Gebäude der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien
ORF.at/Christian Öser
ÖVP-Affäre

WKStA kommentiert Festnahme nicht

Nach der Festnahme der Meinungsforscherin Sabine Beinschab im Zusammenhang mit der ÖVP-Korruptionsaffäre hält sich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) weiter bedeckt. Ein Behördensprecher wollte vorerst weder die Festnahme kommentieren noch die Frage beantworten, ob die WKStA U-Haft für Beinschab beantragen wird.

Die Zurückhaltung begründete ein WKStA-Sprecher gegenüber der APA damit, dass Ermittlungsschritte nicht beeinträchtigt werden dürften. Außerdem gelte es, die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren. Beinschab steht im Zentrum der Affäre, sie soll die Umfragen für die Tageszeitung „Österreich“ produziert und dafür auch Scheinrechnungen gestellt haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Beinschab war am Dienstag an ihrer Privatadresse in Wien wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen worden. Die Festnahme soll erfolgt sein, weil sie unmittelbar vor der Hausdurchsuchung Serverdaten gelöscht haben soll. Die Festnahmeanordnung hatte ein Richter bewilligt. Im Anschluss soll sie – offiziell nicht bestätigten – Informationen zufolge im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) vernommen worden sein.

Bisher nur Spekulationen

Sollte die WKStA eine U-Haft für Beinschab für notwendig halten, müsste sie bis Donnerstagfrüh einen Antrag beim Wiener Landesgericht für Strafsachen einbringen.

Meinungsforscherin könnte vorgewarnt worden sein

Meinungsforscherin Sabine Beinschab hat kurz vor der Hausdurchsuchung letzte Woche Daten von ihrem Computer gelöscht. Eventuell wusste sie, dass Beamte kommen würden.

Dass seit der Festnahme kaum bzw. keine gesicherten Informationen nach außen drangen, nährte in Anwaltskreisen Spekulationen, Beinschab könne sich womöglich auf die Kronzeugenregelung eingelassen haben und umfassend aussagen. Belege in diese Richtung gab es Stand Mittwoch, 17.00 Uhr, aber nicht.

Bericht: Razzia vorab verraten?

Die WKStA hatte sich bereits nach der Festnahme bedeckt gehalten. In Medien wurde zudem nach einem Bericht der „Presse“ die Frage aufgeworfen, ob die hinter der Affäre stehenden Hausdurchsuchungen vorab verraten worden sein könnten. Daraufhin folgte am Dienstagabend ein Schlagabtausch zwischen Opposition und ÖVP, bei dem das Innenministerium jede Informationsweitergabe dementierte.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch forderte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auf, sofort zu den im Raum stehenden Vorwürfen Stellung zu nehmen. „Wenn sich herausstellt, dass Personen aus dem Innenministerium unter dem ehemaligen ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer bevorstehende Hausdurchsuchungen verraten haben, zeigt das einmal mehr, dass das türkise System alles versucht, um Aufklärung zu verhindern“, so Deutsch mit Verweis auf einen entsprechenden Medienbericht.

Für FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz zeige der „Presse“-Artikel „einen Skandal der Sonderklasse“ auf: Es bestehe „kein Zweifel, dass die Meinungsforscherin den Tipp aus dem türkisen System hatte“. Stephanie Krisper von NEOS ortete ein „türkises System“ im Innenministerium – diese „Sümpfe“ müsse man „endlich trockenlegen“.

„Keinerlei Informationsweitergabe“

Vonseiten des Ressorts habe es „keinerlei Informationsweitergabe“ gegeben, teilte das Innenministerium am Abend in einer ORF.at vorliegenden Stellungnahme mit. Das Ministerium verwies auf die „besondere Stellung“ des bei der WKStA-Amtshandlung „unterstützend“ tätig gewesenen BAK. Durch das BAK-Gesetz gesetzlich verankert habe dieses „keinerlei Berichtspflicht innerhalb des Bundesministeriums für Inneres – auch nicht an die Ressortleitung“, so das Ministerium, dem zufolge das BAK zudem „erst kurzfristig vor den Durchsuchungen informiert“ worden sei.

