Skyline von Pyongyang
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Überläufer berichtet

Drogen und Waffen brachten Nordkorea Geld

Nordkorea soll nach Angaben eines Überläufers jahrelang mit staatlich organisiertem Drogenhandel Devisen für die Herrscherfamilie Kim beschafft haben. Er sei in den 1990er Jahren mit der Aufgabe betraut worden, „revolutionäre Gelder“ zu beschaffen, sagte der Mann der BBC. Das bedeute Drogengelder. Indes sprach der heutige Machthaber Kim Jong Un von einer „düsteren Wirtschaftslage“ in seinem Land.

Der Mann, der unter dem Pseudonym Kim Kug Song erstmals in der Öffentlichkeit auftrat, soll jahrelang für den nordkoreanischen Geheimdienst gearbeitet haben und nun für den südkoreanischen Geheimdienst tätig sein. Die BBC berichtete am Montag, sie könne die Behauptungen des Mannes zwar nicht unabhängig überprüfen, jedoch sei es Journalistinnen und Journalisten gelungen, seine Identität zu verifizieren und bestätigende Beweise für seine Behauptungen zu finden.

Er schilderte der BBC eine nordkoreanische Führung, die verzweifelt versuche, mit allen Mitteln zu Geld zu kommen – vom Drogenhandel bis zu Waffenverkäufen im Nahen Osten und in Afrika. „Die Drogenproduktion in Nordkorea unter Kim Jong Il erreichte während des ‚Beschwerlichen Weges‘ ihren Höhepunkt“, so Kim Kug Song. Als „Beschwerlicher Weg“ wird in der Sprache der Diktatur die große Hungersnot in Nordkorea (1994–1998) unter Herrschaft des damaligen Machthabers Kim Jong Il, Vater von Kim Jong Un, bezeichnet.

Bericht: Crystal Meth hergestellt

„Nachdem ich mit der Aufgabe betraut worden war, habe ich drei Menschen aus dem Ausland nach Nordkorea geholt, im Ausbildungszentrum des Verbindungsbüros 715 der Arbeiterpartei eine Produktionsbasis aufgebaut und Drogen hergestellt“, erzählte der Mann. Dabei habe es sich um Methamphetamine, auch bekannt als Crystal Meth, gehandelt.

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un
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Kim Jong Un übernahm das Erbe seines Vaters, Kim Jong Il

Die BBC bezeichnete diese Schilderung als „plausibel“. Nordkorea hat eine lange Geschichte der Drogenproduktion – hauptsächlich Heroin und Opium. Ein ehemaliger nordkoreanischer Diplomat im Vereinigten Königreich, Thae Yong Ho, der ebenfalls übergelaufen ist, erklärte 2019 auf dem Osloer Freiheitsforum, das Land betreibe staatlich geförderten Drogenhandel und versuche, eine weit verbreitete Drogenepidemie im Land zu bekämpfen.

„Das gesamte Geld gehört dem nordkoreanischen Führer“

Doch solle man nicht denken, dass Kim Jong Il versucht habe, mit dem Drogengeld, die Hungersnot im Land zu lindern, so Kim Kug Song. „Zum besseren Verständnis: Das gesamte Geld in Nordkorea gehört dem nordkoreanischen Führer“, sagte er. „Mit diesem Geld baut er Villen, kauft Autos, Lebensmittel, Kleidung und genießt Luxus.“ Schätzungen über die Zahl der Todesopfer durch die anhaltende Lebensmittelknappheit in Nordkorea in den 1990er Jahren reichen von Hunderttausenden bis hin zu einer Million Menschen.

Eine weitere Einnahmequelle, so der Informant, seien illegale Waffenverkäufe an den Iran gewesen. „Es gab spezielle Mini-U-Boote und Halbtauchboote. Nordkorea war sehr gut im Bau solcher Spitzengeräte“, so Kim Kug Song. Laut Andrei Lankov, einem der weltweit führenden Kenner Nordkoreas, waren die Waffengeschäfte Nordkoreas mit dem Iran seit den 1980er Jahren ein offenes Geheimnis und umfassten sogar ballistische Raketen.

UNO warnte vor Waffenverkauf

Nordkorea hat seither die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen weiter vorangetrieben, obwohl das strengen internationalen Sanktionen unterliegt. Im September testete die Diktatur vier neue Waffensysteme, darunter einen neuen Langstreckenmarschflugkörper, ein Zugstartsystem für eine ballistische Rakete, eine Hyperschallrakete und eine Flugabwehrrakete. Die Technologie wird immer ausgefeilter. Kim Kug Song zufolge hat Pjöngjang auch Waffen und Technologie an Länder verkauft, die lange Bürgerkriege führen. In den letzten Jahren hat die UNO Nordkorea beschuldigt, Waffen an Syrien, Myanmar, Libyen und den Sudan zu liefern.

Kim Kug Song floh laut eigenen Angaben 2014 aus seinem Heimatland, weil er im Zuge von Säuberungsaktionen des aktuellen Machthabers Kim Jong Un Angst um sein Leben hatte. Sein Onkel etwa sei vom Regime getötet worden. In seiner Zeit in Nordkorea habe er aufgrund seiner Position in der Volksrepublik aber ein wohlhabendes Leben geführt, so Kim Kug Song, was selten sei. Seit seiner Flucht lebe er in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul und arbeite beim dortigen Geheimdienst.

Kim Jong Un: Wirtschaftslage „düster“

In seiner Rede zum 76. Gründungstag der regierenden Arbeiterpartei wies Kim Jong Un am Montag auf die prekäre wirtschaftliche Lage seines Landes hin. Nordkorea stehe vor der großen Aufgabe, die Staatswirtschaft anzupassen und zu entwickeln, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur KCNA den Machthaber. „Der einzige Weg, die beispiellose entscheidende Arbeit trotz der düsteren Lage dynamisch voranzutreiben, besteht darin, dass sich die gesamte Partei vereint.“

Staatsbedienstete sollten sich keine Privilegien oder bevorzugte Behandlung erhoffen und jederzeit überlegen, „ob ihre Arbeit die Interessen des Volks verletzt oder dem Volk Schwierigkeiten bereitet“. Laut KCNA wurde der Feiertag in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang mit mehreren Kunstaufführungen und einem Feuerwerk begangen. Eine Militärparade soll allerdings nicht abgehalten worden sein.

Internationale Sanktionen, die wegen Nordkoreas Atom- und Raketenprogrammen verhängt wurden, setzen die Wirtschaft des weitgehend isolierten Landes seit Jahren unter Druck. Hinzu kommen die Folgen schwerer Unwetter und Überschwemmungen. In einem Bericht eines Mitarbeiters der UNO, den die Nachrichtenagentur Reuters vergangene Woche einsehen konnte, heißt es, der schwächste Teil der Bevölkerung sei von Hunger bedroht, nachdem sich das Land während der Pandemie noch stärker abgeschottet habe. Die sich verschlechternde humanitäre Lage könne zur Krise werden.