Start einer chinesischen „Langer Marsch“-Trägerrakete
AP/Imaginechina
Hyperschall

China überraschte USA mit Raketentest

China hat eine militärische Hyperschallrakete getestet – nicht ganz erfolgreich, aber viel erfolgreicher, als es sich vor allem die USA gedacht hätten. Deren Geheimdienste hätte das Ergebnis des Tests völlig überrascht, hieß es am Wochenende in der „Financial Times“. Offenbar habe die Volksrepublik in der Militärtechnologie inzwischen viel größere Fortschritte gemacht, als man ihr zugetraut hatte.

Laut „Financial Times“-Bericht fand der Test bereits im August statt. Der Gleitflugkörper, der mit einer Rakete in die obere Atmosphäre geschossen wird und dort sehr hohe Fluggeschwindigkeiten erzielt, habe erst die Erde auf einer niedrigen Umlaufbahn umkreist und dann sein Ziel angesteuert, hieß es. Die Trägerrakete war eine vom Typ „Langer Marsch“.

Laut namentlich von der „Financial Times“ nicht genannten Quellen verfehlte die Hyperschallwaffe ihr Ziel um fast 40 Kilometer. Trotzdem hätten sich die US-Geheimdienste vom Ergebnis überrascht gezeigt. Entsprechende Waffensysteme können mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden.

Wettlauf der Supermächte

Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, wollte sich zu den Einzelheiten des Berichts nicht äußern, erklärte jedoch: „Wir haben unsere Besorgnis über die militärischen Fähigkeiten Chinas“, die „die Spannungen in der Region und darüber hinaus“ nur noch verstärkten, deutlich gemacht. Das sei einer der Gründe, „warum wir China als unsere größte Herausforderung betrachten“.

Satellitenaufnahme vermeintlicher chinesischer Raketensilos in der Wüste
APA/AFP/2021 Planet Labs, Inc.
Satellitenbilder sollen Bau von Abschusssilos für – in dem Fall ballistische – chinesische Langstreckenraketen zeigen

Die USA arbeiten neben China, Russland, Nordkorea und mutmaßlich noch einigen weiteren Ländern selbst an der Hyperschalltechnologie. Raketen können mit dieser mehr als fünffache Schallgeschwindigkeit erreichen. Während ballistische Raketen jedoch in einem hohen Bogen durch den Weltraum fliegen, bleiben Hyperschallraketen in einer niedrigen Umlaufbahn. Sie sind außerdem ferngesteuert und haben keine „fixe“ Flugbahn, was neben ihrer Geschwindigkeit einen Abschuss deutlich erschwert.

Trump und die „Super-Duper-Rakete“

Russland präsentierte 2018 sein Raketensystem „Awangard“, laut Kreml inzwischen militärisch einsatzbereit. Im Oktober testete die russische Armee – laut eigenen Angaben erfolgreich – eine „Zirkon“-Rakete, die neunfache Schallgeschwindigkeit erreichen können soll, von einem U-Boot aus.

Der US-Typ AGM-183 ARRW (Air-Launched Rapid Response Weapon), entwickelt von Lockheed Martin, soll mehr als 20-fache Schallgeschwindigkeit erreichen können. Der republikanische Ex-US-Präsident Donald Trump stellte ihn 2020 als die „Super-Duper-Rakete“ vor. Im Juli soll allerdings ein Test schiefgegangen sein. Im September meldete Nordkorea den Test einer neuen Hyperschallrakete.

„Wissen nicht, wie sie das gemacht haben“

Zwei von fünf Experten, welche die „Financial Times“ laut eigenen Worten zu dem chinesischen Raketentest befragt hat, hätten gesagt, dass dieser deutlich gezeigt habe, dass die kommunistische Volksrepublik bei Hyperschallwaffen „erstaunliche Fortschritte“ gemacht hätten, viel größere, als es ihr die USA bisher zugetraut hätten.

Der Test, kommentierte die britische Tageszeitung, werfe überhaupt die Frage auf, weshalb Washington die militärischen Fortschritte Chinas permanent unterschätze. „Wir wissen nicht, wie sie das gemacht haben“, zitierte die „Financial Times“ einen der – namentlich nicht genannten – fünf Befragten.

US-Luftabwehr auf anderen Typ programmiert

Taylor Fravel, Professor am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Experte für das chinesische Nuklearwaffenprogramm, sagte der Zeitung, ein Hyperschallwaffensystem dieser Art könne China helfen, den USA einen Strich durch ihre Luftabwehrstrategie, die auf die Zerstörung ballistischer Raketen ausgelegt sei, zu machen.

Weil die Hyperschallraketen steuerbar sind, seien sie schwer abzufangen. Hätte China solche Waffensysteme einsatzbereit, wäre das „destabilisierend“, so Fravel, der aber auch davor warnte, den Test aktuell überzubewerten.

Aktuell starke Spannungen zwischen USA und China

Die Spannungen zwischen den USA und China sind aktuell – auf mehreren Ebenen – groß. Die USA beobachten militärische Aktivitäten nahe Taiwan, dem Inselstaat, den die Volksrepublik für sich beansprucht, mit Besorgnis. Auf der anderen Seite zeigte sich erst kürzlich Peking empört über Berichte, wonach die USA in Taiwan Armeeeinheiten ausbildeten. Zuletzt gab es Berichte über verstärkte militärische Flugmanöver der chinesischen Luftwaffe, Konflikte gibt es auch im Südchinesischen Meer.

Die „Financial Times“ verwies am Wochenende auch auf die Warnungen hochrangiger US-Militärs vor einem wachsenden chinesischen Atomwaffenpotenzial. Grund dafür waren zuletzt Satellitenbilder, die zeigen sollen, dass die Volksrepublik mehr als 200 Silos für Interkontinentalraketen baute.

Zu den Hyperschallwaffen blieben die Worte zuletzt kryptisch. Im September habe die US-Luftwaffe davon gesprochen, dass China an einem Waffensystem für Angriffe aus dem All arbeite, hieß es in der „Financial Times“, zuvor – im August – hatte das US-Luftverteidigungskommando (NORAD) davon gesprochen, dass die Volksrepublik kürzlich „sehr fortgeschrittene Fähigkeiten“ im Bereich Hyperschalltechnologie gemacht habe. Ob damit der Test gemeint war, blieb offen.