Zur Verteidigung Nehammers war zuvor auch die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gabriela Schwarz ins Feld gezogen. Die am Mittwoch vergangener Woche erfolgten Hausdurchsuchungen seien „im Vorfeld durch Medienanfragen an ihre Partei publik geworden“, hieß es in einer Aussendung, in der Schwarz auch auf ihre eigene Pressekonferenz vom 28. September verwies.

Peter Filzmaier zur ÖVP-Inseratenaffäre

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier spricht über die erste Regierungserklärung des neuen Kanzlers Alexander Schallenberg (ÖVP), die Misstrauensanträge der Opposition und die Ermittlungen in der ÖVP-Korruptionsaffäre.

„Wir haben tagelang unmissverständliche Anfragen von Journalistinnen und Journalisten über bevorstehende Hausdurchsuchungen im Umfeld der Volkspartei erhalten“, so Schwarz: „Dass SPÖ und FPÖ nun vereint versuchen, den Innenminister anzupatzen“, sei „nicht nur völlig realitätsfremd, sondern auch vollkommen absurd.“

Bis vor Kurzem Umfragen veröffentlicht

Unklar ist bisher, inwieweit Beinschab in den vergangenen Jahren – also in jenen, die nicht mehr durch Chats dokumentiert sind, politisch gefällige Studienergebnisse geliefert hat. Dass sie weiterhin sowohl für das Finanzministerium als auch für die „Österreich“-Mediengruppe gearbeitet hat, ist bekannt. So veröffentlichte „Österreich“ etwa erst im August zwei Research-Affairs-Umfragen binnen einer Woche, wonach sich einmal 90 und einmal 69 Prozent aller Österreicher für die Abschiebung von straffälligen Afghanen aussprechen.

2020 und 2021 veröffentlichte Beinschab aber auch mehrere ihrer Ergebnisse selbst als Aussendung via OTS. Die Aussendungen haben Titel wie „ÖsterreicherInnen sprechen sich für den Ankauf von Sputnik V aus“, „ÖsterreicherInnen sprechen sich gegen eine Erleichterung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft aus“ und „ÖsterreicherInnen sprechen sich klar für Druck auf unwillige Arbeitslose aus“ und bestärken im wesentlichen ÖVP-Positionen bei damals aktuellen Debatten. Wer die Studien in Auftrag gegeben hat, geht aus den Aussendungen nicht hervor. Auf ihrer Website werden sie als „Eigenstudie“ bezeichnet.

„Presse“: Datenlöschung auch bei „Österreich“?

Hinweise auf eine anstehende Amtshandlung habe Beobachtern zufolge durchaus ein genauer Blick auf die Ordnungsnummern des Casinos-Ermittlungsaktes nahegelegt. Darauf verwies in der ZIB2 der Wirtschaftsstrafrechtsexperte Robert Kert von der Wirtschaftsuniversität Wien. Laut „Presse“ wurde der Termin für die Hausdurchsuchungen aber auch mehrfach verschoben. „Am 4. Oktober wurden Exekutive und Innenministerium informiert, dass die Razzia zwei Tage später stattfinden soll“, heißt es in der Zeitung.

Robert Kert, Experte für Wirtschaftsstrafrecht

Die in der ÖVP-Affäre beschuldigte Meinungsforscherin Sabine Beinschab wurde am Dienstag festgenommen. Sie soll Daten gelöscht haben. In der ZIB2 war Wirtschaftsstrafrechtsexperte Robert Kert.

Die „Presse“ berichtete zudem, dass es auch in der „Österreich“-Mediengruppe Versuche gegeben habe, Daten professionell löschen zu lassen. Mehrere Cybersecurity-Firmen seien angefragt worden, Daten aus Clouds und Messenger-Diensten zu löschen. Begründet wurde das mit einem Sicherheitsleck. Chefredakteur Niki Fellner sprach laut „Presse“ von einem „groben Missverständnis“. Man habe Ende August einen schwerwiegenden Fall von Cyberkriminalität im Haus entdeckt, bei dem versucht worden sei, hohe Rechnungsbeträge auf ein US-Konto umzuleiten. Ob Daten dann tatsächlich gelöscht wurden, ließ Fellner laut „Presse“ offen.

Beinschab werden in der ÖVP-Affäre Untreue als Beteiligte und Bestechung als Beteiligte vorgeworfen. Laut WKStA soll sie Auftragsumfragen erstellt und dafür auch Scheinrechnungen gestellt haben. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.