Altes Bild von Aretha Frankling
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„Rolling Stone“

Wichtigster Song jetzt von Aretha Franklin

„The 500 Greatest Songs of All Time“ der US-Zeitschrift „Rolling Stone“ ist die Referenzliste der wichtigsten Songs aller Zeiten schlechthin. Wer gern diskutiert, welcher Song nun wichtiger sei und welcher weniger, erlebt seit Kurzem eine Überraschung. Bob Dylan, die Stones und auch John Lennon sind vom Podest gefallen. „Respect“ von Aretha Franklin ist nach der jüngsten Überarbeitung nun der wichtigste der 500 Popsongs der Geschichte.

„The Times They Are A-Changin’“, heißt es im bekannten Bob-Dylan-Song aus dem Jahr 1964. Bisher rangierte dieses Lied auf Platz 59 der Song-Bestenliste des „Rolling Stone“, so etwas wie die inoffizielle Bibel, wenn man nachschlagen möchte, welcher Song tatsächlich wichtiger ist – oder an Abenden mit Freunden: um zu diskutieren, ob nun dieser Song der Beatles oder jener von den Stones oder The Who wichtiger sei.

Nach 17 Jahren und ohne großes Brimborium hat der „Rolling Stone“ diesen Herbst seine „500 Greatest Songs of All Time“ erneuert und sich auf der Grundlage des Inputs von, wie man selbst sagt, „250 Künstlern, Song-Schreibern und Vertretern der Industrie“ auf eine neue Liste geeinigt, die nun Franklins „Respect“ von 1967 als bestes Lied ausweist. „The Times They Are A-Changin’“ ist überhaupt aus der 500er-Liste geflogen. Marvin Gaye ist weiter unter den Top Ten und hat sich um einen Platz verschlechtert, Chuck Berrys „Johnny B. Good“ fiel aus den Top Ten auf den 33. Platz.

„500 Greatest Songs of All Time“

Platz alter Platz Song Künstlerin/Künstler Jahr
1 5 Respect Aretha Franklin 1967
2 322 Fight the Power Public Enemy 1989
3 12 A Change is Gonna Come Sam Cooke 1964
4 1 Like a Rolling Stone Bob Dylan 1965
5 9 Smells Like Teen Spirit Nirvana 1991
6 4 What’s Goin’ On? Marvin Gaye 1971
7 76 Strawberry Fields Forever The Beatles 1967
8 - Get Your Freak On Missy Elliott 2001
9 - Dreams Fleetwood Mac 1977
10 180 ‘Hey Ya! Outkast 2003

Neue Top Ten

In den Top Ten sind die weißen Künstler in der Minderheit – und ein neues Zeitalter künstlerischer Repräsentation scheint angebrochen. Sechs von zehn Top-Ten-Plätzen sind von „People of Colour“, mehr noch: Die Top Drei sind jetzt von schwarzen Künstlerinnen bzw. Künstlern besetzt. Bob Dylan („Like a Rolling Stone“), bisher auf Platz eins, die Rolling Stones („(I Can’t Get No) Satisfaction“), bisher auf Platz zwei, und John Lennon als Drittplatzierter („Imagine“) sind vom Treppchen gefallen.

Ein antirassistischer, feministischer Song führt die Liste an. Es folgen Public Enemy mit „Fight the Power“ (1989), ursprünglich für einen Film von Spike Lee geschrieben, und „A Change is Gonna Come“ von Sam Cooke aus dem Jahr 1964, einer Hymne der Bürgerrechtsbewegung. Neben der Frage gesellschaftspolitischer Repräsentation ist die Liste des „Rolling Stone“ jünger und frischer geworden.

Für Diskussionen werden die Umreihungen allemal sorgen. Ohnedies kann es in diesem Genre schwer so etwas wie eine kompositorisch-ästhetische Auswahlkategorie allein geben – und ob ein Beatles-Song nun komplexer gebaut sei als eine rotzige Nummer der Stones, wird die Welt hoffentlich auch noch in 50 Jahren entzweien. Bis dahin wird der „Rolling Stone“ seine Liste wohl noch ein paar Mal überarbeitet haben, so es die Zeitschrift dann noch gibt.

„Respect“ als Signal

Mit Aretha Franklin gelingt ein großes Zeichen, denn dieser Song war ja schon bisher weit oben in der Liste des „Rolling Stone“ platziert. Was bleibt, ist auch der unbestrittene Beitrag der 1960er Jahre zum Kanon der bedeutendsten Popsongs aller Zeiten. Franklins Song entstammt diesem Jahrzehnt ebenso wie sieben weitere in den Top 20. Keine Dekade ist damit für das Magazin nach wie vor so stilprägend wie dieses Jahrzehnt gesellschaftlichen Aufbruchs, der so etwas wie die Basis der Popkultur bildet, von der sie heute noch zehrt. Jüngere Klassiker, etwa das gerade 30 gewordene „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana, ist von Platz neun auf fünf vorgerückt.

Letzte Liste aus dem Jahr 2004

Die letztes Liste des „Rolling Stone“ entstammt dem Jahr 2004. Damals war der iPod schon auf dem Markt. Streamingmodelle wie Spotify gab es noch nicht. Der digitale Musikaustausch erfolgte über Plattformen wie Napster, der CD-Markt schien noch einigermaßen intakt.

Für Diskussionen wird die neue Liste allemal sorgen. Für das neue Aretha-Frankling-Biopic „Respect“, das im August in den USA in die Kinos gekommen ist und das im deutschsprachigen Raum für Dezember vorgesehen ist, hätte diese Liste durchaus auch einen Schub bedeuten können. Hätte sie der „Rolling Stone“ selbst nicht so unterspielt.