Meinungsforscherin Sabine Beinschab
ORF
ÖVP-Affäre

Meinungsforscherin Beinschab enthaftet

Die im Zusammenhang mit der ÖVP-Korruptionsaffäre um die Partei und Altkanzler Sebastian Kurz festgenommene Meinungsforscherin Sabine Beinschab ist enthaftet worden. Wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am Donnerstag mitteilte, wurde kein Antrag auf U-Haft gestellt.

„In der Inseratenaffäre liegen bei der vor Kurzem festgenommenen Person die zum Zeitpunkt der Festnahme angenommenen Haftgründe nicht mehr vor“, sagte ein WKStA-Sprecher. Deswegen habe die WKStA vor Ablauf der 48-Stunden-Frist keinen U-Haft-Antrag gestellt.

Auf die Frage, ob es seit der Festnahme grundsätzlich weitere Ermittlungsschritte von der WKStA gegeben habe, sagte der Sprecher, dass in diesem Ermittlungsstadium die Ermittlungen nicht stillstünden, „weitere Zwangsmaßnahmen jedoch nicht gesetzt wurden“.

Beinschab war Dienstagfrüh an ihrer Privatadresse wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen worden, wobei die Festnahmeanordnung ein Richter bewilligt hatte. Im Anschluss soll sie – offiziell nicht bestätigten – Informationen der APA zufolge im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) vernommen worden sein.

Spekulationen genährt

Dass vor der nunmehr erfolgten Enthaftung kaum bzw. keine gesicherten Informationen zur Einvernahme nach außen drangen, nährte in Anwaltskreisen Spekulationen, Beinschab könne sich womöglich auf die Kronzeugenregelung eingelassen haben und umfassend aussagen. Belege in diese Richtung gibt es aber nach wie vor nicht.

Daten „in größerem Umfang“ gelöscht?

Beinschab steht im Verdacht, gemeinsam mit ihrer Kollegin und Ex-ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin frisierte Umfragen für die Tageszeitung „Österreich“ erstellt zu haben, die Kurz bzw. der ÖVP zugutegekommen sein sollen. Zudem soll sie Scheinrechnungen gestellt haben. Damit werden ihr Beitragstäterschaft zu Untreue und Bestechung vorgeworfen. Für Beinschab gilt die Unschuldsvermutung.

Die Festnahme war offenbar wegen Verdunkelungsgefahr erfolgt: Beinschab soll am Tag vor der Hausdurchsuchung am Mittwoch vergangener Woche die Festplatte ihres Computers gelöscht haben – sie soll, wie die „Presse“ berichtete, „Serverdaten in größerem Umfang gelöscht“ haben. In Medien wurde nach dem „Presse“-Bericht die Frage aufgeworfen, ob die hinter der Affäre stehenden Hausdurchsuchungen vorab verraten worden sein könnten.

Beinschab ist Gründerin des Marktforschungsinstituts Research Affairs, das seit vielen Jahren die Umfragen für die Mediengruppe „Österreich“ durchgeführt hat. Die beschuldigte Gruppe um Ex-Kanzler Kurz nannte die Umfrageplatzierungen „Beinschab-Österreich-Tool“. Auch für alle weiteren Beschuldigten, darunter Karmasin, gilt die Unschuldsvermutung.

Bis vor Kurzem Umfragen veröffentlicht

Unklar ist bisher, inwieweit Beinschab in den vergangenen Jahren – also in jenen, die nicht mehr durch Chats dokumentiert sind – politisch gefällige Studienergebnisse geliefert hat. Dass sie weiterhin sowohl für das Finanzministerium als auch für die „Österreich“-Mediengruppe gearbeitet hat, ist bekannt. So veröffentlichte „Österreich“ etwa erst im August zwei Research-Affairs-Umfragen binnen einer Woche, wonach sich einmal 90 und einmal 69 Prozent aller Österreicher für die Abschiebung von straffälligen Afghanen aussprechen.

2020 und 2021 veröffentlichte Beinschab aber auch mehrere ihrer Ergebnisse selbst als Aussendung via OTS. Die Aussendungen haben Titel wie „ÖsterreicherInnen sprechen sich für den Ankauf von Sputnik V aus“, „ÖsterreicherInnen sprechen sich gegen eine Erleichterung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft aus“ und „ÖsterreicherInnen sprechen sich klar für Druck auf unwillige Arbeitslose aus“ und decken sich im Wesentlichen mit ÖVP-Positionen bei damals aktuellen Debatten. Wer die Studien in Auftrag gegeben hat, geht aus den Aussendungen nicht hervor. Auf ihrer Website werden sie als „Eigenstudie“ bezeichnet.

Schlagabtausch Opposition – ÖVP

Auf das Gerücht, wonach die Hausdurchsuchungen vorab verraten worden sein könnten, folgte zuletzt ein Schlagabtausch zwischen Opposition und ÖVP, bei dem das Innenministerium jede Informationsweitergabe dementierte. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch forderte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auf, sofort zu den im Raum stehenden Vorwürfen Stellung zu nehmen.

