Stapel der Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)
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Von „klug“ bis „intransparent“

Lob und Kritik nach Budgetrede

Nach der Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat eine scharfe Kritik seitens der Oppositionsparteien nicht lange auf sich warten lassen. Auch Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB), Arbeiterkammer (AK) und Frauenorganisationen schlossen sich dem an. Lob kam unterdessen von Industriellenvereinigung (IV) und Wirtschaftskammer (WKO).

Direkt im Anschluss an die Rede im Parlament reagierten die Abgeordneten der Oppositionsparteien mit scharfer Kritik. Der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer nannte die präsentierten Zahlen eine „schlechte Nachricht für alle Arbeitnehmer und Pensionisten“, denn die Steuersenkung würden sie selbst zahlen. Krainer verwies hierbei auf die kalte Progression.

Zudem sei es ein „Geschenk“ an Besserverdienende. Auch sei es eine „schlechte Nachricht fürs Klima“, da sich die Maßnahmen wohl kaum auf den Klimaschutz auswirken würden, der Rechnungsabschluss werde als „das intransparenteste aller Budgets in die Geschichte eingehen“. „Seit Sebastian Kurz und die türkise Truppe regieren, ist die Steuerlast für die Österreicherinnen und Österreicher gestiegen, nicht gesunken. Wie so oft zeigt sich: Was sie sagen, hat mit der Wahrheit wenig zu tun,“ so Krainer.

SPÖ-Abgeordneter Jan Krainer
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Die Steuerreform ist laut Krainer eine „schlechte Nachricht“ – sowohl für die Arbeitnehmenden als auch für das Klima

FPÖ: Wirtschaft durch CoV-Politik „massiv“ geschädigt

Der FPÖ-Abgeordnete Hubert Fuchs kritisierte, dass die Coronavirus-Politik der Regierung „ein großes Loch“ in den Staatshaushalt gerissen habe. Dadurch sei die Wirtschaft „massiv geschädigt“ worden. Und der Wirtschaft gehe es nicht „wegen“, sondern „trotz“ dieser Regierung wieder besser. „Die Zahlen und Fakten beweisen es: Österreich ist weder gut durch die Krise gekommen, noch ist Österreich besser als andere EU-Mitgliedsstaaten durch die Krise gekommen“, so Fuchs.

Die Steuerentlastung verdiene ihren Namen nicht, habe sie doch keine Auswirkungen auf die Konjunktur. Es sei die „größte Mogelpackung in der Zweiten Republik“, da sich die Bürgerinnen und Bürger diese durch die kalte Progression selbst zahlen würden. Es würde sich folglich um eine „öko-asoziale“ Steuerreform handeln. Kritik äußert er auch an den geplanten Klimaschutzmaßnahmen.

Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)

Im Nationalrat hat Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) seine zweite Budgetrede gehalten. Auch nächstes Jahr wird der Bund wieder mehr ausgeben als einnehmen.

NEOS vermisst „Zukunftsfähigkeit“

Gerald Loacker, Arbeits- und Sozialsprecher von NEOS, erklärte in seinem Redebeitrag, dass er die „Zukunftsfähigkeit“ des Budgets vermisse und weder Aufschwung noch Stabilität noch Nachhaltigkeit darin sehe. Es brauchte einen mutigen Neustart mit einer umfassenden Entlastung und keine „Almosen“. Auch Loacker plädierte für die Abschaffung der kalten Progression. Das „türkise System“ sei machtversessen und nicht an echten Lösungen interessiert – von Klimazielen sei man etwa mit 30 Euro pro CO2-Tonne „weit entfernt“.

„Wir sehen, dass das Schuldenmachen auf Kosten der nächsten Generation munter weitergeht“, sagte NEOS-Budget- und Finanzsprecherin Karin Doppelbauer.

„Und wir sehen, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer weiter auf eine echte Entlastung warten und die Lohnnebenkosten nicht angefasst werden.“ Damit gerate der Standort Österreich weiter unter Druck. „Der Finanzminister kann noch so oft ‚Zukunft‘ sagen, in diesem Budget ist einfach keine Zukunft drinnen“, so Doppelbauer.

Abgeordnete der Regierungsparteien verteidigen Budget

„Dieses Budget zeigt in die Zukunft und gibt dem Staat Stabilität“, griff ÖVP-Budgetsprecher Gabriel Obernosterer Blümels Darstellung des Haushalts auf. Es belege, dass die Regierung „nicht nur verwaltet, sondern die Zukunft gestaltet“. Mit der ökosozialen Steuerreform sei man „in der Zukunft angekommen“. Karlheinz Kopf, ÖVP-Finanzsprecher und Wirtschaftskammer-Generalsekretär erklärte, dass die Budgetpläne „konjunkturstützend wirken und positive Impulse für Wohlstand und Beschäftigung in unserem Land liefern“ würden. Das schaffe die Voraussetzungen dafür, „dass wir den Herausforderungen der nächsten Jahre gut vorbereitet begegnen können“.

