme Schallenbergs

Gespannt wird auch auf das erste Statement des neuen Kanzlers gewartet. Er sagte am Sonntag, sich erst nach der Angelobung erklären zu wollen – etwa wie er seine neue Rolle anlegen und wie er das angeknackste Verhältnis mit den Grünen reparieren will. Gefragt werden wird er wohl auch dazu, wie er sein Verhältnis zu Kurz sieht und wie er die Zusammenarbeit mit diesem in dessen Funktion als ÖVP-Klubchef gestalten will. Am Sonntag hatte Schallenberg lediglich ganz allgemein von einer großen Überraschung und einer „enorm herausfordernden Aufgabe und Zeit für uns alle“ gesprochen.

Kogler: Letzte Tagen waren Bewährungsprobe

Koigler hatte am Sonntag die letzten Tage als „Bewährungsprobe“ für die ganze Regierung bezeichnet. Er bedankte sich bei allen Akteurinnen und Akteuren auf Regierungs- und auf Oppositionsseite, dann, wenn es darauf ankomme, bereit zu sein, gemeinsam Verantwortung für Österreich zu übernehmen und das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. „Ausdrücklich“ bedankte sich Kogler bei der ÖVP und bei Kurz für dessen „Schritt“, sprich dessen Rücktritt als Kanzler. In den letzten Monaten habe man in der Regierung gemeinsam viel entschieden.

Kogler will eigenen Worten zufolge nun ein „neues gemeinsames Kapitel“ aufschlagen. Man könne vertrauen, dass die Unabhängigkeit der Justiz erhalten bleibe. „Tun wir das Richtige und denken wir zuerst an unser Österreich“, appellierte Kogler zum Abschluss.

Die Vorwürfe in der ÖVP-Affäre

  • Untreue: Laut den Vorwürfen der WKStA wurde 2016 und 2017 Geld aus dem Finanzministerium unter falschem Vorwand für die Erstellung von Umfragen verwendet. Diese waren laut WKStA ausschließlich „parteipolitisch motiviert“, um dem „Fortkommen“ von Kurz zu dienen.
  • Bestechung und Bestechlichkeit: Um die Umfragen gemeinsam mit entsprechenden Berichten in der Tageszeitung „Österreich“ unterzubringen, sei ein Deal geschlossen worden: Inserate des Finanzministeriums im Abtasuch für redaktionelle Berichterstattung.
  • Beschuldigte: Daran beteiligt waren laut WKStA zehn Personen und zwei Verbände (ÖVP und Medienhaus Österreich). Die Beschuldigten gehören teilweise zum engsten Kreis um Kurz. Auch Kurz wird als Beschuldigter geführt. Er soll laut WKStA die inkriminierten Handlungen angestoßen haben. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.