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sprach in Bezug auf den „Presse“-Artikel von einem „Skandal der Sonderklasse“: Es bestehe „kein Zweifel, dass die Meinungsforscherin den Tipp aus dem türkisen System hatte“. Stephanie Krisper von NEOS ortete ein „türkises System“ im Innenministerium – diese „Sümpfe“ müsse man „endlich trockenlegen“.

„Keinerlei Informationsweitergabe“

Vonseiten des Ressorts habe es „keinerlei Informationsweitergabe“ gegeben, teilte das Innenministerium Dienstagabend in einer ORF.at vorliegenden Stellungnahme mit. Das Ministerium verwies auf die „besondere Stellung“ des bei der WKStA-Amtshandlung „unterstützend“ tätig gewesenen BAK. Durch das BAK-Gesetz verankert habe dieses „keinerlei Berichtspflicht innerhalb des Bundesministeriums für Inneres – auch nicht an die Ressortleitung“, so das Ministerium, dem zufolge das BAK zudem „erst kurzfristig vor den Durchsuchungen informiert“ worden sei.

Zur Verteidigung Nehammers war zuvor auch die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gabriela Schwarz ins Feld gezogen. Die am Mittwoch vergangener Woche erfolgten Hausdurchsuchungen seien „im Vorfeld durch Medienanfragen an ihre Partei publik geworden“, hieß es in einer Aussendung, in der Schwarz auch auf ihre eigene Pressekonferenz vom 28. September verwies.

„Wir haben tagelang unmissverständliche Anfragen von Journalistinnen und Journalisten über bevorstehende Hausdurchsuchungen im Umfeld der Volkspartei erhalten", so Schwarz: „Dass SPÖ und FPÖ nun vereint versuchen, den Innenminister anzupatzen", sei „nicht nur völlig realitätsfremd, sondern auch vollkommen absurd.“

„Presse“: Datenlöschung auch bei „Österreich“?

Hinweise auf eine anstehende Amtshandlung habe Beobachtern zufolge auch ein genauer Blick auf die Ordnungsnummern des Casinos-Ermittlungsaktes nahegelegt. Laut „Presse“ wurde der Termin für die Hausdurchsuchungen aber auch mehrfach verschoben. „Am 4. Oktober wurden Exekutive und Innenministerium informiert, dass die Razzia zwei Tage später stattfinden soll“, heißt es in der Zeitung.

Die „Presse“ berichtete zudem, dass es auch in der „Österreich“-Mediengruppe Versuche gegeben habe, Daten professionell löschen zu lassen. Mehrere Cybersecurity-Firmen seien angefragt worden, Daten aus Clouds und Messenger-Diensten zu löschen. Begründet wurde das mit einem Sicherheitsleck. Chefredakteur Niki Fellner sprach laut „Presse" von einem „groben Missverständnis“. Man habe Ende August einen schwerwiegenden Fall von Cyberkriminalität im Haus entdeckt, bei dem versucht worden sei, hohe Rechnungsbeträge auf ein US-Konto umzuleiten. Ob Daten dann tatsächlich gelöscht wurden, ließ Fellner laut „Presse“ offen.

Meinungsforscher distanzieren sich von Beinschab

Der Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Österreichs (VdMI) distanzierte sich unterdessen von Beinschab. Weder sie noch Karmasin seien je VdMI-Mitglieder gewesen, so VdMI-Vorsitzende Edith Jaksch. Beinschab wollte vor Jahren Mitglied werden, sei aber abgelehnt worden.

„Die jetzt vorliegende Causa ist schockierend und erfordert eine Klarstellung unserer Branche. Weder die festgenommene Sabine Beinschab noch die als Beschuldigte geführte Sophie Karmasin waren je Mitglied beim VdMI, weder mit der BB Research Affairs GmbH noch der KARMASIN RESEARCH & IDENTITY GMBH“, teilte Jaksch in einer schriftlichen Stellungnahme mit.

„Mutmaßlicher Kriminalfall schockierend“

Der „mutmaßliche Kriminalfall“ sei „schockierend“ und von der Branche zu trennen, so Jaksch. Der Fall untergrabe aber „in keiner Weise die Qualität und Seriosität unserer Branche“. „Unsere Qualitätskriterien sind streng, klar und verbindlich.“ Wer sich diesen Kriterien nicht in all seinen Marktforschungsprojekten unterwirft, könne kein Mitglied im VdMI werden.

Das Gallup-Institut erklärte unterdessen auf seiner Website „aus gegebenem Anlass“, dass Karmasins langjährige Mitarbeiterin Beinschab „wenige Monate nach dem Eigentümerwechsel des Instituts“ am 11. April 2015 „fristlos entlassen“ wurde. Gallup-Geschäftsführer Michael Nitsche, der das Institut von Karmasin übernommen hat, sagte dazu gegenüber der „Kronen Zeitung“: „Das hat nichts mit den aktuellen Ereignissen zu tun. Es gab andere gute Gründe. Aus arbeitsrechtlichen Gründen kann ich nicht ins Detail gehen.“