Vizekanzler Werner Kogler.
APA/Hans Punz
Kanzlerwechsel

Kogler erklärt die Hintergründe

Durch die ÖVP-Affäre ist die Koalition zwischen Volkspartei und Grünen an der Kippe gestanden. Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz (ÖVP) als Bundeskanzler wurde die Regierungskrise schließlich für beendet erklärt. Großer Druck lastete bis dahin auf dem kleinen Koalitionspartner. Darüber, was in dieser Zeit hinter den Kulissen geschah, sprach am Samstag erstmals der grüne Bundesparteichef und Vizekanzler Werner Kogler.

Die Grünen hätten nicht aus taktischem Kalkül heraus gehandelt, betonte Kogler in der Ö1-Sendung „Im Journal zu Gast“, sondern nach ihrer Überzeugung. Die Affäre habe ein „verheerendes Bild“ abgegeben, Kurz‘ Handlungsfähigkeit sei eingeschränkt gewesen, „und zwar so weit, dass eine gewisse Amtsunfähigkeit vorliegt“, schilderte Kogler rückblickend. Das habe man öffentlich und auch gegenüber der ÖVP und Kurz gesagt.

Grüne, SPÖ, NEOS und Freiheitliche hätten im Parlament eine Allianz zur Aufklärung der im Raum stehenden Korruptionsvorwürfe geschmiedet, Bundespräsident Alexander Van der Bellen bereits Vorbereitungen für eine Expertenregierung getroffen, und das habe man den ÖVP-Landeshauptleuten so nahegebracht, fasste Ö1 die Konstellation zusammen.

Diese seien es dann gewesen, die Kurz klargemacht hätten, „dass es vorbei sei“. Dieser selbst habe schließlich (den damaligen ÖVP-Außenminister) Alexander Schallenberg als seinen Nachfolger vorgeschlagen.

Mögliche Szenarien im Rückblick

Ein anderes Szenario hätte sein können, so Kogler dann weiter, dass die ÖVP gemeinsam mit den Landesparteien zu der Einsicht gelangt wäre, dass Kurz einen Misstrauensantrag „unter Anführungszeichen erfolgreich über sich ergehen lassen musste“, aber „die Regierungsform immer noch die beste“ sei und sämtliche Ministerinnen und Minister der Volkspartei im Amt blieben. Mögliche Konsequenz: Dass „wir wahrscheinlich relativ rasch ÖVP-Vorschläge für einen neuen Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin gehabt hätten“. Das sei „die nächstgrößere Wahrscheinlichkeit“ gewesen.

Plan B war nicht Neuwahl oder Koalitionswechsel

Kogler betonte, dass die Grünen als möglichen Plan B keine Neuwahl gewollt hätten – sondern im Gegenteil ein Budget für 2022 und die Umsetzung der Steuerreform. „Wir haben versucht, unsere Verantwortung wahrzunehmen“, sagte der Vizekanzler und unterstrich auch: Seine Partei habe nie an einen Koalitionswechsel gedacht.

Die Gespräche, die die Grünen mit den anderen Parlamentsparteien geführt hätten, seien in eine ganz andere Richtung gegangen. Hier sei wohl etwas missverstanden worden. Irgendetwas „im Gesagten oder der Interpretation“ sei mutmaßlich „schiefgegangen“.

Zusammenarbeit mit Kurz: „Auch da wird’s weitergehen“

Gefragt nach der weiteren Zusammenarbeit mit der ÖVP und Kurz als nunmehr Partei- und Klubchef meinte Kogler, „auch da wird’s weitergehen“. Er gehe davon aus, dass mit Kurz eine konstruktive Arbeit möglich sei. „Es muss ja so sein.“ Kommende Woche will Kogler bereits ein Gespräch mit Kurz führen. Von der Volkspartei erwarte man eine ungestörte Fortsetzung der Regierungszusammenarbeit: „Die ÖVP ist gut beraten, sich nicht in die Unberechenbarkeit zu begeben.“

In seiner Einschätzung dazu, wer für die ÖVP als Spitzenkandidat in die nächste Nationalratswahl (planmäßig 2024) gehen könnte, gab sich Kogler bedeckt. „Ich möchte mich nicht äußern zu ÖVP-Personalplänen“, sagte er im Ö1-„Journal“. Nur so viel: Kurz‘ Nachfolger Schallenberg, zuvor Außenminister, sei „sicherlich keine Übergangsfigur“ und „schon gar keine Schachfigur“.

„Nicht aus taktischen Gründen“

Kogler nahm auch bei der Landesversammlung der Wiener Grünen, wo die neue Doppelspitze aus Judith Pühringer und Peter Kraus gewählt wurde, zum bundespolitischen Geschehen der letzten Tage Stellung – schließlich wäre jeder bzw. jede überrascht, „wenn ich nicht darauf eingehen würde, was in den letzten Wochen und Tagen geschehen ist“. Man habe sich um Verlässlichkeit und Stabilität bemüht. „Das sind die Grünen, und das macht mich stolz.“

Kogler sprach von einer Bewährungsprobe für das Parlament, einer Zusammenarbeit dort, die über alle Parteigrenzen hinweg gut funktioniert habe. Dem Bundespräsidenten Van der Bellen sprach der Vizekanzler seinen besonderen Dank aus. Auch die „allermeisten“ Medien hätten unabhängig berichtet, so Kogler. „Es wurden sehr viele kritische Fakten auf den Tisch gelegt.“

Was die Chatprotokolle zutage gefördert hätten, sei völlig eindeutig gewesen. Angesichts der in der Anordnung zu den Hausdurchsuchungen (bei der ÖVP, Anm.) dargelegten Vorwürfe habe man sich entschieden, Konsequenzen zu fordern. „Nicht aus taktischen Gründen.“ Die Grünen seien nicht diejenigen gewesen, die für den „ganzen Quargel“ verantwortlich gewesen seien.

FPÖ spricht von „Zwergenaufstand“ der Grünen

Kogler habe sich im „Journal“ als „großer Hüter der Werte der Grünen“ präsentiert, hieß es in einer Reaktion der FPÖ. Der Vizekanzler streue „den Menschen Sand in die Augen“, so der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung am Samstag.

„Das Auflehnen der Grünen war nicht mehr als ein Zwergenaufstand. Kurz ist zwar als Kanzler weg, das türkise System ist aber weiterhin fest im Sattel – und das schon seit Beginn der Zusammenarbeit zwischen ÖVP und Grünen“, hieß es aus der FPÖ.