Rednerpult im Ausweichquartier des österreichischen Parlaments
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Nationalrat

Budgetrede unter besonderen Vorzeichen

Am Dienstag hat er noch einen Misstrauensantrag überstanden, am Mittwoch wird Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) seine Budgetrede halten. Dass es tatsächlich dazu kommt, ist dem Umstand zu verdanken, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz das Amt des Bundeskanzlers Alexander Schallenberg (beide ÖVP) überlassen hat. Sonst wäre die türkis-grüne Koalition wohl Geschichte gewesen – und mit ihr der Budgetentwurf. Und in dem könnten sich ein paar kleinere Überraschungen finden.

Blümel rechnet für das kommende Jahr mit einem gesamtstaatlichen Defizit von 2,3 Prozent der Wirtschaftsleistung und sinkenden Schulden, wie er im Vorfeld seiner zweiten Budgetrede vor Journalisten sagte. Im April hatte Blümel noch ein Minus von 4,3 Prozent und Rekordschulden von 89,6 Prozent erwartet.

Der Finanzminister geht davon aus, dass die Schuldenquote trotz der in mehreren Etappen geplanten Steuerreform von heuer 83,2 Prozent im kommenden Jahr auf 82,8 und dann weiter auf 72,5 Prozent im Jahr 2025 sinkt. „Das war so nicht vorhersehbar“, sagte Blümel. Als Gründe für die positivere Entwicklung nannte er das deutlich höhere Wirtschaftswachstum mit entsprechend steigenden Steuereinnahmen, die niedrigen Zinsen für die Staatsschulden sowie die gestaffelte Steuerreform, die nicht alle Entlastungen sofort wirksam werden lässt.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)
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Blümel bei der Nationalratssitzung am Dienstag

„Strukturelles Nulldefizit“ für 2025 angepeilt

Das gesamtstaatliche Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen soll nach einem großen Anstieg auf 8,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2020 heuer auf 6,0 Prozent sinken und 2022 auf 2,3 Prozent. 2025 soll das Minus bei 0,4 Prozent des BIP zu liegen kommen. In diesem Jahr soll dann auch ein (um Konjunkturschwankungen und Einmaleffekte bereinigtes) „strukturelles Nulldefizit“ erreicht werden.

Allein der Bund wird im kommenden Jahr 86,4 Mrd. Euro einnehmen (ein Plus von 14 Mrd. Euro) und 99,1 Mrd. Euro ausgeben. Damit bleibt ein Defizit von 12,6 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Für heuer hatte Blümel im Bundesbudget ursprünglich ein Defizit von 30,7 Mrd. Euro eingeplant. Tatsächlich dürfte aber auch die heurige Bilanz besser als ursprünglich befürchtet ausfallen. Das Bundesdefizit soll laut Finanzministerium heuer in etwa beim Wert von 2020 (22,5 Mrd. Euro) zu liegen kommen.

Vorab durchgesickerte Details

Den Schwerpunkt der Budgetplanung hat die Regierung mit der Steuerreform schon vorweggenommen, die genauen Zahlen werden erst unmittelbar davor mit dem Beschluss im Ministerrat bekannt. Einige Details waren aber schon im Vorfeld durchgesickert. Vorgesorgt werden muss für die Steuerreform, 750 Millionen Euro allein für die Senkung der Lohnsteuer. Zusätzliches Budget ist für die Studienförderung vorgesehen.

Mehr Geld für Asylbereich

Mehr Geld wird auch für den Asylbereich angesichts steigender Flüchtlingszahlen reserviert. Nach dem deutlichen Rückgang im Vorjahr ist die Zahl der Asylanträge heuer wieder angestiegen: 10.518 bedeuten fast eine Verdoppelung gegenüber den 5.657 Anträgen im ersten Halbjahr 2021. Im Budget schlägt sich das mit steigenden Kosten für die Grundversorgung und die sonstigen Leistungen nieder. Anstatt wie geplant leicht zu sinken, steigen die Ausgaben für das Fremdenwesen dem Vernehmen nach von heuer 315 auf knapp 350 Millionen Euro.

Teure Coronavirus-Krise

Weiterhin hohe Kosten verursacht die Coronavirus-Krise. Allein das Gesundheitsbudget von Minister Wolfgang Mückstein (Grüne) dürfte im kommenden Jahr um fast 1,2 Milliarden Euro über den ursprünglichen Plänen liegen – aber immer noch deutlich unter dem für heuer geplanten Budget. Hier fallen unter anderem Kosten für die Impfstoffbeschaffung und für die noch bis zumindest Ende März gratis möglichen Tests an. Keine großen Sprünge sind nach bisherigen Informationen aber im Sozialbereich vorgesehen. Von der angekündigten großen Pflegereform waren zuletzt nur Pilotprojekte budgetiert.

