Britischer Premier Boris Johnson
Reuters/Phil Noble
Parlamentsbericht

Desaströse Noten für Johnsons CoV-Politik

Ein Parlamentsbericht hat dem britischen Premierminister Boris Johnson ein schlechtes Zeugnis für seinen Umgang mit dem Coronavirus ausgestellt. Das Hinauszögern eines Lockdowns zu Beginn der Pandemie vergangenes Jahr war „eines der größten Versäumnisse im Bereich der öffentlichen Gesundheit“ in der Geschichte des Landes, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Untersuchungsbericht. Auch ein Urlaub in Krisenzeiten setzt Johnson nun zu.

Laut dem Parlamentsbericht über die CoV-Politik Johnsons hat der „falsche“ Ansatz der Regierung Menschenleben gekostet. Die Abgeordneten kritisierten nicht nur, dass die Regierung zu spät Ausgangssperren für die eigene Bevölkerung erlassen hatte – sie wiesen auch darauf hin, dass Großbritannien seine Grenzkontrollen erst sehr spät verschärft hatte.

Die Regierung habe das Coronavirus anfangs unterschätzt und mit falschen Modellen gearbeitet. Der Regierungskurs „hätte von allen stärker infrage gestellt werden müssen“, heißt es in dem Bericht. Die Parlamentsabgeordneten hatten für ihren Bericht zahlreiche Zeugen vernommen, darunter auch den umstrittenen Ex-Berater von Johnson, Dominic Cummings, der wegen der Missachtung von Quarantäneregeln nach seiner CoV-Erkrankung selbst in der Kritik stand.

Johnson landete auf Intensivstation

Eine unabhängige öffentliche Untersuchung der CoV-Politik der Regierung soll erst nächstes Jahr folgen. Während zahlreiche europäische Regierungen Anfang 2020 bereits ihre Grenzen abgeriegelt und Lockdowns erlassen hatten, hatte sich Johnson erst Ende März dazu durchringen können.

Kurz darauf landete Johnson selbst mit einer Infektion auf der Intensivstation, zahlreiche seiner Kabinettskollegen und Berater infizierten sich. Unter seinen Beratern waren damals lange Pläne von einer kontrollierten „Durchseuchung“ der Bevölkerung zirkuliert.

Urlaub bringt Johnson in die Bredouille

Weil Johnson trotz wachsender Sorgen vor steigenden Energiepreisen und Versorgungsengpässen in den Urlaub gefahren ist, muss er sich erneut Kritik gefallen lassen. „Meiner Ansicht nach ist jetzt nicht die Zeit für einen Premierminister, im Urlaub zu sein“, sagte der Chef des wegen hoher Energiekosten unter Druck geratenen Stahlkonzerns UK Steel, Gareth Stace, am Montag.

Energieintensive Industrien wie die Stahlbranche fordern seit Tagen vergeblich von der Regierung in London ein Signal der Unterstützung, um mit den großen Kosten zurechtzukommen. Großbritannien ist wegen seiner niedrigen Vorratshaltung besonders stark von dem globalen Anstieg des Gaspreises betroffen. Gleichzeitig wird in vielen Bereichen ein akuter Fachkräftemangel immer deutlicher spürbar. Auch sind die Versorgungsengpässe etwa wegen fehlender Lkw-Fahrer immer noch nicht behoben.

Schweigen über Kosten der Reise

Berichten zufolge soll sich Johnson im spanischen Marbella an der Costa del Sol in einer Luxusvilla aufhalten oder aufgehalten haben. Ob der Premier für die Kosten der Reise selbst aufkam, wollte ein Regierungssprecher am Montag nicht bestätigen. Jegliche veröffentlichungspflichtige Zuwendung werde wie üblich angezeigt, sagte der Sprecher.

Johnson hatte bereits vor zwei Jahren wegen eines von einem Gönner finanzierten Urlaubs in der Karibik Kritik einstecken müssen. Er wurde aber davon freigesprochen, die Verhaltensregeln für Abgeordnete gebrochen zu haben.