CDU Bundesvorsitzender Armin Laschet beim Treffen des Unionsnachwuchses in Münster.
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Auf dem Weg in die Opposition

Deutsche Union auf Selbstfindungsmission

SPD, FDP und Grüne haben sich in Deutschland in ersten Sondierungen geeinigt und streben nun die Bildung einer „Ampel“-Koalition an. Die Unionsparteien CDU und CSU sind damit nach 16 Jahren als Kanzlerpartei unter Angela Merkel wieder auf dem Weg in die Opposition. Bei der Aufarbeitung der Wahlniederlage am Wochenende auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) fallen deutliche Worte von „Debakel“ bis „Sanierungsfall“.

Der gescheiterte Unionskanzlerkandidat Armin Laschet übernahm in seiner Rede am Samstag die alleinige Verantwortung für das miserable Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl. „Wir haben ein bitteres Ergebnis erzielt. Nichts lässt sich schönreden. Die Verantwortung trage ich als Vorsitzender und Kanzlerkandidat“, sagte Laschet. „Den Wahlkampf, die Kampagne habe ich zu verantworten und sonst niemand.“

Deutlicher als zuvor sprach Laschet von einer Oppositionsrolle der Union. Er halte ein „Jamaika“-Bündnis aus Union, Grünen und FDP zwar nach wie vor für die bessere Regierungskoalition. Aber die „Ampel“-Sondierer gingen nun Richtung Koalitionsgespräche. Laschet riet der Union, in der Opposition nicht schrill zu werden.

CDU Bundesvorsitzender Armin Laschet.
Reuters/Leon Kuegler
Laschet gab sich vor der Jungen Union durchaus selbstkritisch

Nachfolger bringen sich in Stellung

Laschet hatte nach dem historischen Tiefstwert von nur 24,1 Prozent für CDU/CSU bereits angekündigt, eigene Ambitionen zurückzustellen – auf einem Sonderparteitag soll der gesamte CDU-Bundesvorstand neu gewählt werden. Rund um das Treffen der JU kocht die Debatte über die personelle und inhaltliche Erneuerung hoch – und potenzielle Laschet-Nachfolger bringen sich in Stellung.

Die Aufstellung eines Unionskanzlerkandidaten sollte nach Ansicht Laschets in Zukunft von einem gemeinsamen „Unionsrat“ aus CDU und CSU moderiert werden. „Wir müssen darüber nachdenken, ob wir ein Gremium finden, das in den Momenten, wo CDU und CSU einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten finden sollen, geeignet ist, so was geordnet zu machen“, so Laschet. „Dieses Gremium muss eines erfüllen: Es muss zwei gleichberechtigte Parteien versöhnen und trotzdem anerkennen, dass die eine mehr Mitglieder hat als die andere.“

Merz: „Insolvenzgefährdeter schwerer Sanierungsfall“

Beim Auftakt der Versammlung am Freitag hatte der CDU-Politiker Friedrich Merz ein dramatisches Bild der Union nach ihrer Wahlniederlage gezeichnet. Er bezeichnete die Union als „insolvenzgefährdeten schweren Sanierungsfall“. Dabei forderte der ehemalige Unionsfraktionschef seine Partei auf, nicht Personalfragen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die inhaltliche Aufstellung. „Wir sollten uns ausschließlich mit der Frage beschäftigen, wie kommen wir da wieder raus?“ Laschet wies die Aussagen Merz’ zurück: „Ich teile übrigens nicht die Formulierungen, die eher der Wirtschaft entliehen sind, dass wir nun ein totaler Sanierungsfall sind“, so Laschet. „Ich schätze Friedrich Merz und ich schätze auch seine Analysestärke, aber wir haben ein gutes Programm gehabt, wir haben Positionen gehabt, für die wir auch weiter stehen.“

Merz wird als möglicher Kandidat für die Nachfolge Laschets gehandelt – ebenso wie unter anderen Gesundheitsminister Jens Spahn und Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus, die ebenfalls beim dreitägigen JU-Treffen in Münster auftraten. Spahn plädierte in Münster für mehr Teamgeist: „Es geht hier doch nicht um Armin, Friedrich, Jens, Ralph oder wen auch immer“, sagte er. „Die Union ist größer als jeder von uns.“ Er erklärte, dass es für die Union nur eine Zukunft geben könne, „wenn wir aufhören mit Schaulaufen und wenn wir mehr Teamarbeit machen an ganz, ganz vielen Stellen.“