Investitionsprämie kostete 1,5 Mrd. Euro

Im Budget von ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher sind neben den 300 Millionen Euro für die Aktion „Sprungbrett“ (bis 2023) auch Mittel für die letzte Phase der Kurzarbeit vorgesehen. Die zur Ankurbelung der Konjunktur beschlossene Investitionsprämie soll das Wirtschaftsressort in den kommenden zwei Jahren noch einmal gut 1,5 Milliarden Euro kosten.

Erleichtert wird die Finanzierung durch den „Wiederaufbaufonds“ der EU, der auch den Breitbandausbau unterstützt. Für Letzteren zuständig ist Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), deren Budget laut der APA vorliegenden Informationen aus den Budgetverhandlungen um über 300 Millionen Euro steigen soll.

Bei ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann ist unter anderem eine Anhebung der Stipendien im kommenden Wintersemester eingepreist. Zuletzt erhöht wurden die Studienförderungen 2017 um 60 Millionen Euro. Damals ging es unter anderem um die Abgeltung der seit 2008 angelaufenen Inflation. Nun geht es um vier Jahre und eine entsprechend niedrigere Summe.

Klimaticket dank niedriger Zinsen „billiger“

Aufgestockt wird auch das Budget von Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) – allerdings weniger stark, als angesichts der Mehrkosten für das Klimaticket zu erwarten gewesen wäre. Den Mehrausgaben stehen hier Einsparungen von gut 300 Millionen Euro jährlich bei den ÖBB-Zuschüssen gegenüber. Hintergrund sind dem Vernehmen nach die niedrigen Zinsen und die damit entsprechend günstigen Kredite für den Infrastrukturausbau der Bahn. Im Klimabudget sind unter anderem Förderungen für die Modernisierung von Heizungen eingeplant.

Erste Etappe der Steuerreform wird schlagend

Noch nicht voll schlagend werden im kommenden Jahr die Kosten der Steuerreform. So wird die erste Etappe der Lohnsteuersenkung vorerst nur mit 750 Millionen Euro veranschlagt, weil die Senkung der zweiten Tarifstufe von 35 auf 30 Prozent erst zum 1. Juli schlagend wird. 2023 sollen die Kosten inklusive der zweiten Etappe auf knapp zwei Milliarden Euro steigen. Hier sinkt die dritte Tarifstufe – wieder zum 1. Juli – von 42 auf 40 Prozent. Auch die Anhebung des Familienbonus belastet das Budget erst ab 2023 nennenswert.

Mehr Geld für Kultur

Das Kulturbudget 2022 dürfte deutlich stärker steigen als ursprünglich geplant. Nach einem Plus von 30 Millionen Euro auf 496 Millionen Euro im Jahr 2021 werden die Ausgaben 2022 nicht wie ursprünglich veranschlagt auf 526 Millionen Euro steigen, sondern sogar auf fast 560 Millionen Euro, also um über zehn Prozent. Ein Posten ist etwa eine rund 20 Millionen Euro schwere Erhöhung der Basisabgeltung für die Bundesmuseen und Bundestheater.

Laut APA soll die Basisabgeltung für beide Bereiche erstmals seit Jahren stark angehoben werden. Laut Bundesvoranschlag 2021 erhielten die Bundestheater heuer rund 165 Millionen Euro sowie die Bundesmuseen rund 128 Millionen Euro, was einer Gesamtsumme von rund 293 Millionen Euro entspricht. Somit beträgt die geplante Erhöhung für das kommende Jahr rund sieben Prozent.

Beschluss im November

Weitere große Brocken sind Mehrausgaben für die Errichtung der Kinderoper der Staatsoper im Künstlerhaus, die schon bekannte Sanierung des Volkskundemuseums und der Praterateliers sowie die Sanierung von Festspielhäusern und diverse Förderungen.

Nach der Budgetrede am Mittwoch wird der Budgetentwurf am Donnerstag einer Ersten Lesung, also einer Analyse der Parlamentsklubs, unterzogen, ehe er zur weiteren Behandlung inklusive Expertenhearing in den Budgetausschuss wandert. Der Beschluss im Plenum ist im November geplant.