Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP)
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Schallenberg in der ZIB2

Politisch „ganz starker Konsens“ mit Kurz

Neo-Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hat in der ZIB2 seine viel kritisierten Aussagen, wonach er die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für falsch hält, verteidigt. Er habe großes Vertrauen, dass sich die Vorwürfe gegen Kurz in Luft auflösen werden, sagte Schallenberg. Sein Ziel sei jetzt, die Regierungsarbeit fortzusetzen und nach den turbulenten Tagen wieder Ruhe in die Innenpolitik zu bringen.

Zunächst musste sich Schallenberg aber vor allem den von Armin Wolf gestellten Fragen zum Verhältnis zu Altkanzler Kurz stellen. Er sei weiterhin „absolut“ der Meinung, dass die Vorwürfe falsch seien.

Das sei seine persönliche Meinung, damit nehme er die Ergebnisse der Ermittlungen nicht vorweg, und er sei auch der Meinung, dass es für einen Kanzler passend sei, sich derart zu äußern. Er habe aber „vollstes Vertrauen“ in die Justiz. Schallenberg hatte die umstrittenen Aussagen in seiner ersten kurzen Ansprache nach seiner Angelobung als Kanzler getätigt.

Kanzler Schallenberg: „System Kurz bleibt“

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) spricht im Interview mit ZIB-Moderator Armin Wolf über seine künftigen Aufgaben, die aktuellen Ermittlungen rund um Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP), das „System Kurz“ und über die CoV-Politik.

Rückkehr von Kurz möglich?

Auf die Frage, ob Kurz die moralische Integrität hat, um wieder Kanzler zu werden, antwortete Schallenberg mit „sicher“. Der neue Kanzler sieht auch keinen Grund, sich für die ÖVP-Chats, die Kurz zum Rücktritt gezwungen haben, zu entschuldigen, wie das Bundespräsident Alexander Van der Bellen getan hat. Spekulationen gab es darüber, wie lange Schallenberg im Amt des Bundeskanzlers bleiben werde – befeuert unter anderem durch einen Tweet der Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die schrieb, Schallenbergs Amt sei „zeitlich befristet“, bis die Vorwürfe gegen Kurz aufgeklärt seien. Später löschte Köstinger den Tweet wieder.

Die Frage, ob und wann Kurz wieder Kanzler werden könne, werde man aber dann beantworten, wenn eine Entscheidung anstehe, so Schallenberg in der ZIB2. Auch wenn er und Kurz völlig unterschiedliche Menschen seien, gebe es in der politischen Ausrichtung einen „ganz, ganz starken Konsens“. Als Kurz ihn gefragt hatte, ob er das Kanzleramt übernehmen wolle, habe er ein „gewisses Verantwortungsgefühl“ verspürt, die politische Krisensituation zu bewältigen. „Ich hatte das Gefühl, dass Nein für mich persönlich keine Option war“, so Schallenberg.

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) im ORF-Interview mit Armin Wolf
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Schallenberg arbeitet übrigens nicht im Kanzlerbüro von Kurz, dem berühmten Kreisky-Zimmer. Er bevorzugt einen helleren Ort. Der Kanzler ließ folglich allerdings keine Rückschlüsse auf seine politische Zukunft zu. „Nun, das ist persönlicher Geschmack“, sagte er. „Ich war schon, als ich in der Übergangsregierung Minister war, im anderen Trakt des Bundeskanzleramts. Da sind hellere Zimmer.“ Es sei „einfach eine persönliche Entscheidung“ gewesen.

Auf „erfahrene“ Köpfe verlassen

Auf die Frage, ob das „System Kurz“ jetzt weiterregiere, sagte Schallenberg, wenn man im „System Kurz“ das „Regierungsprogramm und die Leute, die das gewissenhaft umsetzen“, sehe, „dann ja.“ Weitere Rochaden, etwa bei Ministerinnen und Ministern sowie beim Personal, soll es nicht geben, ließ der Bundeskanzler durchblicken.

Mehrmals betonte Schallenberg, dass Kurz die Entscheidung zum „Schritt auf die Seite“ selbst getroffen habe und ihm diese „großen Respekt“ abringe. Veränderungen im Regierungsteam will Schallenberg nicht vornehmen, auch beim Mitarbeiterstab im Bundeskanzleramt will er sich auf „erfahrene Köpfe verlassen“, die auch der Regierungspartner kenne.

Änderungen würden nur weitere Unruhe bringen. Konkret angesprochen auf den Leiter der Stabsstelle Medien im Bundeskanzleramt, Gerald Fleischmann, und Kurz-Sprecher Johannes Frischmann sagte Schallenberg, dass sie sich nun im Urlaub befänden. Mehr wollte er dazu nicht sagen. Die beiden werden in der Inseratenaffäre als Beschuldigte geführt.

„Schallenberg will Vertrauen wieder herstellen“

Schallenberg betonte, man sei weiter in einer innenpolitisch schwierigen Lage. Aber die Regierung habe beim Ministerrat in der Früh schon bewiesen, dass sie „handlungswillig und handlungsfähig“ sei, sagte er unter Verweis auf die Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP).

Zu Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) habe er eine gute Gesprächsbasis. Es gebe beiderseitiges Bemühen, die Arbeit weiterzuführen. Dass das Vertrauen erschüttert worden sei und dass das nicht über Nacht verschwinde, sei klar. Das gelte es, Schritt für Schritt wiederaufzubauen, das sei auch eine Mammutaufgabe, so der Kanzler. Man muss dem Ganzen Zeit geben und schauen, dass sich „Staub und die Emotion“ legen.

„Wieder in die Substanz kommen“

Es gelte jedenfalls, das Regierungsprogramm abzuarbeiten und „wieder in die Substanz“ zu kommen, so Schallenberg. Auf konkrete politische Fragen, etwa zur weiteren Bekämpfung des Coronavirus, Maßnahmen für den Arbeitsmarkt sowie das in den letzten Tagen vieldiskutierte Thema der Regierungsinserate und Medienförderung wollte sich Schallenberg noch nicht festlegen. Er sei erst kurz im Amt und werde das mit seinen Ministerinnen und Ministern besprechen.

Analyse des Interviews mit Kanzler Schallenberg

Journalistin Eva Linsinger („profil“) und Politikwissenschaftler Peter Filzmaier sprechen über den neuen Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und über dessen künftige Regierungsarbeit.

In puncto Impfung sei „in Wirklichkeit doch jeder von uns einzeln aufgerufen“, Überzeugungsarbeit zu leisten. „Das kann nicht nur alleine die Bundesregierung betreffen“, so Schallenberg. Dennoch sprach er sich dafür aus, dass es weiterhin auch eine öffentliche Wahrnehmungskampagne geben müsse vonseiten der Bundesregierung, „um die Menschen dazu zu bringen, dass sie impfen gehen“.

Der Politologe Peter Filzmaier und die „profil“-Journalistin Eva Linsinger waren sich bei der Analyse im Anschluss des Interviews in der ZIB2 einig, dass Schallenberg seine Rolle als Kanzler noch finden müsse. Dazu gehöre auch, so Linsinger, sich von Kurz zu emanzipieren.