Die CDU stehe vor einem Wiederaufbauprozess, der nicht in wenigen Monaten abzuschließen sei, sagte Spahn. „Wir müssen uns aus dem Mist wieder herauszuarbeiten“, sagte er – und fügte hinzu: „Selbst die SPD hat es geschafft, sich aus all dem herauszuarbeiten.“

CDU Politiker Friedrich Merz.
APA/Ina Fassbender
Schon zweimal unterlag Friedrich Merz in der Wahl zum CDU-Vorsitzendem, nun wird er wieder als möglicher Kandidat gehandelt

Söder stichelt nach und will „neues Miteinander“

Das mit Spannung erwartete Aufeinandertreffen von Laschet und Markus Söder entfällt aber – der Chef der bayrischen CSU hatte seine Teilnahme kurzfristig abgesagt. Söder, dem ohnehin wiederholte Sticheleien gegen Laschet vorgeworfen werden, hatte am vergangenen Wochenende auf einer Landesversammlung der bayrischen Jungen Union gesagt: „Es ist einfach so: Am Ende wollten die Deutschen einen anderen Kanzlerkandidaten als den, den CDU und CSU aufgestellt haben.“

In einem aktuellen Interview mit der „Welt am Sonntag“ plädierte er nun für ein neues Miteinander der beiden Schwesterparteien CDU und CSU. „In Stil und Inhalt sollten wir wieder enger zusammenrücken, anstatt öffentlich übereinander zu reden.“ Die CSU werde daher keine öffentlichen Ratschläge erteilen, sondern – wenn es gewünscht ist – mithelfen, die Union zu stabilisieren.

Röttgen sieht „gefährliche Situation“

Norbert Röttgen, Mitglied des CDU-Präsidiums, sagte im Interview mit dem „Spiegel“, er sehe nach wie vor „eine große Zukunft für die CDU“. Klar sei aber auch, „dass wir Fehler gemacht haben und jetzt in einer gefährlichen Situation sind“. Jetzt sei die Zeit, um umzusteuern. Denn „wenn wir so weitermachen, sind wir bald nicht mehr Volkspartei“.

Ob er selbst noch einmal versuchen will, CDU-Vorsitzender zu werden, ließ Röttgen im Interview offen. Er gehe davon aus, dass es in dieser Frage auf eine Beteiligung der Mitglieder hinauslaufen werde, sagte der Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen. „Ich befürworte das“, fügte er hinzu.

Viele Landesverbände der CDU dringen bei der Suche nach einer neuen Parteispitze auf eine stärkere Beteiligung der Basis. Auf welche Weise die Basis einbezogen werden soll, ist in der Partei insgesamt allerdings umstritten. Einige Landesverbände blicken skeptisch auf das Instrument der Mitgliederbefragung.

„Wie ein Hühnerhaufen“

Die JU-Spitze spricht sich jedenfalls für mehr Mitsprache der Basis aus und will beim Deutschlandtag einen entsprechenden Antrag zur Abstimmung stellen. JU-Chef Tilman Kuban sparte auch nicht mit harten Worten gegenüber der eigenen Partei. Die Union habe sich zuletzt benommen „wie ein Hühnerhaufen“. „Deshalb liegt der Ball jetzt im Spielfeld der SPD.“ Er gratulierte dem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zum Wahlsieg.

Vom Deutschlandtag soll nach Kubans Wunsch ein „klares Signal des Aufbruchs“ ausgehen. Der Wahlkampf müsse klar aufgearbeitet werden. „Wir müssen mit neuen Köpfen, neuer Programmatik und neuem Zusammenhalt zwischen CDU und CSU vorangehen“, sagte Kuban.

Union rutscht in Umfragen noch weiter ab

Die Union hat die Talsohle noch nicht durchschritten. Nach ihrem historisch schlechtesten Ergebnis bei der Bundestagswahl sank sie in einer weiteren Umfrage unter die Marke von 20 Prozent. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, kämen CDU und CSU nur noch auf 19 Prozent, wie die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-„Politbarometer“ ermittelte. Vor wenigen Tagen erst rutschte die Union in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA für die „Bild“ auf 19,5 Prozent – das war der niedrigste jemals vom INSA-Meinungstrend gemessene Wert für die Union.