SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
APA/Hans Punz
Opposition zu Budget

„Mogelpackung“ und „vergebene Chance“

Die türkis-grüne Koalition hat für Budget und Steuerreform am Donnerstag im Nationalrat reichlich Kritik zu hören bekommen. Die SPÖ sprach in der Ersten Lesung von vergebenen Chancen, die FPÖ von einer Mogelpackung und NEOS von erstaunlicher Ambitionslosigkeit. Gänzlich anders sah das am Tag nach Blümels Budgetrede die Koalition.

„Dieses Budget wäre eine Chance gewesen. Diese Chance wurde vergeben“, sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Weichen zu stellen oder sich den großen Herausforderungen der Zeit zu stellen sei in diesem Haushalt nicht abgebildet. Auch würden die arbeitenden Menschen nicht entlastet, vielmehr müssten sie sich die Steuerreform selber zahlen. „Eine wirkliche Entlastung sieht anders aus“, außerdem komme sie zu spät.

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sprach erneut von der „größten Mogelpackung der Zweiten Republik“ und einem „Schwurbelbudget“. Die „Erzählungen“ über die Entlastung und die ökologischen Lenkungseffekte seien „bar jeder Evidenz“, so Kickl. Soziale Gerechtigkeit gebe es nicht, die Steuerreform bringe einer Mindestpensionistin gerade einmal 50 Cent pro Tag.

„In Wahrheit geben Sie das Geld anderer Leute aus“

Den dringend notwendigen Teuerungsausgleich gebe es auch nicht, solle die Steuerreform doch erst Mitte nächsten Jahres starten. Geld werde nur für „sinnlose Inserate der Marke Selbstbeweihräucherung“ hinausgeworfen.

Budgetdebatte im Nationalrat

Am Mittwoch hat ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel das Budget für 2022 präsentiert. In der Nationalratsdebatte am Donnerstag zeigte sich die Opposition kritisch.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger kritisierte, dass von der vielbeschworenen Zukunftsausrichtung im Budget nichts zu erkennen sei. Sie dankte den Steuerzahlern, die die Steuerreform erst möglich gemacht hätten. „In Wahrheit geben Sie ja das Geld anderer Leute aus, und das mit vollen Händen“, warf sie der Regierung vor. Die kalte Progression hätte längst abgeschafft werden können.

Kurz verteidigt Budget in neuer Rolle

Auf Koalitionsseite sah man das naturgemäß anders. Für die ÖVP trat – erstmals nach seiner Angelobung zu Sitzungsbeginn – Sebastian Kurz als Mandatar (und neuer Klubobmann) ans Rednerpult, verteidigte das Budget – und verlor kein Wort zu den Ermittlungen gegen sich und die ÖVP oder seinen Rücktritt als Bundeskanzler.

Dafür brachte er eine leichte Spitze gegen das Parlament: Nach zehn Jahren Regierungserfahrung wisse er, dass die Debatten und Abstimmungen im Hohen Haus eine klare Struktur hätten, die Regierungsfraktionen pro, die Opposition kontra. „Das Schöne an der Steuerreform ist aber, sie wird am Ende des Tages für die Menschen spürbar.“

„Wir investieren, wir modernisieren und wir reformieren“

Ebenfalls nur Positives konnte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer erkennen, denn: „Wir investieren, wir modernisieren und wir reformieren.“ Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hatte Mittwochabend in der ZIB2 seinen Budgetentwurf verteidigt. Hauptthema sei die Steuerreform gewesen. Es seien nicht alle Probleme gelöst, man werde an den anderen Themen arbeiten. So soll auch die Abschaffung der kalten Progression noch in dieser Legislaturperiode erledigt werden.

Finanzminister Blümel zur Budgetrede

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sprach über das Budget für 2022, die Steuerreform und die Kanzlerrochade.

Zur Kritik, der Preis für CO2 sei zu gering, um einen Klimaeffekt zu haben, meinte Blümel, bei der CO2-Bepreisung habe man zunächst einen Einstieg geschafft. Zudem werde eine Vielzahl von Förderungen finanziert, die ebenfalls Effekte haben würden. Schon in seiner Budgetrede zuvor im Nationalrat hatte Blümel gesagt, das Budget sei eine „Ansage in Richtung Zukunft“.

Das Budget 2022 wandert nach der Ersten Lesung zur weiteren Behandlung inklusive Expertenhearing in den Budgetausschuss; im Plenum beschlossen werden soll es am 18. November.

„Emotionale Achterbahnfahrt für viele“

Als erster Redner des Plenartages hatte der nunmehr stellvertretende ÖVP-Klubobmann August Wöginger Ex-Kanzler Kurz willkommen geheißen. Mit einem Donnerstagfrüh veröffentlichten Facebook-Video hatte Kurz zuvor erstmals seit seinem Rückzug als Kanzler am Wochenende öffentlich Stellung genommen. Er sprach von einer „emotionalen Achterbahnfahrt für viele“ in den vergangenen Tagen mit Gefühlen von „Enttäuschung, Resignation, Wut“.

Das könne er „sehr gut nachvollziehen“. Auch ihm sei es so gegangen. Es gehe nun um eine stabile Regierung, deshalb habe er am Wochenende einen Schritt zur Seite gemacht. „Ich bin kein Schattenkanzler“, so Kurz. Er wolle als Klubobmann seinen Beitrag leisten und die Arbeit der Regierung unterstützen.

Kurz als Abgeordneter angelobt

Altkanzler und Neo-Klubobmann Sebastian Kurz (ÖVP) ist im Nationalrat offiziell angelobt worden.

Kurz erwähnte auch die Vorwürfe gegen sich, ohne auf Details einzugehen. Es seien einige Chatnachrichten im Umlauf, „die ich nie geschrieben habe“. Zu denen, die er selbst geschrieben hatte, meinte er: „Ich verstehe absolut, dass man an den Bundeskanzler besondere Erwartungen hat, was die Wortwahl betrifft. Aber genauso wie ich zu Hause nicht im Anzug herumlaufe, bin ich nicht nur Politiker, sondern auch ein Mensch – mit Fehlern und Emotionen. Ja leider auch mit Formulierungen, die ich öffentlich nicht verwenden würde. Ich habe mich bereits öffentlich entschuldigt und ich bedauere sie auch.“

Diese Chats würden nun gezielt an die Öffentlichkeit gespielt, um der Volkspartei zu schaden. Kurz: „Ich habe mir in meinem ganzen Leben noch nicht irgendetwas Strafrechtliches zuschulden kommen lassen.“ Das werde er auch beweisen. Er kritisierte, dass seiner Ansicht nach die Chats mit strafrechtlichen Vorwürfen vermischt würden. Die Vorwürfe wolle er nun entkräften.

Stundenlange Telefonate?

Offen bleibt, wie Kurz seine Rolle als Klubobmann anlegen will. Er bat in dem Video jedenfalls um Unterstützung. Diese muss er auch aktiv suchen, denn der Rückhalt in den Ländern schwand in den vergangenen Tagen. Der „Kurier“ (Donnerstag-Ausgabe) berichtete, dass Kurz am Dienstag und Mittwoch stundenlang mit den ÖVP-Landeschefs und hohen ÖVP-Funktionären in den Ländern telefoniert habe.

Als Abgeordneter genießt Kurz zunächst Immunität. Das Parlament kann aber auf Antrag der Staatsanwaltschaft entscheiden, ob ein Parlamentarier der Justiz ausgeliefert wird. Zudem hatte Kurz angekündigt, auf seine Immunität verzichten zu wollen.