Lobende Worte kamen aber auch von den Grünen, die als Koalitionspartner das Budget mitverantworten. Budgetsprecher Jakob Schwarz pflichtete Blümel darin bei, dass die Hilfsmaßnahmen in der Krise „relativ treffend“ gewesen seien. Jetzt gehe es darum, aus der Krise in die Zukunft zu kommen. Und das sei dem Finanzminister mit dem Budget „gut gelungen“, sagte Schwarz.

Analyse von Barbara Battisti (ORF)

ZIB-Wirtschaftschefin Barbara Battisti erklärt, welche Auswirkungen das vorgestellte Budget auf das Land haben wird.

„Wir erhöhen die Mittel für Klimaschutzmaßnahmen aus dem Ministerium für Klimaschutz und fördern Forschung, um den Unternehmen einen Umstieg zum emissionsfreien Wirtschaften zu ermöglichen. Addiert man die Mittel für Klimaschutzmaßnahmen der anderen Ressorts, enthält des Budget mehrere Milliarden Euro für den Klimaschutz. Die Maßnahmen aus der ökosozialen Steuerreform sind da noch gar nicht miteingerechnet“, so Schwarz.

Mayer: „Noch nie da gewesene Steigerung“

Grünen-Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer freute sich in einer Reaktion gegenüber der APA über „eine noch nie da gewesene Budgetsteigerung“ von zwölf Prozent auf 60 Millionen Euro. „Das Schöne ist, dass es gelungen ist, über alle Bereiche hinweg – von der freien Szene bis zu den Bundeseinrichtungen – positive Akzente zu setzen.“

Wirtschaft und Industrie zufrieden

WKO-Präsident Harald Mahrer sieht im Budget die Voraussetzungen, „um den künftigen Herausforderungen in den nächsten Jahren zu begegnen“, wie er in einer Aussendung bekanntgab. Steuersenkungen „auf breiter Basis“ und Investitionsanreize würden das Wirtschaftswachstum auf einen nachhaltigen Wachstumspfad lenken und Beschäftigung sichern. Die Senkung des Körperschaftsteuersatzes, der Investitionsfreibetrag und die Erhöhung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter insbesondere im ökologischen Bereich schaffe „eine Win-win-Situation für Wachstum und Umweltschutz“.

Auch IV-Präsident Georg Knill lobte das Budget. Nach dem Krisenmodus gelte es jetzt, „in den Zukunftsmodus“ umzuschalten. Das bedeute, den derzeitigen Aufschwung nachhaltig zu stärken, gleichzeitig aber so rasch wie möglich wieder zu einer nachhaltigen Budgetpolitik zurückzukehren. „Aus Sicht der Industrie kombiniert das heute präsentierte Budget 2022 diese beiden Ziele klug und ist damit ein wichtiges Signal für den Standort,“ so Knill.

WKÖ-Präsident Harald Mahrer
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Für Mahrer handelt es sich beim Budget um „eine Win-win-Situation für Wachstum und Umweltschutz“

ÖGB unzufrieden

„Die angeblich größte Entlastung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entpuppt sich als Mix aus bereits beschlossenen Maßnahmen und zaghaften Schritten, die sicher nicht die angekündigte größte Entlastung für die arbeitenden Menschen im Land bedeuten werden“, kritisierte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian die Budgetrede. Mit den geplanten Maßnahmen werde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht einmal die kalte Progression ausgeglichen. Die größten Unternehmen würden hingegen von Steuergeschenken profitieren, wichtige Zukunftsinvestitionen in Gesundheit, Pflege und Bildung seien viel zu klein dimensioniert.

Auch dem sozialliberalen Momentum Institut fehlt ein Masterplan für die Finanzierung von Pflege, Gesundheit und Pensionen. Zudem sei der CO2-Preis nicht wirksam, um die Klimaziele zu erreichen. Auch angesichts der Folgen der Klimakrise und der zu erwartenden staatlichen Mehrausgaben sei es nötig, die Steuerstruktur künftig anders aufzustellen. Derzeit tragen Abgaben auf Arbeit und Konsum zu drei Vierteln die Finanzierung des Staates.

