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ORF
ÖVP-Affäre

Nach Festnahme Debatte über Razzien

In der ÖVP-Inseratenaffäre hat es mit der Festnahme der Meinungsforscherin Sabine Beinschab den nächsten Paukenschlag gegeben. Für Spekulationen sorgte im Anschluss das Schweigen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Auf die von Medien aufgeworfene Frage, ob die hinter der Affäre stehenden Hausdurchsuchungen vorab verraten worden sein könnten, folgte am Dienstagabend ein Schlagabtausch zwischen Opposition und ÖVP.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch forderte per Aussendung Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auf, sofort zu den im Raum stehenden Vorwürfen Stellung zu nehmen. „Wenn sich herausstellt, dass Personen aus dem Innenministerium unter dem ehemaligen ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer bevorstehende Hausdurchsuchungen verraten haben, zeigt das einmal mehr, dass das türkise System alles versucht, um Aufklärung zu verhindern“, wie Deutsch mit Verweis auf einen entsprechenden Medienbericht weiter mitteilte.

Geht es nach FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz, liefere der hier angesprochene „Presse“-Artikel „einen Skandal der Sonderklasse“. Schnedlitz zufolge bestehe „kein Zweifel, dass die Meinungsforscherin den Tipp aus dem türkisen System hatte“. Zudem sei es „besorgniserregend zu beobachten, wie jeden Tag mehr Details über dieses türkise System an die Öffentlichkeit gelangen“, so Schnedlitz, dem zufolge Nehammer „endgültig nicht mehr tragbar“ sei. Stephanie Krisper von NEOS ortet in diesem Zusammenhang ein „türkises System“ im Innenministerium – und diese „Sümpfe“ müsse man „endlich trockenlegen“.

Neuer Paukenschlag in ÖVP-Inseratenaffäre

Die Meinungsforscherin Sabine Beinschab ist am Dienstag festgenommen worden. Ihr werden in der ÖVP-Affäre Untreue als Beteiligte und Bestechung als Beteiligte vorgeworfen. Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) soll sie Auftragsumfragen erstellt und dafür auch Scheinrechnungen gestellt haben. Die Festnahme erfolgte offenbar aus Verdunkelungsgefahr: Sie soll kurz vor der Hausdurchsuchung vergangene Woche die Festplatte ihres Computers gelöscht haben.

„Keinerlei Informationsweitergabe“

Vonseiten des Ressorts habe es „keinerlei Informationsweitergabe“ gegeben, teilte das Innenministerium am Abend in einer ORF.at vorliegenden Stellungnahme mit. Das Ministerium verweist in dieser zudem auf die „besondere Stellung“ des bei der WKStA-Amtshandlung „unterstützend“ tätig gewesenen Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK). Durch das BAK-Gesetz gesetzlich verankert habe dieses „keinerlei Berichtspflicht innerhalb des Bundesministeriums für Inneres – auch nicht an die Ressortleitung“, so das Ministerium, demzufolge das BAK zudem „erst kurzfristig vor den Durchsuchungen informiert“ worden sei.

Zur Verteidigung Nehammers zog zuvor auch die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gabriela Schwarz ins Feld. Die am Mittwoch vergangener Woche erfolgten Hausdurchsuchungen seien „im Vorfeld durch Medienanfragen an ihre Partei publik geworden“, heißt es dazu in einer Aussendung, in der Schwarz auch auf ihre eigene Pressekonferenz vom 28. September verweist.

„Wir haben tagelang unmissverständliche Anfragen von Journalistinnen und Journalisten über bevorstehende Hausdurchsuchungen im Umfeld der Volkspartei erhalten“, so Schwarz: „Dass SPÖ und FPÖ nun vereint versuchen, den Innenminister anzupatzen“, sei „nicht nur völlig realitätsfremd, sondern auch vollkommen absurd“.

„Presse“: Datenlöschung auch bei „Österreich“?

Hinweise auf eine anstehende Amtshandlung hätten Beobachtern zufolge durchaus ein genauer Blick auf die Ordnungsnummern des Casinos-Ermittlungsaktes nahegelegt. Darauf verweist in der ZIB2 der Wirtschaftsstrafrechtsexperte Robert Kert von der Wirtschaftsuniversität Wien. Laut „Presse“ sei der Termin für die Hausdurchsuchungen aber auch mehrfach verschoben worden. „Am 4. Oktober wurden Exekutive und Innenministerium informiert, dass die Razzia zwei Tage später stattfinden soll“, heißt es in der Zeitung.

Robert Kert, Experte für Wirtschaftsstrafrecht

Die in der ÖVP-Inseratenaffäre beschuldigte Meinungsforscherin Sabine Beinschab wurde am Dienstag festgenommen. Offenbar hat sie Festplatten gelöscht. In der ZIB2 ist Wirtschaftsstrafrechtsexperte Robert Kert (Wirtschaftsuniversität Wien).

Die „Presse“ berichtete zudem, dass es auch in der „Österreich“-Mediengruppe Versuche gegeben haben soll, Daten professionell löschen zu lassen. Mehrere Cybersecurity-Firmen seien angefragt worden, Daten aus Clouds und Messengerdiensten zu löschen. Begründet wurde das mit einem Security-Leak. Chefredakteur Niki Fellner spricht laut „Presse“ von einem „groben Missverständnis“. Man habe Ende August einen schwerwiegenden Fall von Cyberkriminalität im Haus entdeckt, bei dem versucht worden sein soll, hohe Rechnungsbeträge auf ein US-Konto umzuleiten. Ob Daten dann tatsächlich gelöscht wurden, ließ Fellner laut „Presse“ offen.

WKStA: Keine Informationen „zu laufenden Ermittlungen“

Von der WKStA gab es bis zum späten Abend indes weiter weder eine Bestätigung der Festnahme noch einer etwaige Beschuldigtenvernehmung Beinschabs. Laut APA hieß es am Nachmittag lediglich, dass man „derzeit“ keine Informationen „zu laufenden Ermittlungen“ bekannt gebe.

Grund für die Verschwiegenheit der WKStA könnte sein, dass die Befragungen Beinschabs zur angeblichen Festplattenlöschung, möglicherweise aber auch darüber hinaus nicht beendet waren. Darauf deutete laut APA etwa auch hin, dass die Rechtsvertreterin der Meinungsforscherin am Nachmittag telefonisch nicht erreichbar und somit womöglich bei einer etwaigen Beinschab-Befragung anwesend war.

Warten auf weitere Vorgangsweise

Grundsätzlich kann eine einer Straftat dringend tatverdächtige Person bei Vorliegen entsprechender Haftgründe 48 Stunden angehalten werden, wobei die Unterbringung in der Regel zunächst in der Arrestzelle eines Polizeikommissariats erfolgt. Ist eine weitere Haft erforderlich, muss der bzw. die Festgenommene binnen 48 Stunden dem zuständigen Gericht – im konkreten Fall dem Wiener Landesgericht für Strafsachen – übergeben werden.

Das Gericht prüft dann, ob gegebenenfalls gelindere Mittel angeordnet werden können oder ob Untersuchungshaft verhängt wird. Einen Antrag auf Verhängung der U-Haft über Beinschab hat die WKStA nach APA-Informationen am Dienstag noch nicht gestellt.

Beinschab werden in der ÖVP-Affäre Untreue als Beteiligte und Bestechung als Beteiligte vorgeworfen. Laut WKStA soll sie Auftragsumfragen erstellt und dafür auch Scheinrechnungen gestellt haben. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.