Meinungsforscherin Sabine Beinschab
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Berichte

Beinschab wollte Chats löschen

Schon am Tag der Hausdurchsuchung am Mittwoch vergangener Woche haben Medien berichtet, dass die Meinungsforscherin Sabine Beinschab vor der Razzia versucht haben soll, ihre Computerfestplatte zu löschen. Nun liegt einigen Medien die Festnahmeanordnung gegen Beinschab vor. Daraus geht hervor, dass sie nach Wegen suchte, Daten aus ihrem Handy zu löschen und Chats entfernte.

Der „Standard“ berichtete Freitagabend, dass Beinschab bereits am 30. September nach verschiedenen Methoden suchte, um Spuren zu löschen. Die Zeitung beruft sich auf die Festnahmeanordnung. Demnach sollen sich in ihrem Suchverlauf Anfragen finden zu „iCloud löschen iPhone6“ und „iCloud löschen“. Bei der Razzia wurde allerdings ein iPhone 11 sichergestellt, ein iPhone 6 wurde nicht gefunden.

Die Suche nach Löschmethoden durch Beinschab erfolgte zwei Tage nach einer Pressekonferenz durch die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gabriele Schwarz zu Gerüchten über mögliche Hausdurchsuchungen. Noch am 5. Oktober, dem Tag vor der Hausdurchsuchung, soll sie „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ WhatsApp-Chats mit den ebenfalls Beschuldigten Wolfgang und Helmuth Fellner von „Österreich“ und der ehemaligen ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin gelöscht haben, berichtete auch der „Kurier“.

Beinschab wollte Chats löschen

Verdunkelungsgefahr – das war die Begründung, weshalb die Meinungsforscherin Sabine Beinschab Dienstagfrüh verhaftet worden ist. Die Auswertung ihres Handys, das bei den Hausdurchsuchungen rund um die ÖVP-Inseratenaffäre sichergestellt worden ist, ergab, dass sie Daten gelöscht hatte. Weiters hatte sie Suchanfragen getätigt, die sich mit Datenlöschungen beschäftigen. Beinschab ist mittlerweile wieder auf freiem Fuß.

Kommunikation mit Frischmann bis zuletzt

Den Berichten zufolge soll Beinschab bis zuletzt mit Johannes Frischmann, zu diesem Zeitpunkt noch Sprecher von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Sprecher im Finanzministerium, kommuniziert haben – im August noch via WhatsApp, danach über Signal. Das sei über Screenshots nachweisbar, berichtete der „Kurier“ von den Ermittlern. Die ZIB1 berichtete unter Berufung auf die Festnahmeanordnung, dass Kommunikation mit Frischmann verschleiert bzw. versucht wurde zu verschleiern. Demnach wurde auch der Verdacht geäußert, dass der Beschuldigten der Durchsuchungstermin und Inhalt der Durchsuchung bekannt gewesen sei.

Beinschab war Dienstagfrüh an ihrer Privatadresse wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen worden, wobei die Festnahmeanordnung ein Richter bewilligt hatte. Im Anschluss soll sie – offiziell nicht bestätigten – Informationen der APA zufolge im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) vernommen worden sein. Am Donnerstag wurde die Meinungsforscherin wieder enthaftet. Es sei kein Antrag auf U-Haft gestellt worden, hieß es vonseiten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Auf die Frage, ob es seit der Festnahme grundsätzlich weitere Ermittlungsschritte von der WKStA gegeben habe, sagte der Sprecher, dass in diesem Ermittlungsstadium die Ermittlungen nicht stillstünden, „weitere Zwangsmaßnahmen jedoch nicht gesetzt wurden“.

„Beinschab-Österreich-Tool“

Beinschab steht im Verdacht, gemeinsam mit ihrer Kollegin und Ex-ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin frisierte Umfragen für die Tageszeitung „Österreich“ erstellt zu haben, die Kurz bzw. der ÖVP zugutegekommen sein sollen. Zudem soll sie Scheinrechnungen gestellt haben. Damit werden ihr Beitragstäterschaft zu Untreue und Bestechung vorgeworfen. Für Beinschab gilt die Unschuldsvermutung.

Beinschab ist Gründerin des Marktforschungsinstituts Research Affairs, das seit vielen Jahren die Umfragen für die Mediengruppe „Österreich“ durchgeführt hat. Die beschuldigte Gruppe um Ex-Kanzler Kurz nannte die Umfrageplatzierungen „Beinschab-Österreich-Tool“. Auch für alle weiteren Beschuldigten, darunter Karmasin, gilt die Unschuldsvermutung.