AK: „Blanker Hohn“

AK-Präsidentin Renate Anderl erklärte in einer Aussendung, sie sähe die bereits bekannten positiven Ansätze etwa im Bereich der Klimamaßnahmen, sei aber enttäuscht, dass dringend notwendige Maßnahmen wie etwa der Ausbau der Kinderbetreuung und der Pflege sowie die Bekämpfung der Armut neuerlich nicht ernsthaft angegangen würden. „Gerade bei der Kinderbetreuung ist das blanker Hohn, zumal bereits vereinbarte 1,2 Milliarden Euro – wie jetzt bekannt wurde – nicht zustande gekommen sind.“

Zudem fehle beim Budgetschwerpunkt, also der angekündigten Steuerreform, der Einstieg in die Besteuerung von großen Vermögen und Erbschaften. Anderl: „Die Regierung lässt hier erneut eine große Chance verstreichen, unser Steuersystem endlich gerechter zu machen. Stattdessen werden Unternehmen etwa mit der Senkung der KöSt unnötig begünstigt. Diese 800 Millionen Euro pro Jahr hätte man besser in die Kinderbildung investieren sollen.“

AK-Präsidentin Renate Anderl
APA/Hans Punz
AK-Präsidentin Anderl vermisst den Ausbau der Kinderbetreuung und der Pflege sowie die Bekämpfung der Armut

Der Handelsverband begrüßte die „Lohn- und Einkommensteuersenkung“ als wichtige Schritte, monierte aber auch die Abschaffung der kalten Progression allerspätestens mit Ende der Legislaturperiode sowie eine Reduktion der Lohnnebenkosten für Betriebe. Konkret wünscht man sich „30-prozentige Lohnnebenkosten-Senkung für mindestens 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in jedem Unternehmen“, so Branchensprecher Rainer Will.

Umwelt-NGOs gespalten

Umweltorganisationen zeigten sich unterdessen von den Budgetplänen nicht vollends begeistert. Zwar begrüße man die Erhöhung des Klimabudgets, dieses werde aber nicht ausreichen, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, sagte Greenpeace. Der WWF forderte Nachbesserungen bei der ökosozialen Steuerreform und die mittelfristige Verankerung einer Biodiversitätsmilliarde. Sowohl die CO2-Bepreisung als auch der Klimabonus müssten deutlich steigen, um einen klimafreundlichen Lenkungseffekt auszulösen, hieß es.

Frauenorganisationen fordern mehr Geld

Unmittelbar vor Blümels Budgetrede gingen heimische Frauenorganisationen in einer Aussendung mit den Regierungsplänen hart ins Gericht. Die Mittel für Gleichstellung, feministische Arbeit und Gewaltschutz seien „viel zu gering“. Zudem verdiene die ökosoziale Steuerreform ihren Namen nicht, sei sie doch unsozial sowie unökologisch.

Budgetdefizit 2022 beträgt 12,6 Milliarden

Finanzminister Blümel (ÖVP) budgetiert für 2022 eine Neuverschuldung Österreichs: Rechnet man Länder und Gemeinden dazu, dann ergibt sich ein Budgetdefizit von 2,3 Prozent.

Die Frauenorganisationen verlangen jährlich 228 Millionen für Gleichstellungspolitik und Gewaltprävention. Zudem seien österreichweit zusätzlich 3.000 Vollzeitarbeitsplätze für den Opferschutzbereich nötig. Statt Geschenke an Besserverdiener und Konzerne sollte es Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung und Pflege geben. Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) wies am Vormittag in einer Aussendung darauf hin, dass die Budgeterhöhung im Frauenressort auf 18,4 Millionen Euro die dritte Aufstockung in Folge sei.

FFG: „Starkes Bekenntnis“ für Forschung und Innovation

Die beiden Geschäftsführer der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), Henrietta Egerth und Klaus Pseiner, begrüßten das Budget als „starkes Bekenntnis zu Forschung, Technologie und Innovation“.

„Die letzten Monate haben ganz klar die Bedeutung von Forschung, Technologien und Innovationen für die Menschen gezeigt. Das Budget böte „gute Voraussetzungen, um den technologischen Wandel voranzutreiben und vor allem die Transformation zu einer klimafitten, digitalen und nachhaltigen Wirtschaftsweise zu beschleunigen“.

IHS: „Relativ expansiv“

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) lobte die im Budget 2022 geplanten Investitionen in Klimaschutz, Mobilität und Digitalisierung der Bildung. Die Steuerreform könnte die kalte Progression bis 2025 abdecken.

Beim Institut für Höhere Studien (IHS) wertete man den Haushalt als „relativ expansiv“. Es sehe viele Ausgaben und keinen besonders strengen Sparkurs vor. Das zeige sich daran, dass erst langsam, nämlich erst 2025 wieder ein ausgeglichenes Budget angepeilt werde.