Abstimmung der deutschen Grünen
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„Ampelbündnis“

Deutsche Grüne für Koalitionsgespräche

Die deutschen Grünen haben für Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP gestimmt und damit grünes Licht für das „Ampelbündnis“ gegeben. An einem kleinen Parteitag in Berlin stimmten die Delegierten am Sonntag mit großer Mehrheit für die Aufnahme der Gespräche zur Bildung einer gemeinsamen Regierung.

Von nach Parteiangaben etwa 70 stimmberechtigten Delegierten stimmten zwei mit Nein, es gab eine Enthaltung. Bereits am Freitag hatte der SPD-Vorstand einstimmig für Koalitionsverhandlungen votiert.

Vor dem Votum hatten Parteichef Robert Habeck und andere Mitglieder des Grünen-Sondierungsteams die Delegierten auf eine künftige Regierungsbeteiligung eingeschworen. „Wir werden Treiberin großer Transformationsaufgaben sein“, sagte Habeck, der um ein Mandat für eine „Fortschrittsregierung“ bat. Seine Partei stehe kurz davor, zum zweiten Mal Teil einer Bundesregierung zu werden. „Es ist tatsächlich so, dass wir gerade ein Stück weit grüne Geschichte schreiben.“

Applaus für Klimaschutzvorhaben

Annalena Baerbock, die mit Habeck die Doppelspitze der deutschen Grünen bildet, erhielt insbesondere für die im Sondierungspapier festgehaltenen Klimaschutzvorhaben Applaus. Hier sei wahnsinnig viel erreicht worden zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Bei der Pension könne man nicht die nächsten Jahre so „dahinwurschteln“. „Wir wollen einen echten Aufbruch schaffen, auch für zukünftige Generationen.“

Gruppenbild nach Abstimmung der deutschen Grünen
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Am Sonntag nahm das „Ampelbündnis“ auf dem kleinen Parteitag der Grünen die nächste Hürde

In den Koalitionsverhandlungen stehe aber auch noch einiges an Arbeit bevor, sagte Baerbock, die ankündigte, dass die europäische Außenpolitik eine große Rolle in den Verhandlungen spielen werde. In der Vergangenheit sei „eine Chance für die Menschenrechte in dieser Welt“ vertan worden. „Es wird immer wieder dazu kommen, dass wir auch bis in die Nacht heftig ringen“, sagte sie mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen voraus.

„Wir wollen diese Verantwortung“

Habeck verwies auf den Machtwillen der Grünen nach Jahren in der Opposition. Die Partei müsse nun beweisen, dass sie reif dafür sei, Regierungsverantwortung zu übernehmen. „Wir kommen aus der Defensive in die Gestaltung, in die Offensive.“ Die Grünen könnten nun mitgestalten. „Wir wollen diese Verantwortung“, so Habeck. „Wir wollen die Wirklichkeit gestalten.“

Das sah die Mehrheit der Delegierten auf dem Parteitag ähnlich, harsche Kritik war kaum zu hören. So merkte Cansin Köktürk an, sie haben den Eindruck, die FDP habe die Wahl gewonnen. „Wo steht in diesem Sondierungspapier die wahrhaftige Beseitigung der Armut in diesem Land?“, fragte sie. Andere hoben den Handlungsbedarf hervor, den es in einer künftigen Bundesregierung noch beim Klimaschutz gebe.

Delegierte sehen noch ungeklärte Details

Mehrere Delegierte mahnten an, dass in den nun bevorstehenden Koalitionsverhandlungen noch wichtige Details zu klären seien. So müsse deutlich werden, woher das Geld für notwendige Investitionen kommen solle, so die Hamburger Delegierte Anja Hajduk. Die Grünen müssten FDP und SPD in die Pflicht nehmen, um „diese 500 Milliarden für ein Investionsjahrzehnt“ zusammenzubekommen. Die deutschen Grünen wollen insbesondere in öffentliche Infrastruktur und Klimaschutz investieren.

Der Kieler Delegierte Lasse Petersdotter lobte die Einigung auf zwölf Euro Mindestlohn als „Revolution“, warnte aber auch, die Vorhaben zum Klimaschutz müssten in den Koalitionsverhandlungen noch konkreter und ambitionierter werden. Die Grünen müssten aufpassen, „dass die FDP nicht Grenzen zieht, während wir Hoffnungen beschreiben“.

Koalitionsgespräche als nächster Schritt zur „Ampel“

Während Sondierungsverhandlungen der noch unverbindlichen Erkundung von Gemeinsamkeiten und Differenzen dienen, haben die Partner bei Koalitionsgesprächen eine gemeinsame Regierung schon fest im Blick. Über den Koalitionsvertrag wollen die Grünen ihre Mitglieder in einer Urabstimmung entscheiden lassen. Erklärtes Ziel ist eine Regierungsbildung vor Weihnachten.

Am Freitag hatten die Unterhändler einer möglichen künftigen „Ampelkoalition“ ihr Sondierungsergebnis präsentiert. Es listet Themen auf, bei denen die drei Parteien eine „Vorfestlegung“ erzielen konnten. So soll es keine Steuererhöhungen geben und die Schuldenbremse eingehalten werden. Der gesetzliche Mindestlohn soll auf zwölf Euro pro Stunde steigen. Beim grünen Kernthema Klimaschutz sind unter anderem ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien und ein Kohleausstieg im Idealfall schon bis 2030 geplant.

Ministerium für Klimaschutz

Eine „Ampelkoalition“ wird nach Worten von FDP-Parteichef Christian Lindner auch ein neues Ministerium für Klimaschutz einrichten. „Es gibt ein neues Klima-Ministerium“, sagte er am Sonntag in der ARD. Welche Kompetenzen es vereinen solle, sagte Lindner nicht. Im Sondierungspapier der Parteien wird ein Zuschnitt der Ministerien oder deren Besetzung auch nicht genannt. Lindner erwähnte des Klima-Ministerium in einem Atemzug mit Kanzleramt und Finanzministerium sowie dem Hinweis, dass alle Parteien sich in der Regierung wiederfinden müssten.

Als sicher gilt, dass ein Klima-Ministerium von den Grünen geführt werden würde und das Kanzleramt Olaf Scholz (SPD) besetzt. Die FDP hat großes Interesse am Finanzministerium. Lindner wie zuvor Grünen-Parteichef Robert Habeck lehnten es aber ab, jetzt über die personelle Besetzung von Regierungsämtern zu reden.