Bis vor Kurzem Umfragen veröffentlicht

Unklar ist bisher, inwieweit Beinschab in den vergangenen Jahren – also in jenen, die nicht mehr durch Chats dokumentiert sind – politisch gefällige Studienergebnisse geliefert hat. Dass sie weiterhin sowohl für das Finanzministerium als auch für die „Österreich“-Mediengruppe gearbeitet hat, ist bekannt. So veröffentlichte „Österreich“ etwa erst im August zwei Research-Affairs-Umfragen binnen einer Woche, wonach sich einmal 90 und einmal 69 Prozent aller Österreicher für die Abschiebung von straffälligen Afghanen aussprechen.

2020 und 2021 veröffentlichte Beinschab aber auch mehrere ihrer Ergebnisse selbst als Aussendung via OTS. Die Aussendungen haben Titel wie „ÖsterreicherInnen sprechen sich für den Ankauf von Sputnik V aus“, „ÖsterreicherInnen sprechen sich gegen eine Erleichterung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft aus“ und „ÖsterreicherInnen sprechen sich klar für Druck auf unwillige Arbeitslose aus“ und decken sich im Wesentlichen mit ÖVP-Positionen bei damals aktuellen Debatten. Wer die Studien in Auftrag gegeben hat, geht aus den Aussendungen nicht hervor. Auf ihrer Website werden sie als „Eigenstudie“ bezeichnet.

Hausdurchsuchung vorab verraten?

Schon nach den ersten Medienberichten rund um die Hausdurchsuchung, wonach Beinschab versucht haben soll, Daten zu löschen, warfen mehrere Medien die Frage auf, ob die Razzien verraten worden sein könnten. Darauf folgte zuletzt ein Schlagabtausch zwischen Opposition und ÖVP, bei dem das Innenministerium jede Informationsweitergabe dementierte.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch forderte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auf, sofort zu den im Raum stehenden Vorwürfen Stellung zu nehmen. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sprach von einem „Skandal der Sonderklasse“: Es bestehe „kein Zweifel, dass die Meinungsforscherin den Tipp aus dem türkisen System hatte“. Stephanie Krisper von NEOS ortete ein „türkises System“ im Innenministerium – diese „Sümpfe“ müsse man „endlich trockenlegen“.

„Keinerlei Informationsweitergabe“

Vonseiten des Ressorts habe es „keinerlei Informationsweitergabe“ gegeben, teilte das Innenministerium bereits Dienstagabend in einer ORF.at vorliegenden Stellungnahme mit. Das Ministerium verwies auf die „besondere Stellung“ des bei der WKStA-Amtshandlung „unterstützend“ tätig gewesenen BAK. Durch das BAK-Gesetz verankert habe dieses „keinerlei Berichtspflicht innerhalb des Bundesministeriums für Inneres – auch nicht an die Ressortleitung“, so das Ministerium, dem zufolge das BAK zudem „erst kurzfristig vor den Durchsuchungen informiert“ worden sei.

Meinungsforscher distanzieren sich von Beinschab

Der Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Österreichs (VdMI) distanzierte sich unterdessen von Beinschab. Weder sie noch Karmasin seien je VdMI-Mitglieder gewesen, so VdMI-Vorsitzende Edith Jaksch. Beinschab wollte vor Jahren Mitglied werden, sei aber abgelehnt worden.

„Die jetzt vorliegende Causa ist schockierend und erfordert eine Klarstellung unserer Branche. Weder die festgenommene Sabine Beinschab noch die als Beschuldigte geführte Sophie Karmasin waren je Mitglied beim VdMI, weder mit der BB Research Affairs GmbH noch der KARMASIN RESEARCH & IDENTITY GMBH“, teilte Jaksch in einer schriftlichen Stellungnahme mit.

Das Gallup-Institut erklärte unterdessen auf seiner Website „aus gegebenem Anlass“, dass Karmasins langjährige Mitarbeiterin Beinschab „wenige Monate nach dem Eigentümerwechsel des Instituts“ am 11. April 2015 „fristlos entlassen“ wurde. Gallup-Geschäftsführer Michael Nitsche, der das Institut von Karmasin übernommen hat, sagte dazu gegenüber der „Kronen Zeitung“: „Das hat nichts mit den aktuellen Ereignissen zu tun. Es gab andere gute Gründe. Aus arbeitsrechtlichen Gründen kann ich nicht ins Detail gehen.“